Größtmögliche Universalität: Das war das Ziel von Freudenberg Sealing Technologies bei der Entwicklung dieses neuen Elastomers. Es vereint scheinbar gegensätzliche Eigenschaften, denn es leitet Wärme gut und ist zugleich elektrisch isolierend. Allen Kundenprojekten gemeinsam ist eine erhebliche Komplexität.
Ein Beispiel: der Ladeanschluss eines Elektroautos. Dieser ist bei einem namhaften Autohersteller bereits seit einiger Zeit mit großen Stückzahlen in der Serienfertigung. Hinter der Ladeklappe zeigt das Fahrzeug einen üblichen mehrpoligen Anschluss für das Ladekabel, eingelassen in eine unscheinbare Kunststofffront. Unsichtbar beginnt direkt dahinter ein Hightech-Bereich. Dort befinden sich mehrere Komponenten, die in ihrem Zusammenspiel maßgeblich sind für das Thermomanagement des Ladevorgangs. Deshalb spielt hier die Erfassung von Wärmedaten eine maßgebliche Rolle. Der Abgriff der Temperatur erfolgt über das integrierte neuartige „Thermal Interface Material“ (TIM). Dieses ist über das Gehäuse direkt mit einer Sensorik verbunden, welche Signale mit Hilfe der hohen Wärmeleitfähigkeit des TIM über eine Mess- und Regelelektronik weiterverarbeitet. Die Daten des Wärmestroms können nur mittels bestmöglicher Wärmeübertragung bei gleichzeitig höchstmöglicher Isolation des Werkstoffes in Thermomanagementsystemen gewonnen werden. Das TIM kann bei elektrischen Spannungen von bis zu 800 Volt genutzt werden.
Das Zweikomponenten-Kunststoffgehäuse hat eine komplexe dreidimensionale Geometrie, da es die Einhaltung der Luft- und Kriechstrecken sicherstellt. Unter der Luftstrecke versteht man die kürzeste Entfernung zwischen zwei leitenden Teilen. Die Kriechstrecke ist die kürzeste Entfernung entlang der Oberfläche eines Isolierstoffes. Freudenberg Sealing Technologies stellt das Gehäuse mit aufgespritztem Elastomer her und liefert es an einen Automobilzulieferer, der das Modul wiederum einbaufertig für den OEM erstellt. Dieser verbaut es in großen Stückzahlen in Serienfahrzeugen.
Prädestiniert für komplexe Anwendungen
„Dieses Projekt war ganz nach unserem Geschmack. Denn unser Werkstoff ist prädestiniert für eine Vielzahl komplexer elektrischer Anwendungen. Mit seinen zahlreichen Eigenschaften liefert es die richtigen Antworten“, sagt Armin Striefler, Produkt- und Prozessentwickler bei Freudenberg Sealing Technologies. „Ein wichtiger Vorteil für effiziente Serienprozesse: Das Elastomermaterial lässt sich im Spritzguss verarbeiten. Das macht eine Nutzung zugleich sehr flexibel. Denn nahezu alle dreidimensionalen Geometrien sind möglich und haften aufgrund der Materialeigenschaften stets optimal am Substrat – ob Kunststoff oder Metall. Es lässt sich direkt aufspritzen und benötigt keine vorherige Grundierung.“
Silikon ist von Haus aus wie alle Kunststoffe thermisch isolierend. Für den neuen Werkstoff wird es mit anorganischen Füllstoffen vermischt, die es wärmeleitfähig machen. Dabei handelt es sich um spezielle nichtleitende Metallverbindungen.
Höchstwerte bei wichtigen Kennzahlen
Einige Eckwerte des neuartigen „Thermal Interface Material“: Die thermische Leitfähigkeit liegt bei 1,7 bis zwei Watt pro Meter und Kelvin. Zum Vergleich die Wärmeleitfähigkeit von Luft, diese liegt bei 0,026. Der Verarbeitungsprozess ermöglicht dünnwandige Bauteile. Das ist entsprechend der Wärmegleichung aus der Fourier-Gleichung gut für die Wärmeleitfähigkeit. Im erwähnten Projekt hat das Elastomer unterhalb des Temperatursensors eine Dicke von lediglich 0,8 Millimeter. „Mit Dicken zwischen 0,8 und drei Millimeter haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht“, berichtet Striefler. „Physikalisch bedingt nimmt die Wärmeübertragung bei größeren Wandstärken ab.“ Das Material erreicht einen CTI-Wert von 600 und damit die bestmögliche Schutzklasse für die Kriechstromfestigkeit. Die elektrische Durchschlagfestigkeit liegt bei mehr als 10 Kilovolt pro Millimeter. Damit stellen die üblichen Prüfspannungen von 2,4 bis 4 Kilovolt das Material vor keine besonderen Herausforderungen. Die Härte liegt bei rund 35 Shore A.
Ein klarer Pluspunkt ist die Verarbeitung im Spritzgussprozess. Durch den spezifischen Produktionsprozess werden Lufteinschlüsse sowohl im Elastomer als auch an den Kontaktflächen mit anderen Materialien vermieden. Diese können sonst zu elektrischen Problemen führen, etwa zu Spannungsdurchschlägen – die natürlich auf keinen Fall gewünscht sind. Brandbeständig ist das Material nach UL94 mit der Klassifikation V0 und damit der höchstmöglichen Sicherheitsstufe.
Breites Einsatzspektrum
In zahlreichen elektrischen Anwendungsfällen ist eine wirkungsvolle Wärmeableitung Voraussetzung für einen effizienten Prozess – überall dort, wo erhebliche Rechenleistungen erforderlich sind oder hohe Ströme fließen. Typische Applikationen kommen derzeit aus der Elektromobilität und nicht zuletzt aufgrund der erheblichen Anforderungen bei einer Ladespannung von 800 Volt, die sich in Elektrofahrzeugen immer mehr durchsetzt. Dazu gehören beispielsweise gekühlte Stromschienen („Busbars“) in Traktionsbatterien. Diese erwärmen sich insbesondere beim Schnellladen oder bei hoher Leistungsabgabe vergleichsweise stark.
Für das gezielte Entwärmen technischer Komponenten sind Material und Verfahren prädestiniert. Mit einem dreidimensional gestalteten Formteil kann dies in direktem Kontakt zu den elektronischen Bauelementen erfolgen. Das Einsatzspektrum ist groß. Davon zeugt beispielsweise ein ölresistentes TIM, das derzeit bei Freudenberg Sealing Technologies in der Vorentwicklung ist. Ein solches Material erweitert die Einsatzmöglichkeiten noch einmal erheblich. „Wir sind offen für kniffelige Fragestellungen“, fasst Striefler zusammen. „Denn genau da ist das Material in seinem Element.“
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