Im Rahmen der Fraunhofer-Systemforschung Elektromobilität (FSEM II) erarbeiten 16 Fraunhofer-Institute gemeinsam Lösungen für die Zukunft der Elektromobilität. Im Cluster "Antriebsstrang/Fahrwerk" bündeln die drei Fraunhofer-Institute für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF, für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie (IISB) und für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) ihre Kompetenzen für einen innovativen luftgekühlten elektrifizierten Antriebsstrang mit adaptivem Fahrwerksdämpfer. Dieser besteht aus einem luftgekühlten Radnabenmotor, einem luftgekühltem Antriebsumrichter, einem Multi-Level-DCDC-Wandler, einem adaptiven Fahrwerksdämpfer und einer Felge zur Kühlluftunterstützung.
Kühlluftoptimierte Felge
Das Fraunhofer LBF hat den Einfluss des Radscheibendesigns untersucht, um den Luftstrom und die damit verbundene erzwungene Konvektion am Rad zu verbessern. Entscheidende Kriterien waren für die Wissenschaftler neben dem Kühleffekt und der besseren Durchströmung auch das Ergebnis der numerischen Betriebsfestigkeitsberechnung und das mögliche Gewicht. Die Felge entwickelten sie entsprechend den Anforderungen, die sich durch die erhöhte reifengefederte Masse ergeben. Untersuchungen im Windkanal ergaben einen deutlichen Einfluss des Raddesigns auf das Abkühlverhalten. Als vorteilhaft für die Unterstützung der radseitigen Konvektion zeigte sich, je nach Auslegungsziel, ein Design mit Propeller-Speichen. Auf der Basis dieser Ergebnisse designten und bauten die LBF-Wissenschaftler eine Leichtbau-Felge in 20 Zoll, die sich beispielsweise für den Einsatz von Radnabenmotoren eignet. Sie verbessert die Kühlluftführung um fünf Prozent und wiegt nur 11,3 Kilogramm.
Adaptiver Fahrwerksdämpfer
Um den Einfluss der erhöhten reifengefederten Massen zu reduzieren und um den höchsten Fahrkomfort zu erreichen, hat das Fraunhofer LBF einen magnetorheologischen Dämpfer mit einer neuartigen und energieeffizienten Magnetfeldführung entwickelt. Magnetorheologische Flüssigkeiten (MRF) sind Suspensionen aus einer Trägerflüssigkeit und ferromagnetischen Partikeln. Unter Einfluss eines Magnetfeldes bilden sich Festkörperbrücken, die zu einer Erhöhung der übertragbaren Schubspannung führen. Der hybride magnetorheologische Dämpfer nutzt diesen Effekt, um die Dämpferhärte in einem Fahrzeug anzupassen: je stärker das Magnetfeld desto höher die Dämpfungskraft. Wenn beim Einsatz im Fahrzeug die Dämpferhärte langfristig angepasst werden soll, lässt sich hierfür der Permanentmagnet verstellen. Soll dies kurzfristig und schnell geschehen, kann der Spulenstrom geändert werden.
Prüfkonzept für effizientere Betriebsfestigkeitserprobung
Bevor Bauteile ins Automobil kommen und dort eingesetzt werden, müssen diese, durch dynamische Kräfte beanspruchten Systeme, auf ihre Betriebsfestigkeit hin untersucht werden. Das Problem: Bei den üblichen mehrkanaligen servohydraulischen Prüfständen ist es vor Beginn der eigentlichen Prüfung oft sehr aufwändig, die Ansteuerungssignale ("Drive-Files") für den Prüfstand zu bestimmen. Anstatt, wie bisher üblich, die Systemdynamik abzubilden, haben Wissenschaftler des Fraunhofer LBF ein physikalisches, nichtlineares Modell von Prüfstand und Prüfling erstellt. Es erfasst die Effekte der nichtlinearen Systemdynamik und ist außerdem in der Lage, das dynamische Verhalten (semi-)aktiver Komponenten, wie beispielsweise von Dämpfern, abzubilden.
Numerische Studien mit dem Modell eines dreikanaligen servohydraulischen Prüfstands und dem einer Halbachsenbaugruppe mit nichtlinearem (semi-)aktivem/adaptiven Dämpfer ergaben mehrere Vorteile: Die iterative Optimierung des Drive-Files konvergiert wesentlich schneller als bei Verwendung der bisher üblichen linearen Übertragungsmatrix. Es besteht erhebliches Potential zur Zeit- und Kostenersparnis in der Prüfvorbereitung. Beispiele zeigen eine Abweichung unter einem Prozent nach drei Iterationen, anstatt einer Abweichung von 3,6 Prozent nach zehn Iterationen. Darüber hinaus erfasst das Modell ohne besondere Schwierigkeiten sich kontinuierlich verstellende Eigenschaften (semi-)aktiver/adaptiver Komponenten, die sich nun in der Drive-File-Generierung darstellen lassen.