Windenergie wird immer mehr genutzt, was sowohl die Anzahl als auch die Größe der Windkraftanlagen rasant wachsen lässt. Diese Systeme arbeiten autonom, sind schwingungsfähig und durch Umwelteinflüsse außergewöhnlich stark belastet. Daher müssen Entwickler das Schwingverhalten dieser Anlagen in der Auslegung berücksichtigen. Darüber hinaus ist es entscheidend, den Zustand von Windenergieanlagen permanent im Auge zu behalten. Wo Anlagen mit Kontrollgängen oder Inspektionen nicht ständig überwacht werden können, ist eine fundierte Zustandsüberwachung erforderlich. Dies gilt insbesondere für Offshore-Windenergieanlagen. Während für die Überwachung des Triebstranges der Anlagen inzwischen kommerzielle Systeme verfügbar sind, ist die Überwachung der Rotorblätter und der Gründungsstruktur noch Gegenstand von Forschung und Entwicklung.
Experimentelle Analysen derart großer Strukturen erfordern viel Erfahrung und das richtige Equipment. Deswegen gehören sie bei den Herstellern von WEA oder von Rotorblättern nicht zum Kerngeschäft. Das Fraunhofer LBF ist spezialisiert auf die Entwicklung von Methoden und Geräten zur Zustandsüberwachung und kann mit dem Projekt ANÜBeS seiner Expertise ein weiteres Technologiefeld hinzufügen.
Ziel: Datenbasis verbreitern
Der Strukturüberwachungsansatz der Darmstädter Forscher setzt sich zusammen aus einem Datenerfassungsnetzwerk und einer Analysemethode. Ihre grundlegende Idee dahinter ist eine Verbreiterung der Datenbasis, auf deren Grundlage die Aussagen zum Zustand des Turmes getroffen werden können. Im Projekt ANÜBeS konnten die Wissenschaftler dies realisieren, weil sie zum einen den zeitlichen Umfang der Datenbasis verbreiterten, indem sie eine autonome Langzeitüberwachung nutzten, anstatt stichprobenartig zu überprüfen. Zum anderen verbreiterten sie auch den Umfang der Prüfergebnisse, indem sie mehrere modale Parameter kombinierten, anstatt ein einzelnes Testergebnis zu nutzen. Um diese breite Datenbasis zu erreichen, waren mehrere originelle Einzelentwicklungen notwendig, die auf eine innovative Art verknüpft wurden.
Sensoren am Turm
Ziel der Wissenschaftler war, mit Hilfe eines Sensornetzwerkes wiederholt und autonom modale Parameter zu ermitteln. Diese sollen später als Eingangsgrößen für Methoden der Strukturüberwachung herangezogen werden. Um das entwickelte System auch für einen nachträglichen Einbau interessant zu machen, sollte ein dezentraler Aufbau den Verkabelungsaufwand wesentlich verringern.
Als "Versuchsobjekt" diente den Darmstädter Wissenschaftlern die "Lange Anna", eine WEA im nahegelegenen Odenwald mit einer Nennleistung von zwei Megawatt. Die Schwingungen des Turms werteten die Forscher hinsichtlich der Eigenfrequenzen, vor allem aber der Eigenschwingformen, aus. Dazu installierten sie ein Netzwerk mit fünf intelligenten Sensorknoten, die durch eine Vorverarbeitung der Messdaten über eine Bus-Struktur - und daher mit sehr geringem Verkabelungsaufwand -, kommunizieren können. Die Vorverarbeitung erfolgte mit der "Random Decrement"-Methode. Anschließend vereinigten die Forscher die erfassten Daten mit Umwelt- und Prozessparametern aus der Anlagensteuerung und schätzten in Zehn-Minuten-Abständen die genannten modalen Parameter mit Methoden der Operational Model Analysis. Diese Daten lassen sich später mit verschiedenen Methoden hinsichtlich Anomalitäten wie z. B. Schäden am Turm auswerten.
Bisher sind mit dem Netzwerk Messungen im Betrieb erfolgreich gewesen. Um die Modalparameter entsprechend den Vorgaben wie etwa des Germanischen Lloyd auch im Trudeln zu erfassen, soll das System in Zukunft mit sich selbst anpassenden Triggerschwellen erweitert werden. Weitere Langzeittests sind bis Ende 2014 geplant. In Zukunft soll eine Bewertung der Messergebnisse in Zusammenhang mit den Betriebs- und Umweltparametern und auch den Belastungen, z. B. am Turmfuß, neu eingeführt werden. Auch sollen Untersuchung zur Güte weiterer OMA-Methoden (EFDD, FSDD) und damit auch Studien zur Bestimmung der modalen Dämpfung erfolgen.