Die Gewinnung von Photovoltaikstrom erfolgt heutzutage überwiegend mit Siliziumsolarzellen. Basis der Solarzellen sind Siliziumscheiben - so genannte Wafer - die aus großen Siliziumkristallen gefertigt werden. Die Siliziumkristalle werden industriell nach dem Prinzip der gerichteten Erstarrung aus einer Siliziumschmelze hergestellt. Verfahrensbedingt kommt es dabei in den Kristallen zur Ausbildung einer multikristallinen Gefügestruktur mit unterschiedlich großen und verschieden orientierten Körnern. Außerdem entstehen im Silizium strukturelle Kristallfehler in Form so genannter Versetzungscluster. Die Versetzungscluster senken die Ladungsträgerlebensdauer innerhalb der einzelnen Kristallkörner herab und limitieren damit den Wirkungsgrad der aus den Wafern hergestellten Solarzellen. Bislang gab es aber keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Versetzungscluster und den Gefügeeigenschaften der multikristallinen Wafer.
Am Fraunhofer THM in Freiberg untersuchte Herr Lehmann mit einem sogenannten Korndetektor die Korngrößen in industriell hergestellten multikristallinen Siliziumwafern. Ein von dem Forscher mitentwickeltes röntgenbasiertes Metrologiegerät, ein so genannter Laue-Scanner, erlaubte die Bestimmung der Kornorientierung im Kristallmaterial. Anschließend konnte Herr Lehmann durch einen optischen Photolumineszenz-Scanners die Versetzungscluster auf den Waferoberflächen detektieren und deren Auftreten eins zu eins mit der Kornorientierung korrelieren.
Im Ergebnis der systematischen Untersuchungen ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Auftreten spezifischer Kornorientierungen und dem Flächenanteil der Versetzungscluster auf einem Wafer. So treten die schädlichen Versetzungscluster bevorzugt in <111>- und <112>-orientierten Kristallkörnern auf, da hier besonders viele Gleitebenen aktiviert werden können. Jedoch spielt die Größe der Körner dabei keine Rolle. Wenn die genannten Orientierungen nicht vorkommen, weisen sowohl Wafer mit kleinen Korngrößen als auch Wafer mit größeren Körnern verhältnismäßig wenige Versetzungscluster auf.
"Für diese herausragende wissenschaftliche Arbeit haben wir Herrn Lehmann vom Fraunhofer THM auf der E-MRS Frühjahrstagung, die 2800 Teilnehmer hatte, im Symposium W 'Kristalle für Energieerzeugung, -wandlung und -speicherung' mit dem E-MRS Symposium W Graduate Student Award ausgezeichnet", erläutert Prof. Jeff Derby von der Universität Minnesota, USA, der dieses Symposium gemeinsam mit Kollegen aus Japan und Deutschland organisierte.
Über das Fraunhofer THM
Das Fraunhofer-Technologiezentrum Halbleitermaterialien Freiberg (THM) betreibt Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Halbleitermaterialien für die Photovoltaik und die Mikroelektronik. Das THM ist eine gemeinsame Einrichtung des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie (IISB) in Erlangen und des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Es besteht eine enge Kooperation mit der Technischen Universität Bergakademie Freiberg auf dem Gebiet der Halbleiterherstellung und -charakterisierung. Ein Hauptziel ist die Unterstützung der regionalen Halbleitermaterialindustrie durch den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die industrielle Verwertung.