Klassisch befindet sich in Elektrofahrzeugen die Leistungselektronik für den Antriebsumrichter in einem separaten Modul, das über Kabel mit der elektrischen Antriebsmaschine verbunden ist. Diese Lösung benötigt eigenen Bauraum für die Elektronik, zudem verusachen die Kabel Kosten, Gewicht und Störanfälligkeit. Daher gibt es bereits Lösungen, bei denen die Elektronik an den Motorblock angebaut ist. Im Projekt "Elektro-Motor integrierte Leistungs-Elektronik" (EMiLE) geht das Partnerkonsortium unter Leitung der ZF Friedrichshafen AG noch einen Schritt weiter und platziert die Leistungselektronik mit großer Integrationstiefe direkt in der Antriebsmaschine. Die Industriepartner AixControl GmbH, Infineon Technologies AG, Lenze SE, Robert Bosch GmbH, Siemens AG, TDK-EPC Corporation und Volkswagen AG entwickeln zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB und dem Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA) der RWTH Aachen die dafür nötigen Technologien.
Durch die Nähe der Elektronik zum Wirkort besitzen angebaute bzw. motorintegrierte Umrichterkonzepte gegenüber separaten Einzelsystemen signifikante Vorteile hinsichtlich der Anzahl der benötigten Schnittstellen, des Bauraums, des Gewicht und der Gesamtkosten. Beispielsweise bietet die direkte Kontaktierung der so genannten AC-Phasenkabel (AC: alternating current, engl. für Wechselstrom) im Umrichter den Vorteil einer Minimierung von Kabel- und Steckverbindungen. Durch den Wegfall der AC-belasteten Motorkabel im Fahrzeug wird auch eine potentielle EMV-Störquelle (EMV: Elektromagnetische Verträglichkeit) vermieden und die Nutzung eines gemeinsamen Kühlmantels für Antriebsmaschine und Leistungselektronik reduziert die Kühlperipherie auf ein Minimum.
Elektrische Antriebe neu denken
Durch den Übergang von der angebauten zur motorintegrierten Leistungselektronik ergeben sich zusätzliche Vorteile wie eine weitere Reduzierung der Schnittstellen, die Minimierung der Komponenten und die Möglichkeit zur automatisierten Montage. In EMiLE werden daher die klassischen elektrisch-thermischen Schnittstellen auf den Prüfstand gestellt und Alternativlösungen entwickelt, wie etwa der Verzicht auf bestimmte Isoliersubstrate. Durch die räumliche Nähe der Leistungselektronik zur Motorwicklung ergeben sich neue Möglichkeiten für Fehlerbeherrschung, Redundanz, funktionale Sicherheit und Systemwirkungsgrad. Ebenso wird auch die dezentrale Verteilung von Intelligenz auf Einzelzellen im Motor erforscht. Schwerpunkte von EMiLE sind alternative Konzepte für Umrichter, E-Maschinen, Aufbau- und Entwärmungskonzepte für die Hochintegration, die Untersuchung der Ausfallsicherheit sowie neben der technischen auch eine wirtschaftliche Bewertung der Entwicklungen.
Die Hauptzielstellungen in EMiLE bestehen in einer Reduzierung der elektrischen, mechanischen und thermischen Schnittstellen, der Wirkungsgradsteigerung im Teillastbereich, der Erhöhung der volumetrischen Systemleistungsdichte von Umrichter und E-Maschine um bis zu 50% sowie der Verringerung der Systemkosten dieser Komponenten um bis zu 40% gegenüber separaten Teilsystemen. Diese Verbesserungen sollen in erster Linie für den Pkw-Bereich demonstriert werden, jedoch wird auch die Übertragung der Ergebnisse auf Nutzfahrzeuge und dezentrale Antriebe in der Automation untersucht.
Breite Anwendungsmöglichkeiten für die Industrie
Die im Rahmen von EMiLE entwickelten Technologien zur Motorintegration der Leistungselektronik ermöglichen durch ihre universelle Einsetzbarkeit eine breite Hebelwirkung in der industriellen Anwendung. Durch die Senkung der Variantenvielfalt bei den benötigten leistungselektronischen Komponenten sowie die Verringerung des Materialaufwands und des Bauraums sinken die Kosten für die Leistungselektronik, was gerade für die Produktion in hohen Stückzahlen von großer Bedeutung ist. Zudem werden die motorintegrierten Lösungen in EMiLE speziell für den Einsatz in rauen Umgebungsbedingungen abgestimmt, wie sie etwa in Fahrzeugantriebssträngen herrschen.
Für einen breiten, marktfähigen Einsatz von Hybrid- und Elektrofahrzeugen sind Performance und Kosten der Schlüsselkomponenten Leistungselektronik und E-Maschine mitentscheidend. Durch den Verzicht auf aufwändige, teure und fehleranfällige Steckverbindungen, durch neue Halbleitertechnologien, leistungsfähige passive Bauelemente und effiziente Regelungssysteme ergibt sich neben der Senkung der Kosten auch eine Erhöhung der Zuverlässigkeit. Eine geringere Anzahl zu montierender Teile, einfachere Montage, kurze Fertigungszeiten und hohe Flexibilität sorgen für einen minimierten Aufwand für die Elektrifizierung des Antriebsstrangs. Die frühe technologische Zusammenarbeit deutscher Automobil- und Zulieferunternehmen auf der gesamten Wertschöpfungskette vom Bauelement bis zu System im Rahmen von EMiLE ebnet auch den Weg für Kooperationen in der späteren Serienfertigung und hilft, den in manchen Bereichen vorhandenen Vorsprung asiatischer Mitbewerber bei Elektrofahrzeugen auszugleichen. Neben dem Einsatz in Fahrzeugen ist auch für hochintegrierte Antriebssysteme in der industriellen Automatisierungstechnik ein verstärktes Interesse vorhanden. Ebenso können mit den Technologien aus EMiLE vollautomatisiert fertigbare Elektromotoren für einfache Anwendungen wie Fördertechnik, Pumpen oder Lüfter entstehen. Bei den wissenschaftlichen Partnern fließen die Projekt-Ergebnisse in die Lehre und die Ausbildung von Experten ein.
Das Projekt EMiLE wurde in strategischer und inhaltlicher Abstimmung mit der Arbeitsgemeinschaft 1 "Antriebstechnologie & Fahrzeugintegration" der Nationalen Plattform Elektromobilität erarbeitet. EMiLE wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Projektstart für das Verbundprojekt mit 10 Partnern aus Industrie und Wissenschaft war der 1. Mai 2013. Die Fördermittel für EMiLE wurden für einen Zeitraum von drei Jahren bewilligt.