In Europa werden heute mengenmäßig bereits rund 70 Prozent sogenannte halogenfreie PIN-Flammschutzmittel verwendet, die auf Basis von Phosphor (P), anorganischen Substanzen (I) und Stickstoff (N) hergestellt werden und nicht auf Halogenen (z.B. Brom oder Chor) aufgebaut sind. Ihr Anteil wird wachsen, da sie dem Wunsch vieler Anwender nach guter Umweltverträglichkeit, Kosteneffizienz und verlässlichem Flammschutz in der Endanwendung entgegen kommen. Zum werkstofflichen Recycling dieser Kunststoffe ist bisher nur sehr wenig bekannt, obwohl sie mit einem geschätzten Wert von drei Milliarden Euro eine sehr hohe wirtschaftliche Bedeutung auf dem europäischen Markt haben. Dies betrifft vor allem die Elektro- und Elektronik-Industrie, den Bau und das Transportwesen. Die Ergebnisse des LBF-Forschungsprojektes haben eine Bedeutung für Polymer-, Flammschutzmittel- und Additivhersteller, Compoundeure, Masterbatch-Hersteller, Produzenten von Kunststoff-Teilen und Recyclingfirmen bis hin zu Beratungsfirmen.
Recyclingfähigkeit sicherstellen
Das neue mehrjährige Forschungsprojekt des Fraunhofer LBF wird erstmalig Antworten auf die Recyclingfähigkeit von halogenfrei flammgeschützten Kunststoffen geben und Wege aufzeigen, die Recyclingfähigkeit sicher zu stellen. Gleichzeitig wird ein wichtiger Beitrag zu den gesellschaftspolitischen Themen Ressourceneffizienz und Sicherheit geliefert. Die Forschung findet im Rahmen der Projektförderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung der AiF (Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen, hier Forschungsgesellschaft Kunststoffe e.V., www.fgkunststoffe.de) und unter Beteiligung von Mitgliedsfirmen der PINFA statt. Die PINFA (Phosphorus, Inorganic & Nitrogen Flame Retardants Association, www.pinfa.org) repräsentiert Hersteller und Anwender von halogenfreien Flammschutzmitteln und ist Teil des European Chemical Industry Council (Cefic).
Unternehmen werden in vielfältiger Weise vom neuen Forschungsprojekt profitieren: Sie können eigene Produktionsabfälle bei flammgeschützten Formulierungen besser nutzen und Kosten einsparen. Die Erkenntnisse führen zu qualitativ verbesserten Produkten mit hohem Sicherheitsstandard, mögliche Gefahrenquellen von Abbauprodukten werden erkannt und können kompensiert werden. Wettbewerbsvorteile bestehen weiterhin darin, Recycling-Kunststoffe als Marketing-Instrument zu nutzen und neue Produkte auf dieser Basis aufzubauen.
Firmen können Ergebnisse unmittelbar umsetzen
Da das Institut anwendungsrelevante und heutige kommerzielle Formulierungen verwendet, können die interessierten Firmen die Erkenntnisse sofort und unmittelbar umsetzen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen entsteht durch die Wiederverwendung von Produktionsabfällen auch ein klarer Wettbewerbsvorteil. Risiken wie beispielsweise Produkthaftung bei der Verwendung von Rezyklaten können durch die erarbeitete Datenbasis minimiert werden.
Das Forschungsvorhaben wird durch die angestrebte werkstoffliche Verwertung von rezyklierten halogenfrei flammgeschützten Kunststoffen den Einsatz von Rohstoffen verringern und dazu beitragen, Ressourcen effizienter zu nutzen und zu schonen. Dank verbesserter Eigenschaften von rezyklierten Kunststoffen, wie etwa der mechanischen Kennwerte, wird es möglich, neue Anwendungen für diese Rezyklate zu erschließen und neue Geschäftsfelder aufzubauen. Bei einem Marktvolumen in Europa von drei Milliarden Euro für halogenfrei flammgeschützte Kunststoffe schätzt das Fraunhofer LBF das Kosteneinsparungspotential durch die Verwendung von Produktionsabfällen auf 150 Millionen Euro jährlich. Der mögliche Wert für Altkunststoffe liegt noch deutlich darüber.
Für die Qualitätsverbesserung beim werkstofflichen Recycling von Kunststoffen spielen Recycling-Additive eine wichtige Rolle. Mit der Zugabe von maßgeschneiderten Stabilisatoren, Kompatibilisatoren und reaktiven Zusätzen erreichen Rezyklate Qualitäten, die mit denen von Neuware konkurrieren können. Die Zahl der Rezyklat-Additive hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Für Produzenten erwächst daraus die Schwierigkeit, die für das gewünschte Eigenschaftsprofil technisch und kostenmäßig beste Lösung zu entwickeln. Hierbei steht das Fraunhofer LBF mit seinem Bereich Kunststoffe als neutraler Entwicklungspartner bereit und erweitert das Wissen zu Rezyklaten kontinuierlich.
Über den Bereich Kunststoffe des Fraunhofer LBF
Mit dem Forschungsbereich Kunststoffe, hervorgegangen aus dem Deutschen Kunststoff-Institut DKI, begleitet und unterstützt das Fraunhofer LBF seine Kunden entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Polymersynthese über den Werkstoff, seine Verarbeitung und das Produktdesign bis hin zur Qualifizierung und Nachweisführung von komplexen sicherheitsrelevanten Leichtbausystemen. Der Forschungsbereich ist spezialisiert auf das Management kompletter Entwicklungsprozesse und berät seine Kunden in allen Entwicklungsstufen. Hochleistungsthermoplaste und Verbunde, Duromere, Duromer-Composites und Duromer-Verbunde sowie Thermoplastische Elastomere spielen eine zentrale Rolle. Der Bereich Kunststoffe ist ein ausgewiesenes Kompetenzzentrum für Additivierungs-, Formulierungs- und Hybrid-Fragestellungen. Umfassendes Know-how besteht in der Analyse und Charakterisierung von Kunststoffen und deren Veränderung während der Verarbeitung sowie in der Methodenentwicklung zeitaufgelöster Vorgänge bei Kunststoffen.