Dichtungen haben eine Hauptaufgabe: Leckagen zu vermeiden. Sie verhindern, dass Substanzen aus technischen Komponenten nach außen dringen oder von dort hereingelangen. Diese wichtige Kernaufgabe können intelligente Dichtungen von Freudenberg Sealing Technologies künftig deutlich erweitern: Die Dichtung selbst ist zusätzlich ein Sensor und wird per „eingebauter“ Funktionalität über Materialien und Konstruktion zum „Smart Seal“. „Wir haben uns bewusst für diesen Weg entschieden. Er verspricht deutlich aussagekräftigere Erkenntnisse zur Lebensdauer der Dichtung als das Modellieren von anderen Einsatzdaten im System“, sagt Dr. Boris Traber, Leiter der weltweiten Werkstoffvorentwicklung des Unternehmens. „Wir sind davon überzeugt: Künftige Dichtungen werden in der Lage sein, genaue Zustandsinformationen in Echtzeit zu liefern und können daher zentrale Elemente für vorausschauende Wartung sowie ‚Industrie 4.0‘ sein – der konsequenten Digitalisierung von Maschinen und Anlagen.“
Ein konkretes Konzept des Unternehmens ist eine intelligente Stangendichtung. Diese bildet mit Außenschichten aus einem elektrisch isolierenden Elastomer und einer Innenschicht aus einem elektrisch leitfähigen Elastomer mit einer metallischen Gehäusewand einen Kondensator. Verschleißt die Dichtung über das sukzessive Abreiben der isolierenden Schicht, verringert sich der Abstand der elektrisch leitfähigen Schicht zum metallischen Gehäuse, und die Kapazität steigt an. Zu jedem Zeitpunkt ist somit eine Zustandsmessung möglich, die bei gleichbleibendem Verschleiß auf die Lebensdauer schließen lässt.
Das bietet erhebliche Vorteile: Wartungszeiten lassen sich vorausschauend und verbindlich planen. Diese Vorhersage vermeidet Folgekosten durch Leckageschäden und senkt das Risiko von Chargenverunreinigung. Ein weiterer Pluspunkt: Die Dichtung wird über ihre gesamte Lebensdauer genutzt und nicht frühzeitig getauscht. Das optimiert die Betriebskosten und ist nachhaltig.
Das technische Konzept funktioniert
Die erfolgreiche Entwicklung der beiden Dichtungsmaterialien sowie die Herstellung von „Smart Seals“ ist bereits gelungen. Sie erfüllen unverändert sämtliche Anforderungen wie eine konventionelle Dichtung, unter anderem an Säure- und Basenbeständigkeit, Normen, Lebensdauer und Herstellbarkeit.
Eine umfangreiche Machbarkeitsstudie von Freudenberg Sealing Technologies bestätigt nun das Funktionieren des Sensorkonzepts in der Praxis. Bereits die Simulation des Kondensatorprinzips lieferte den Entwicklern wichtige Antworten: „Die Kapazitätsänderung beschreibt aussagekräftig den Verschleiß der Dichtlippe. Gelangt die Dichtung an ihre Verschleißgrenze, steigt die Kapazität deutlich an und nähert sich dabei einem exponentiellen Verlauf. Ein Dichtungsversagen und damit eine drohende Leckage kann rechtzeitig vermieden werden“, erläutert Olaf Nahrwold, Entwicklungsingenieur bei Freudenberg Sealing Technologies. „Dazu hatten wir einige Herausforderungen zu meistern, wie zum Beispiel die Bauteilgeometrien anzupassen oder eine eigene Messsoftware zu entwickeln, die sich als sehr robust erwiesen hat.“
Ausführliche Versuche in realen Anwendungsbedingungen waren zentrale Bestandteile der Machbarkeitsstudie. Sie belegen in der Laborpraxis die volle Funktion der innovativen Dichtung exakt wie vorgesehen: Eingebaut in ein handelsübliches Ventil, dichtet sie das System sowohl in trockener als auch wässriger Umgebung zuverlässig ab und liefert zugleich in Echtzeit kontinuierlich Messdaten über ihre eigene verbleibende Lebensdauer.
Der Vergleich aller kapazitiven Messungen mit einer realen mechanischen Leckage untermauert das Ergebnis. Dazu wird Überdruck auf das Ventil gebracht. Solange dieser konstant bleibt, ist das System leckagefrei. Sämtliche Versuche lieferten den Kapazitätsanstieg vor einer messbaren Leckage: Das System erfasst den Verschleißzustand genau und ist damit zur Vorhersage eines Dichtungsversagens geeignet.
„Diese positiven Ergebnissen der Machbarkeitsstudie sind eine wichtige Voraussetzung für einen möglichen Alltagseinsatz intelligenter Dichtungen in vielen Anwendungsszenarien“, sagt Dr. Boris Traber. „Darüber hinaus haben wir untersucht, wie sich das Konzept auf PTFE-Dichtungen übertragen lässt, die etwa in Hydraulikanwendungen mit erhöhten Anforderungen an thermische und mechanische Beständigkeit bei hohen Drücken verwendet werden. Die Resultate sind ebenfalls sehr ermutigend.“
Intelligente Dichtungen bringen Vorteile
So einfach das Konzept klingt: In den vergangenen Jahren haben die Experten bereits erhebliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit geleistet. Das immense Know-how steckt in den Materialien und dem grundsätzlichen Aufbau der intelligenten Dichtung. Und in der fertigungstechnischen Umsetzung: Jede Dichtung von Freudenberg Sealing Technologies ist bereits ein Hochpräzisionsbauteil. Zugleich ermöglicht diese Fähigkeit des Unternehmens bei intelligenten Dichtungen die für die Anwendung erforderliche Sensorgüte bei einer Serienproduktion in großen Stückzahlen. „Angesichts diverser offener Fragen wird es bis zu einem konkreten Praxiseinsatz vermutlich noch einige Zeit dauern. Dazu gehört auch das Implementieren der Sensorinformation in Anlagensteuerungen, damit auf Basis der Daten Handlungen ausgelöst werden. Zum Klären solcher Fragen sind Anwendungsprojekte mit ihren konkreten Anforderungen der beste Weg“, beschreibt Traber den aktuellen Status. „Vom Nutzen unseres Konzepts sind wir hinsichtlich der Datenverfügbarkeit absolut überzeugt – und ebenfalls, dass intelligente Dichtungen in vielen Industrieprozessen erhebliche Vorteile verschaffen können.“ Verschiedene Kunden haben bereits Interesse signalisiert.