Die Wandlung von Wärme in mechanische Energie ist mit Hilfe eines thermodynamischen Verfahrens möglich, das als Organic Rankine Cycle (ORC) bekannt ist. Benannt wurde es nach dem schottischen Physiker William Rankine (1820-1872). Der bislang ausschließlich in großtechnischen Anlagen eingesetzte Kreislaufprozess funktioniert folgendermaßen: Ein flüssiges Arbeitsmedium wird aus einem Speicher in einen Wärmetauscher gepumpt, an dem das heiße Abgas vorbeiströmt. Dabei verdampft das Fluid. Ähnlich wie bei einer Dampfmaschine wird der Dampf weiter erhitzt, auf Temperaturen von bis zu 250 Grad Celsius. Dabei steigt der Druck auf bis zu 40 bar. In einer Expansionsmaschine setzt der Druck entweder einen Kolben oder ein Turbinenrad in Bewegung. Diese mechanische Arbeit kann direkt an die Antriebswelle des Lkw weitergegeben werden. Alternativ kann auch ein Generator angetrieben werden, der elektrischen Strom erzeugt. Hinter der Expansionsmaschine wird der Dampf mit reduziertem Druck in einen Kondensator geleitet, der das Arbeitsmedium soweit abkühlt, dass es sich wieder verflüssigt. Das Fluid verbraucht sich also nicht, sondern soll im Gegenteil möglichst leckage- und wartungsfrei im Kreis geführt werden. Der druckgeregelte Speichertank dient ausschließlich dazu, in allen Betriebszuständen ausreichend Fluid zur Verfügung zu stellen.
Um solche Konzepte unter den harten Einsatzbedingungen im Schwerlastverkehr zum Einsatz zu bringen, sind High-Tech-Dichtungen notwendig. Die Lebensdauererwartung der Lkw-Hersteller für dieses System beträgt mindestens 1,6 Millionen Kilometer. Es gilt, die Rohrleitungen zwischen den Aggregaten Verdampfer und Kondensator genauso sicher abzudichten wie das Innenleben der Pumpe, der Ventile und der Expansionsmaschine. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die chemische Zusammensetzung des Arbeitsmediums dar. Zwar gibt es noch keinen Industriestandard für das Medium, allerdings zeigen verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen, unter anderem der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen (FVV), dass Ethanol ein geeigneter Stoff wäre. Für den einwertigen Alkohol spricht beispielsweise, dass der Siedepunkt mit 78 Grad Celsius relativ niedrig liegt, also die Dampferzeugung aus Abgaswärme problemlos möglich ist. Gleichzeitig liegt der Schmelzpunkt mit minus 115 Grad Celsius so niedrig, dass ein Einfrieren des Tanks unmöglich ist. Zudem ist Ethanol, das auch in vielen Kosmetikprodukten eingesetzt wird, bei Hautkontakt für den Menschen ungiftig.
Eine Herausforderung stellt Ethanol allerdings für klassisch im Fahrzeugbau eingesetzte Elastomer-Dichtungen dar. Denn Ethanol führt zu einer erhöhten Volumenquellung des Materials, die bei ungünstiger Auslegung zu mangelnder Dichtheit des Systems führen kann. Auch mechanische Eigenschaften wie Reißdehnung und Zugfestigkeit von Dichtungswerkstoffen können negativ beeinflusst werden. Da Ethanol aus biogener Herstellung bereits in modernen Ottokraftstoffen enthalten ist und ihn in einigen Märkten wie Brasilien sogar zu 100 Prozent ersetzt, hat Freudenberg Sealing Technologies bereits Ethanol-beständige Dichtungen entwickelt. Für die kraftstoffführenden Komponenten sogenannter Flex-Fuel-Motoren haben sich Dichtungen aus Fluorkautschuk im Serieneinsatz bewährt. Für Systeme zur Abgaswärme-Rückgewinnung muss die Materialmischung an die höheren Temperaturen angepasst werden. Zudem werden Systeme, die das heiße Abgas nutzen sollen, in der Zugmaschine in der Nähe des Motors eingebaut, wo der Bauraum sehr knapp ist. Daher können Dichtsysteme, die gleichzeitig auch die mechanische Verbindung mit der Rohrleitung ermöglichen, für die technische Realisierung wichtig werden. Freudenberg Sealing Technologies hat mit „Plug & Seal“ eine solche Dichtungslösung entwickelt. Eine weitere Kernkomponente des ORC-Systems ist der druckgeregelte Speicher für das Arbeitsmedium. Freudenberg Sealing Technologie stellt diese Speicher – in der Fachsprache „Akkumulatoren“ genannt, für verschiedene Industrie-Applikationen bereits in hoher Stückzahl erfolgreich her.
„Noch befinden sich Abgaswärme-Rückgewinnungssysteme auf Basis des Organischen Rankine-Zyklus im Vorentwicklungsstadium“, erläutert Oswaldo Anaya von Freudenberg Sealing Technologies. „Ein Serieneinsatz im kommenden Jahrzehnt wird durch strengere CO2-Vorschriften und den hohen Kostendruck im Transportgewerbe jedoch zunehmend wahrscheinlicher.“ Aufgrund des wachsenden Güterverkehrsaufkommens würde eine Verbrauchseinsparung von fünf Prozent eine erhebliche Verringerung des CO2-Ausstoßes bedeuten. So ergibt sich bei einer jährlichen Laufleistung von 150.000 Kilometern und einem Durchschnittsverbrauch von 30 Litern auf 100 Kilometer pro Fahrzeug eine Einsparung von 2.250 Liter Dieselkraftstoff pro Jahr. Schätzungen zufolge amortisiert sich der Preis des Systems durch diese Kraftstoffeinsparungen innerhalb von zwei Jahren. Würde eine Million neu zugelassener schwerer Nutzfahrzeuge mit einem solchen System ausgestattet, ergäbe sich eine globale Einsparung von 2,25 Milliarden Liter, das entspricht etwa 5,9 Millionen Tonnen vermiedenem Kohlendioxid pro Jahr.
Der Einsatz von Abgaswärme-Rückgewinnungssystemen ist nicht ausschließlich auf schwere Nutzfahrzeuge beschränkt. Die direkte mechanische Energiegewinnung durch den organischen Rankine-Zyklus eignet sich beispielsweise auch für Schiffsmotoren - dort befindet er sich bereits im Serieneinsatz. Pkw-Hersteller erforschen derzeit thermoelektrische Generatoren (TEG), mit der aus der Abgaswärme elektrischer Strom gewonnen werden soll. Der TEG-Einsatz soll den Kraftstoffverbrauch um zwei bis drei Prozent reduzieren. Dies funktioniert mit Hilfe des Seebeck-Effekts, benannt nach dem deutschen Physiker Thomas Seebeck (1770-1831): Verbindet man zwei elektrische Leiter, die eine Temperaturdifferenz aufweisen, entsteht eine elektrische Spannung. Ob der Effekt groß genug ist, um ihn für die Bordstromversorgung technisch zu nutzen, hängt stark von der Molekülstruktur des Leitermaterials ab. Die meisten derzeit untersuchten Materialien arbeiten nur in einem bestimmten Temperaturfenster. Überschreitet die Abgastemperatur den maximal zulässigen Wert, kommt der Stromfluss zum Erliegen. „Es liegt daher nahe, thermoelektrische Systeme mit einem eigenen Kühlkreislauf zu verbinden“, erläutert Anaya. „Bei jedem Kühlsystem spielen Dichtungen für die dauerhaft zuverlässige Systemfunktion eine entscheidende Rolle.“ Daher begleitet Freudenberg Sealing Technologies auch die Erforschung solcher Systeme.
Ob im Pkw oder im schweren Nutzfahrzeug: Abgaswärme wird künftig kein Abfallprodukt der Verbrennung mehr sein, die bestenfalls zum Heizen des Innenraums dient, sondern eine Quelle für wertvolle mechanische oder elektrische Energie.