Dichtungen, die zwischen Elektromotor und dem nachgeschalteten Getriebe zum Einsatz kommen, müssen deutlich höhere Anforderungen an die Drehzahlfestigkeit erfüllen als Dichtungen in konventionellen Antriebssträngen. Während moderne Pkw-Motoren je nach Verbrennungsverfahren Maximaldrehzahlen zwischen 4.000 und 7.000 Umdrehungen pro Minute erreichen, liegen diese für Elektromotoren deutlich höher. Derzeitige Serien-Elektromotoren erreichen maximale Drehzahlen von etwas mehr als 20.000 Umdrehungen. Die Drehzahl allein ist dabei kein ausreichender Hinweis für die Belastung, die an der Dichtung auftritt. Vielmehr kommt es auf die Umfangsgeschwindigkeit an, die sich aus Drehzahl und Wellendurchmesser ergibt. Es ist nicht auszuschließen, dass in Zukunft die Anforderungen weiter steigen und durch technische Neuerungen Umfangsgeschwindigkeiten von bis zu 100 Metern pro Sekunde erreicht werden. Bei einem Wellendurchmesser von 55 Millimetern entspricht das 35.000 Umdrehungen pro Minute.
Aufgrund der hohen Umfangsgeschwindigkeiten müssen Wellendichtringe, die im Antrieb von Elektroautos zum Einsatz kommen, eine besonders geringe Reibung aufweisen. Ansonsten würde nicht nur der an sich sehr gute Wirkungsgrad elektrischer Antriebe leiden, sondern es könnte auch vorzeitiger Verschleiß auftreten. Vor diesem Hintergrund hat Freudenberg Sealing Technologies sein Prüffeld in Weinheim um mehrere Prüfstände erweitert, die speziell für Reibmomentmessungen an hochbelasteten Wellendichtringen in Elektromotoren geeignet sind. Um eine hohe Genauigkeit der Messungen zu gewährleisten, weisen die Prüfstände einige charakteristische Merkmale auf. So wird das Drehmoment von wassergekühlten Hochdrehzahl-Spindelantrieben erzeugt, wie sie aus Werkzeugmaschinen bekannt sind. Die Prüftrommel ist sowohl radial als auch axial mit nahezu reibungsfreien Luftlagern ausgestattet, um das Reibmoment der Dichtung möglichst genau zu bestimmen. Die neuesten, erst kürzlich in Betrieb genommenen Prüfstände erlauben nicht nur die Reibmomentmessung bei Drehzahlen von bis zu 36.000 Umdrehungen pro Minute, sondern auch die Erfassung der Impedanz von Dichtungen in einem weiten Frequenzbereich. Das ist wichtig, weil sich zwischen Gehäuse und Welle eines Elektromotors ein erhebliches elektrisches Potenzial bilden kann. Die Entladung kann über die Wellenlager erfolgen und dort zu Oberflächenschäden durch Elektroerosion führen. Freudenberg Sealing Technologies bietet bereits Dichtungen an, bei denen die Spannung über ein elektrisch leifähiges Vlies abgebaut werden kann. Für die Auslegung und Validierung solcher Dichtungen sind die neuen Prüfstände ein wichtiges Instrument.
Reibmomentmessungen, die mit den Prüfständen an Wellendichtringen vorgenommen werden können, und die daraus resultierenden Design- und Materialoptimierungen tragen wesentlich dazu bei, die Gesamteffizienz und Dauerhaltbarkeit elektrischer Antriebe zu steigern. Stellt man die gemessenen Reibmomentwerte nämlich mit anderen Daten wie dem Wellendurchmesser, können verschiedene Dichtungsmaterialien und -konstruktionen in einem frühen Entwicklungsstand direkt miteinander verglichen werden. Da die Reibung über der Drehzahl nicht konstant bleibt, sondern sich verändert, können die Dichtungen gezielt auf die späteren Betriebsbereiche abgestimmt werden, bevor ein erster Prototyp des Motors existiert. „Mit der Erweiterung unseres Prüffeldes stellen wir uns den neuen Anforderungen, die durch die Elektromobilität auf die Dichtungstechnik zukommen“, erläutert Grazyna Jedrowicz, die in der Produktvorausentwicklung von Freudenberg Sealing Technologies das weltweite Testing verantwortet.