Noch immer werden Großeinsätze von Feuerwehr und Polizei in Deutschland mit technischen Mitteln dirigiert, die sich seit Gründung der Bundesrepublik kaum verändert haben: Knarzender Analog-Sprechfunk, langsame Handynetz-Faxgeräte und waghalsige Kurierfahrten mit Martinshorn und Blaulicht sind häufig die einzige Verbindung, die die hochmodern ausgerüsteten Leitzentralen zu ihren Einsatzkräften vor Ort haben. Die Kommunikationstechnik hat mit der ansonsten meist guten Ausrüstung der Feuerwehrleute und Polizisten nicht Schritt gehalten.
Daran soll sich jetzt etwas ändern. "Gefahrgutdaten, Messergebnisse von Spürwagen, Pläne von brennenden Werkshallen und bildlich dargestellte Ausbreitungssimulationen für freiwerdende Gefahrstoffe wollen wir sobald wie möglich auf tragbare Computer im Einsatzleitwagen, vielleicht auch direkt am Handgelenk des Zugführers am Einsatzort übertragen", schildert Diplom-Wirtschaftsinformatiker Andreas Meißner das Ziel. "Gleichzeitig können die Einsatzleiter vor Ort ihre Lagemeldungen elektronisch übermitteln und sogar Bilddaten an die Leitstelle senden", so Meißner weiter. Damit werde den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) die Möglichkeit eröffnet, auf Informationen viel einfacher zuzugreifen, als dies heute mit dem alten Polizei- und Feuerwehrsprechfunk möglich ist. Die Fraunhofer-Gesellschaft investiert deshalb in ein mobiles Labor für BOS-Datenkommunikationstechnik, das gegenwärtig am Fraunhofer-Institut IPSI in Darmstadt eingerichtet wird. Experten von Berufsfeuerwehren und Landesfeuerwehrschulen sowie der Leitstellenhersteller CKS Systeme GmbH & Co KG unterstützen das Projekt. Die Darmstädter Forscher wollen Möglichkeiten entwickeln und erproben, die an bereits weit verbreitete Systeme problemlos angekoppelt werden können und deren Infrastruktur mit nutzen, um die Investitionskosten für Behörden und Organisationen überschaubar zu halten und schnell Verbesserungen zu erreichen.
Arsenal drahtloser Kommunikationstechniken
Das neue BOS-Datenkommunikations-Labor des IPSI umfasst neben stationären und robusten mobilen Rechnern für verschiedene Zwecke ein Arsenal mit allen für Behörden und Organisationen relevanten drahtlosen Kommunikationstechniken: Wireless LAN und Bluetooth, GPRS- und UMTS-Datenadapter, Satellitenfunkgeräte für die Netze Iridium, Thuraya, Globalstar und Inmarsat, eine Datenfunklösung für den existierenden BOS-Analogfunk, sowie demnächst auch eine Ausstattung für den digitalen Bündelfunk. Die aufwändige Satellitentechnik ermöglicht eine Kommunikation mit der von ISDN gewohnten Geschwindigkeit sogar während der Fahrt. Neben der Kommunikationsausstattung, die portabel ist und somit auch vor Ort unter realistischen Bedingungen bei den Beratungskunden eingesetzt werden kann, verfügt das IPSI über ein zweites Highlight: Ein komplettes Feuerwehr-Einsatzleitsystem der CKS Systeme GmbH & Co KG, an das innovative mobile Clients in den Einsatzleitfahrzeugen angedockt werden können. Mit der in dieser Zusammenstellung für ein Forschungsinstitut einmaligen Ausstattung kann das IPSI Firmen sowie Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben bei Auswahl und Aufbau von Kommunikationsnetzen für innovative Informationssysteme im Notfall- und Rettungswesen beraten und unterstützen sowie eigene Software-Entwicklungen an die Bedürfnisse der Kunden anpassen. Für Technik, die nur Feuerwehren zugänglich ist (etwa spezielle Fahrzeuge und stationäre sog. 4-Meter-Funkanlagen) kann das IPSI im Rahmen bestehender Kooperationen auf deren Ausrüstung zugreifen. Vorgestellt wird das Labor erstmals auf der Computermesse CeBIT vom 10. bis 16. März in Hannover (Fraunhofer-Gemeinschaftsstand, Halle 9, Standnummer 36, Arbeitsplatz 1.04).
Chaosphase bei Einsatzbeginn
Der Einsatz von Informationstechnik (IT) und daher auch von Datenkommunikation ist bei Behörden und Organisationen derzeit noch vergleichsweise gering, könnte aber die kritische Chaosphase zu Beginn eines Einsatzes verkürzen. Die schnelle und fehlerfreie Übermittlung von Plänen, Listen und Hintergrundinformationen kann lebensrettend sein, ist aber mit dem - gerade bei Großeinsätzen - häufig überlasteten Sprechfunk kaum zu bewältigen. Ob und inwieweit ein vermehrter IT-Einsatz für die Arbeit der BOS kritisch werden könnte, wurde für die KRITIS-Studie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) von sechs Fraunhofer-Instituten und einem Schweizer Ingenieurbüro unter Führung des Fraunhofer IPSI untersucht. Der geringe IT-Einsatz ist besonders bemerkenswert, weil gerade wegen der Arbeitsweise abseits jeder Routine der Bedarf an Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten sehr hoch ist. Es wird allgemein erwartet, dass mit der von der Innenministerkonferenz wohl bald auf den Weg gebrachten Einführung des Digitalfunks für die BOS, die den Organisationen erstmals eine eigene Datenkommunikationsinfrastruktur an die Hand gibt, eine Initialzündung für die Nutzung vernetzter Informationssysteme erfolgt.
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