Die Innovation ist unsichtbar – zumindest mit bloßem Auge betrachtet. Man braucht ein Rasterelektronenmikroskop, um die winzigen, nur Nanometer großen Strukturen in dem neuartigen Kristall zu erkennen. Doch die Leistung, die dieses nicht einmal staubkorngroße Gebilde vollbringt, ist enorm: »Mit einem photonischen Kristall können wir unter bestimmten Vorausetzungen Lichtsignale beliebig in alle drei Raumrichtungen lenken. Er ist sozusagen eine miniaturisierte optische Schaltzentrale«, erläutert Michael Popall vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC. »Solche photonischen Kristalle werden in den optischen Verbindungen und Computern der Zukunft die Signale steuern.« Wer diese Kristalle bauen will, braucht enormes Fingerspitzengefühl, denn die erstaunlichen physikalischen Eigenschaften sind das Ergebnis winziger Variationen im Aufbau: Eine kleine Verschiebung im Kristallgitter kann – abhängig von der Frequenz des Lichts – den Photonentransport verändern.
An der Entwicklung photonischer Kristalle arbeiten Forscherteams auf der ganzen Welt. Die Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut in Würzburg, die mit Forschern am Laser-Zentrum in Hannover kooperieren, können bereits gute Erfolge vorweisen: Auf der nano tech in Tokio zeigen sie Videoaufnahmen, die den Aufbau eines solchen Kristalls dokumentieren. Ausgangsmaterial ist eine honigartige Flüssigkeit, die aus Nanopartikeln besteht. Diese haben einen harten Kern aus Siliciumoxid, die Oberfläche ist überzogen mit organischen Verbindungen. Dieses ORMOCER®-Harz härtet aus, wenn ein Lichtstrahl es trifft: »Wir können die Polymerisation punktgenau steuern: Sobald Laserlicht auf die Partikel trifft, entstehen organische Brücken zwischen den anorganischen Einheiten und damit Stabilität.«
Soweit klingt alles ganz einfach. Doch tatsächlich verbirgt sich hinter den neuen photonischen Kristallen jede Menge technischer Tüftelarbeit. Für die zweidimensionale Strukturierung erhielten Popall und sein Team im vergangenen Jahr den japanischen»nano tech Award 2005« – mit diesem Preis wurden auch die Forscher vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF ausgezeichnet, die eine Nano-Prägetechnik für die Produktion mikrooptischer Systeme auf ORMOCER®-Basis entwickelt hatten. Jetzt kehrt Popall zurück: Auf der nano tech 2006 zeigt er, dass die Forscher von ISC und vom Laser-Zentrum mittlerweile auch die dritte Dimension beherrschen: »Wir verwenden hierfür einen Femto-Sekunden-Laser, der so fokussiert wird, dass genau an der gewünschten Stelle genügend Energie zur Verfügung steht, um die Nano-Partikel zu vernetzen. Außerhalb des Fokus wird das Material durchstrahlt, ohne dass es zu Reaktionen kommt. Auf diese Weise lässt sich – Punkt für Punkt, Schicht für Schicht – ein Kristall mit ganz spezifischen optischen Eigenschaften gestalten – präzise, variabel und kostengünstig. Die Technik ist hervorragend geeignet, um photonische Kristalle zu erzeugen, die die optische Datenverarbeitung der Zukunft benötigt.«
In der Praxis eingesetzt werden ORMOCER®e bereits in vielen Anwendungen der Mikrooptik wie Mikrolinsenarrays für Laser oder in hochauflösenden optischen Arrays, zum Beispiel Beamern. »Solche Anwendungen sind für den japanischen Markt hoch interessant. Die Japaner haben einen ausgeprägten Sinn fürs Praktische und eine besondere Vorliebe für Nanotechnik«, weiß Dr. Lorenz Granrath vom Fraunhofer Representative Office in Tokio. »Es ist kein Zufall, dass sich die nano tech, vor vier Jahren als wissenschaftliches Forum gegründet, zur weltweit größten Messe auf diesem Gebiet entwickelt hat.«
Forschung, die auf dem Weg in die Praxis ist, zeigt auf dem Gemeinschaftsstand der Fraunhofer-Gesellschaft in Tokio auch der Fraunhofer-Themenverbund Polymere Oberflächen POLO. »Unser Thema sind in diesem Jahr flexible Hoch- beziehungsweise Ultrabarrierefolien. Diese Folien schützen Packgüter vor dem Eindringen von Dämpfen wie Wasserdampf oder Gasen, beispielsweise Sauerstoff. Sie können heute bereits in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden, um das Verderben von frischen Nahrungsmitteln oder die Durchfeuchtung von Trockenprodukten zu verhindern«, erklärt die Verbundssprecherin Dr. Sabine Amberg-Schwab. Die Barrierelaminate bestehen aus einem Kunststoffträgerfilm mit einer hauchdünnen Lage Silikat oder Aluminiumoxid, die von einer Hybrid-Polymer-Schicht überdeckt wird. Auch hier handelt es sich wieder um das Nanotech-Material ORMOCER®. Da die Beschichtungen dünn und flexibel sind, eignen sie sich für viele Anwendungen: Eine von den Fraunhofer-Forschern entwickelte Folie, die bessere Barriereeigenschaften aufweist als die Lebensmittelfolien, soll eingesetzt werden, um Solarzellen einzukapseln. »In Zukunft wollen wir noch effektivere Schichten entwickeln, die Ultrabarriereschichten«, ergänzt Amberg-Schwab. »An Materialien zum Einkapseln flexibler OLEDs werden beispielsweise extreme Anforderungen gestellt: pro Quadratmeter und Tag darf nur ein Millionstel Gramm Wasserdampf die Folie durchwandern. Solche Zielvorgaben sind eine echte Herausforderung für die Forschung.«