Bei der Einbindung regenerativer Energiequellen in das Stromnetz spielen leistungselektronische Systeme in Form von Wechselrichtern eine immer größere Rolle. Um die regenerativ erzeugte Energie möglichst verlustarm einzuspeisen, werden speziell im Mittelspannungsbereich (10 kV bis 13 kV) neue Umrichter benötigt. Aufgrund der besseren physikalischen Eigenschaften könnten in diesen Systemen zukünftig Hochvoltbauelemente aus dem Halbleitermaterial SiC die etablierten Siliziumbauelemente ersetzen. Durch SiC-Leistungsbauelemente lassen sich z.B. Komponenten für die Kühlung einsparen und Schaltungen effizienter, kostengünstiger und kompakter aufbauen. Der Einsatz im Stromnetz stellt allerdings extreme Anforderungen an die Zuverlässigkeit und an die Leistungsfähigkeit der verwendeten Bauelemente. Das gilt auch für die relativ neuen Hochvoltbauelemente auf Basis von Siliziumkarbid. Im Projekt "SiC-WinS - Technologische Grundlagen zur Herstellung von SiC-Spannungswandlern für intelligente Stromnetze" werden deshalb die Herstellungsprozesse erforscht, um auch bei SiC-Bauelementen für Sperrspannungsklassen bis maximal 13 kV höchste Zuverlässigkeit im Sinne einer "Null-Fehler-Toleranz" zu gewährleisten. Beispielsweise zur Herstellung so genannter PIN-Dioden auf SiC-Basis - wichtig für die Konstruktion hoch effizienter Schaltwandler - sind aber noch einige grundsätzliche technologische Prozesse sowie Prüf- und Analyseverfahren zu entwickeln. Die in Erlangen ansässigen Projektpartner Fraunhofer IISB, Intego GmbH, Infineon Technologies AG und der Lehrstuhl für Angewandte Physik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) erforschen deshalb die Herstellung dicker SiC-Epitaxieschichten, die für diese SiC-Hochvoltbauelemente benötigt werden. Ziel des Projekts ist es, die Produktionskosten für diese Bauelemente erheblich zu senken und gleichzeitig die elektrischen und strukturellen Eigenschaften der Schichten zu verbessern. SiC-WinS wird von der Bayerischen Forschungsstiftung (BFS) gefördert und hat eine Laufzeit von drei Jahren.
Mit der Förderung durch die BFS soll es den Forschern gelingen, durch Zugabe von Chlorwasserstoff (HCl) die für die Bauelemente benötigten dicken SiC-Schichten schneller und mit besserer Qualität abscheiden zu können. Diese Schichten werden in einem Reaktor bei Temperaturen von über 1550°C durch eine chemische Reaktion von gasförmigem Propan und Silan auf einem SiC-Wafer hergestellt. Die adressierten Sperrspannungsklassen bis 13 kV benötigen Schichten mit Dicken von bis zu 100 µm und einer hohen Ladungsträgerlebensdauer. Normalerweise beträgt die Wachstumsrate dieser Schichten lediglich 10-20 µm pro Stunde. Der Prozess dauert also für die dicken Schichten etwa 5 bis 10 Stunden und ist damit extrem kostenintensiv. So hat die Epitaxie einen Anteil von etwa 60 % an den gesamten Herstellungskosten der Bauelemente. Aus verfahrenstechnischen Gründen ist eine Steigerung der Wachstumsrate bei der konventionellen Epitaxie aber nicht so einfach möglich. Für eine wirksame Kostenreduktion sind also innovative Epitaxie-Prozesse gefragt. Im Rahmen des SiC-WinS-Projektes wird die Epitaxie durch den Zusatz von Chlorwasserstoff (HCl) weiterentwickelt. HCl soll die chemische Spaltung von Propan und Silan fördern und damit höhere Wachstumsraten ermöglichen. Gleichzeitig wird durch die ätzende Wirkung des HCls die Abscheidung von parasitärem SiC an den Reaktorinneneinbauten reduziert. Dadurch verringert sich der Aufwand für die regelmäßig notwendigen Reinigungen und das Risiko des Einwachsens parasitärer SiC-Partikel in die Schicht wird minimiert. Schließlich soll der HCl-Zusatz zu einer Absenkung der so genannten Hintergrund-Dotierung und zu einer Reduktion elektrisch aktiver Defekte führen. Mit der Technologie lassen sich gezielt Schichten mit sehr niedriger Dotierung und hoher Ladungsträgerlebensdauer herstellen, wie sie für die hoch sperrenden Bauelemente benötigt werden.
Außerdem soll ein schnelles, zerstörungsfreies Prüfverfahren entwickelt werden, mit dem sich Materialfehler auf SiC-Wafern zuverlässig erkennen lassen. Diese Materialfehler können bereits im SiC-Halbleitermaterial vorhanden sein oder während der Bauelementherstellung entstehen und die Langzeitstabilität der Leistungsbauelemente beeinträchtigen. Kritisch sind vor allem spezielle Versetzungstypen im SiC-Kristallgefüge. Bauelemente, die derartige Defekte enthalten, müssen sicher erkannt und aussortiert werden. Die relevanten Kristallfehler zeigen bei der Beleuchtung mit Laserlicht eine charakteristische Signatur. Bereits während der Herstellung der Bauelemente ließen sich mit diesem Verfahren die unprozessierten oder teilprozessierten SiC-Scheiben untersuchen und selektieren. Das SiC-WinS-Team entwickelt und erprobt dafür einen neuartigen "Defektlumineszenz-Scanner", der die relevanten Kristallfehler prozessbegleitend und zerstörungsfrei schon auf Wafer-Ebene erkennt.
"Die Weiterentwicklung der Epitaxie und der prozessbegleitenden Qualitätssicherung, wie sie hier im Rahmen des SiC-WinS-Projektes in den nächsten drei Jahren erfolgt, bedarf einer tiefgehenden Kompetenz und Erfahrung auf breit gefächerten Teildisziplinen, welche nur durch eine Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft abgedeckt werden kann", sagt Dr. Jochen Friedrich, Leiter der Abteilung Kristallzüchtung am Fraunhofer IISB.
Zur Bedeutung des SiC-WinS-Foschungsvorhabens meint Friedrich: "Auf Grund der langjährigen, konsequenten bayerischen und nationalen Förderpolitik nehmen die in Erlangen ansässigen Projektpartner eine internationale Spitzenposition in den Bereichen der SiC-Forschung und Entwicklung ein. Das SiC-WinS-Forschungsvorhaben trägt maßgeblich zu einer Festigung dieser Spitzenposition bei und wird die Kommerzialisierung von SiC voranbringen."