Unternehmen in Deutschland mit einem hohen Energieverbrauch profitieren bislang von ermäßigten Energie- und Stromsteuersätzen. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen diese Erleichterungen künftig nur noch gewährt werden, wenn Betriebe Maßnahmen einführen, um Energie zu sparen: Ab 2013 erhalten ausschließlich Firmen Vergünstigungen, die mit einem Energiemanagementsystem ihre Stromverbräuche nachweisen. Kein einfaches Unterfangen - schließlich müssen die Unternehmen in vorhandenen Elektroanlagen Messgeräte nachrüsten, die die Teilenergieverbräuche von Großgeräten wie Press- und Schweißmaschinen, Backöfen oder Motoren erfassen. Bisher erhältliche Messsysteme passen jedoch oftmals nicht in Schaltschränke, sie sind zu groß. Abhilfe schaffen soll ein neuartiges, platzsparendes Messmodul, das sich im laufenden Betrieb wie eine Wäscheklammer um Stromkabel zwicken lässt. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen haben den Energie-Analysator in Zusammenarbeit mit der Rauschert GmbH entwickelt - einem Hersteller hochwertiger technischer Keramik-Produkte, die in der Fertigung energieintensiv sind. Gefördert wurde das Forschungsprojekt durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie im Rahmen des Programms »Mikrosystemtechnik«.
Strom messen mit Magnetfeldsensoren
Das Gerät basiert auf dem HallinOne®-Sensor des IIS - einem 3D-Magnetfeldsensor, der bereits serienmäßig in Waschmaschinen der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH verbaut ist, um dort die Position und Lage der Wäschetrommel zu bestimmen. »Wir verwenden in der Anwendung erstmals unsere 3D-Magnetfeldsensor-Technologie, um das vom elektrischen Stromfluss erzeugte Magnetfeld zu messen und so die Energiewerte zu erfassen. Das ist ein Novum«, sagt Dipl.-Ing. Michael Hackner, Wissenschaftler am IIS. Hierfür bestücken Hackner und sein Team eine flexible, flache Leiterplatte mit acht Sensor-ASICs, kurz für anwendungsspezifische integrierte Schaltung. Die Besonderheit des Sensor-ASIC: Anders als bisherige Sensoren misst er nicht nur zur Chip-Oberfläche senkrechte, sondern zudem tangentiale Magnetfelder, was zu einer hohen Messgenauigkeit führt. Die erfassten Energiewerte werden an einen Microcontroller übertragen, der sie wiederum über ein Gateway - ein Vermittlungsgerät - an einen Zentralrechner sendet. »Unser Stromsensor ist schnell installiert. Er lässt sich montieren, ohne die Produktion zu unterbrechen«, benennt der Forscher einen Vorzug der Entwicklung, um gleich einen weiteren hervorzuheben: »Das Messprinzip ist an die Rogowski-Spule angelehnt, die Bestandteil vieler elektrotechnischer Messgeräte ist. Während diese allerdings nur Wechselströme erfasst, kann unser Sensor Gleichstrom messen - ein wichtiger Aspekt für Photovoltaikanlagen mit Solarumrichtern, die Gleich- in Wechselstrom umwandeln.«
Hohe Messgenauigkeit
Das Messgerät ist kostengünstig aufgebaut. Da die Forscher vom IIS für die Konstruktion keine magnetisierbaren Materialien verwenden, wird die Messgenauigkeit nicht gestört - ein Problem von handelsüblichen Stromzangen, die etwa nach einem Kurzschluss nicht mehr korrekt funktionieren. Ein weiterer Vorteil gegenüber Stromzangen: Auch die Spannung lässt sich bestimmen. Kurzum: Mit dem Messgerät lassen sich nicht nur die Energiewerte ermitteln, sondern zudem alle Größen bestimmen, die erforderlich sind, um die Netzqualität zu beobachten. »Wir sind so in der Lage, Produktionsprobleme schnell zu lokalisieren. Während eines Brands können wir Unregelmäßigkeiten sofort erkennen und Fehlbrände von Keramiken vermeiden,« sagt Michael Müller, Leiter des Bereichs Energiemanagement Systeme der Rauschert GmbH. Künftig will das Unternehmen auch andere Betriebe in Sachen Energiemanagement beraten und mit dem neuartigen Messsystem ausstatten.
Stromsensor fürs Netz der Energie-Versorger geeignet
Auch im Mittelspannungs-Netz (20 kV) der Energie-Versorger lässt sich das Gerät einsetzen. Aufgrund des Erneuerbaren Energien-Gesetzes (EEG) speisen mittlerweile viele kleine und mittlere Elektrizitätserzeuger ins Versorgungsnetz ein, ohne dass die Provider im Detail informiert sind, zu welcher Zeit in welche Richtung und durch welche Leitung wie viel Strom fließt. »Die Netzkapazität ließe sich deutlich besser ausnutzen, wenn hier detailliertere Messwerte zur Verfügung stünden«, sind sich Hacker und Müller einig. Die beiden Experten sehen hier ein großes Marktpotenzial: Allein in Bayern umfasst das 20kV-Netz mehrere 10 000 Trafostationen, die sich mit der neuen Entwicklung kostengünstig ausrüsten ließen, ohne die Stationen und Leitungen zeitweilig außer Betrieb nehmen zu müssen. Ein Prototyp des Messsystems für Niederspannungsnetze liegt bereits vor.
Auf der Messe Sensor+Test 2012 vom 22. bis 24. Mai in Nürnberg in Halle 12, Stand 202 demonstrieren die Forscher vom IIS das Gerät im Livebetrieb. Die Fertigung der Funktionsmuster und der finalen Systeme wird die Loewe Opta GmbH übernehmen.