Gefragt nach den potenziellen Einsatzgebieten, sieht Beer unterschiedlichste Möglichkeiten: "Nehmen wir Abstandmesser in Mittel- und Oberklassefahrzeugen. Durch den von uns entwickelten Chip lassen sich Abstände von 50 Zentimetern bis 15 Metern zum vor mir fahrenden Auto messen. Dadurch bremst ein Fahrzeug rechtzeitig, wenn es dem anderen zu nahe kommt." Der Vorteil gegenüber bestehenden Alternativen? Der Chip ist gerade einmal acht mal acht Millimeter groß. "Er ist kleiner als ein Fingernagel. Mit dem Argument 'sehr klein und günstig in der Herstellung' eröffnen sich neue Märkte", glaubt Beer. So könnte die bisher auf Ultraschall basierende Einparkhilfe in einem Auto langfristig ersetzt werden und wäre dann nicht mehr in der Stoßstange sichtbar, sondern darin versteckt. Eine kostengünstige Massenfertigung ist für Beer durchaus denkbar, wodurch auch Kleinwagen mit Radarsensoren ausgestattet werden können.
Ebenso vielversprechend ist für den 30-Jährigen die Übertragung in die Konsumgüterbranche. Ob Elektrogeräte oder Spielzeug, überall kann die neue Technik implementiert werden. Puppen könnten selbstständig laufen und dank eines Mini-Chips Hindernissen im Kinderzimmer ausweichen. Weitere Einsatzgebiete sieht der Wissenschaftler in Bohrmaschinen, die dank der kostengünstigen Herstellung intelligenter ausgerüstet werden können. Mit Hilfe der Abstandsmessung würde beispielsweise der Bohrer nur bis zu einer vorgegebenen Tiefe in die Wand gehen und dann automatisch stoppen. Die Liste ließe sich beliebig verlängern und spiegelt damit einen Grundgedanken des Carl-Freudenberg-Preises wieder. Das "Potenzial industrieller Nutzbarkeit" überzeugte die Jury.
Der Carl-Freudenberg-Preis wird seit 1951 vergeben, unterliegt seit diesem Jahr allerdings einem neuen Konzept. Der Bezug wurde mehr auf den Ausschreibungsort (KIT-Zentrum Mobilitätssysteme) ausgerichtet. Das Preisgeld (10.000 anstelle 5.000 Euro) sowie die Anzahl der Preisträger von einem auf drei erhöht. Darüber hinaus fand die Vergabe erstmalig im Rahmen der Carl-Benz-Gedenk-Vorlesung am KIT statt. Was Beer mit seinem Preisgeld anfangen möchte, weiß er noch nicht: "Vielleicht fahre ich mit meiner Frau und unseren beiden Kindern einfach nur in Urlaub."
Übersicht der Preisträger 2013
- 1. Platz: Dr.-Ing. Stefan Beer: Methoden und Techniken zur Integration von 122 GHz Antennen in miniaturisierte Radarsensoren
- 2. Platz: Dr.-Ing. Stefanie Grollius: Analyse des gekoppelten Systems Reifen-Hohlraum-Rad-Radführung im Rollzustand und Entwicklung eines Rollgeräuschmodells
- 3. Platz: Dr.-Ing. Gerhard Robens: Ein Handlungssystem zur Skalierung der simulierten Vorbeifahrt mittels Mikrofonarray für eine effiziente Validierung in kleinen Halbfeldfreiräumen im Fahrzeugentwicklungsprozess.
Über den Carl-Freudenberg-Preis
Der mit 10.000 Euro dotierte Carl-Freudenberg-Preis dient der Förderung der Wissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Er wird alle zwei Jahre für die beste wissenschaftliche Arbeit mit naturwissenschaftlich-technischem Hintergrund vergeben. Die Auswahl erfolgt nach Kriterien der wissenschaftlichen Exzellenz und potenzieller industrieller Nutzbarkeit durch ein interdisziplinäres Gremium des KIT. Der Preis wird seit 1951 vergeben. Die Freudenberg Gruppe hat ihn anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens im Jahr 1949 gestiftet. Er ist nach Friedrich Carl Freudenberg (1848-1942) benannt, der an der Poly-technischen Hochschule, der späteren Universität Karlsruhe und dem heutigen Karlsruher Institut für Technologie, studierte. Er ist Teil des sozialen Engagements des Unternehmens für die Region rund um den Stammsitz in Weinheim.