Heutzutage werden Solarzellen zu mehr als 80% aus dem Halbleitermaterial Silizium gefertigt. Dazu wird zunächst reiner Siliziumrohstoff mittels verschiedener Kristallisationstechnologien zu einem hochwertigen Kristall und anschließend über einen mechanischen Trennprozess zu Scheiben, so genannte Wafer, weiter veredelt. Die aus den Wafern gefertigten Solarzellen zeigen aktuell eine typische Zelleffizienz im Bereich von 17 - 22%, mit der die Sonnenenergie in elektrischen Strom umgewandelt wird. Eine klare Maßgabe für die Fertigungstechnologie über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg ist die Reduktion der Herstellungskosten bei erhöhtem Wirkungsgrad. Zu diesem Ziel können die Bereiche Kristallisation und Kristalltrennen einen wichtigen Beitrag leisten, da sie den Wirkungsgrad stark beeinflussen und zu etwa 15 - 20% in die Produktionskosten von Photovoltaikanlagen einfließen.
Um die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse und technologischen Innovationen auf den Gebieten Kristallisation und Kristalltrennen vorzustellen, trafen sich vom 5. bis 8. Mai 2015 mehr als 140 Experten aus Industrie und Wissenschaft aus der ganzen Welt zur 8. Konferenz "Crystalline Silicon for Solar Cells - CSSC-8" in der Weltkulturerbestadt Bamberg. Nach Japan (2006), China (2007), Norwegen (2009), Taiwan (2010), USA (2011), Frankreich (2012) und Japan (2013) fand diese Konferenz erstmalig in Deutschland statt. Unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Kristallwachstum und Kristallzüchtung e.V. (DGKK) haben Dr. Christian Reimann vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB in Erlangen, Dr. Stephan Riepe vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg und Dr. Wolfram Miller vom Leibnitz-Institut für Kristallzüchtung IKZ in Berlin die CSSC-8 organisiert.
Ein fachlicher Schwerpunkt waren die aktuellen Entwicklungen im Bereich des sogenannten High Performance Multi (HPM). HPM ist ein Silizium-Material, bei welchem zu Kristallisationsbeginn ein sehr feinkörniges Gefüge eingestellt wird. Dieses feinkörnige Gefüge sorgt im Siliziumkristall für einen geringen Anteil an für den Wirkungsgrad besonders schädlichen Versetzungsclustern. Dadurch kann bei multikristallinem Silizium die Effizienz gegenüber dem Standard um mehr als 0,5% absolut gesteigert werden. Auf der CSSC-8 wurde gezeigt, wie sich das kleinkörnige Gefüge prozesstechnisch kostengünstig realisieren lässt.
Noch höhere Wirkungsgrade - mit über 21% vergleichbar mit nach dem Czochralski-Verfahren hergestelltem monokristallinen Standard-Silizium - wurden im industriellen Pilotmaßstab für sogenanntes QuasiMono-Silizium demonstriert. Bei QuasiMono erfolgt die Kristallisation auf einkristallinen Siliziumsubstraten. Hier werden Entwicklungen vorangetrieben, um im Industriemaßstab wirkungsgradlimitierende Kristallfehler reproduzierbar zu reduzieren und die Kosten für dieses Verfahren weiter zu senken. In der Serienfertigung erlaubt nach wie vor das Czochralski-Silizium die höchsten Wirkungsgrade. Dieses Material enthält jedoch verfahrensbedingt relativ viel Sauerstoff. Deshalb wird an alternativen, so genannten tiegelfreien Kristallzüchtungsverfahren geforscht, die perspektivisch die kostengünstige Herstellung von einkristallinem, versetzungsfreiem und sauerstoffarmem Silizium ermöglichen.
Eine wesentliche Kostenreduktion kann auch im Kristalltrennprozess erreicht werden. Hier werden große Anstrengungen unternommen, um von der Schleifmittel-basierten Sägetechnologie auf Diamantdrahtsägen umzustellen. Letzteres ermöglicht es, die Kristalle schneller und mit weniger Materialverlusten in Wafer zu vereinzeln, die künftig weniger als 100 µm dünn sind. In den letzten Jahren wurden erhebliche Fortschritte bei der Reduktion der Herstellungskosten der mit Diamantkörnern besetzten Sägedrähte erzielt. Perspektivisch könnte vielleicht sogar ganz auf das Sägen verzichtet werden, wenn sich eine der sogenannten Kerfless-Techniken durchsetzt, bei denen die Wafer gleich in der geforderten Dicke hergestellt werden. Trotz beachtlicher Fortschritte in diesem Bereich wird es jedoch noch einige Jahre dauern, bis diese Techniken in der Großserienfertigung zum Einsatz kommen.
Einen Höhepunkt der CSSC-8 bildete die Verleihung des Ulrich-Gösele-Young-Scientist-Awards. Der diesjährige Preisgewinner, Dr. Bing Gao von der Kyushu Universität in Japan, hat sich mit der numerischen Berechnung von Siliziumkristallisationsprozessen beschäftigt. Seine herausragenden wissenschaftlichen Ergebnisse führten in Japan bereits zur Umsetzung einer speziellen Variante der QuasiMono-Technologie im Forschungsmaßstab.
Außerdem verlieh die Deutsche Gesellschaft für Kristallwachstum und Kristallzüchtung e.V. (DGKK) den CSSC-8-Best-Poster-Award an Herrn Patatut vom französischen Forschungsinstitut CEA-INES und seinen Koautoren für das herausragende Poster "Online quantitative chemical analysis of molten photovoltaic silicon for refining process monitoring", bei dem ein innovatives Verfahren zur Verunreinigungsanalyse im flüssigen Silizium vorgestellt wurde.
Die Tagung wurde von den Teilnehmern für ausgiebige Diskussionen, Entwicklung neuer Ideen und Formulierung konkreter Ansätze für eine energieeffizientere Produktion von Photovoltaikanlagen sowie zur Senkung der Produktionskosten bezogen auf die erzielbare elektrische Leistung genutzt. Neben dem wissenschaftlich-technologischen Austausch stand aber auch genügend Zeit zur Verfügung, um die Weltkulturerbestadt Bamberg im Rahmen einer Stadtführung oder auf eigene Faust zu erkunden und die Spezialitäten der fränkischen Küche zu genießen. Ebenfalls gut fränkisch ging es auf dem Konferenzdinner zu. Dort sprach auch der 3. Bürgermeister der Stadt Bamberg, Wolfgang Metzner, den Organisatoren der CSSC-8 seinen herzlichen Dank aus. "Die Stadt Bamberg ist stolz darauf, dass sie für eine kurze Zeit die Hauptstadt der Silizium-Photovoltaik-Technologie sein durfte!", so Metzner.