„Die Blessuren, die auch die Fertigungsbetriebe der Hightech-Elektronik in den vergangenen zwei Jahren erlitt, ist nur zum Teil der derzeitigen gesamtgesellschaftlichen Lage zuzuschreiben“, ist Matthias Sester, Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Fritsch Elektronik GmbH überzeugt, „Allokation, um nur eines der derzeit gravierendsten Mankos zu nennen, ist lediglich die Spitze des Eisbergs. Am Beispiel extremer Bauteilknappheit wird nur deutlich, wie empfindlich es EMS-Unternehmen treffen kann, wenn sie sich nicht vorausschauend und mit der Bereitschaft zur Veränderung auf die Zukunft ausrichten. Wir alle müssen lernen aus der Asche des Vergangenen herauszukommen, neue Wege zu gehen.“
EMS-Marktentwicklung: Veränderungen nicht nur Corona bedingt
Mit Dieter G. Weiss, Analyse-Experte des EMS-Marktes und Andreas Mangler, Marketingstratege und Mitglied der Geschäftsleitung der Rutronik GmbH, Distributor elektronischer Bauelemente, holte man sich bei Fritsch zum TechDay zwei Referenten ins Haus, die die Situation des Elektronikmarktes klar umrissen:
A. Nachfrage
- Die Stellung Europas auf dem Weltmarkt für Elektronik ist weiterhin rückläufig und geht auf ca. 8 Prozent zurück. Zum Vergleich: Apple und Samsung generieren jeder für sich eine Nachfrage, die der ganz Europas entspricht.
- Die Produktion von Halbleitern/Silizium, selbst die in den feinsten Strukturen mit derzeit 3 bzw. 5nm, ist nur an zwei Orten in Asien möglich.
- Keine Nachfragemacht: selbst Europas Automobilindustrie mit 3 Prozent Weltmarktanteil vermag mit den Globalplayern in den USA und Asien nicht mitzuhalten.
- Die EMS-Lagerdauer befindet sich seit 2006 in kontinuierlichem Anstieg auf gefährlich hohem Niveau; Folge: hohe Kapitalbindung, Druck auf die Liquidität
- Der Mangel an Produktionskapazitäten führt zur präferierten Bedienung des asiatischen und nordamerikanischen Marktes
- Extrem hohe Lieferzeiten für Halbleiter, Steckerverbindungen und Komponenten erreichten in 2021 ein Allzeithoch – je nach Bauteilgruppe von durchschnittlich 4 bis 8 Wochen auf 12 bis 52 Wochen, Tendenz: anhaltend
- Rostoffverknappung und Anstieg der Rohstoffpreise verschärfen die geringe Verfügbarkeit
- Kleinere EMS-Betriebe hatten gegenüber den größeren 2020 eher größere Umsatzrückgänge zu verkraften
- Umsatzentwicklung: Die Entwicklung zeigt ein trügerisches Bild. Der im Vergleich zu den letzten beiden Vorjahren höhere Umsatz beruht in weiten Teilen auf die teilweise Weitergabe höherer Materialkosten, zu Lasten der eigenen Marge, des eigenen Gewinns.
- Der Materialanteil an der Bilanzsumme ist deutlich gestiegen. Insbesondere bei den kleineren EMS-Unternehmen nimmt der Anteil deutlich zu, sehr zu Lasten der Liquidität und der Reservebildung.
„Neue Strategien sind gefragt, die den Schulterschluss in den eigenen Reihen bedürfen, gerade unter den mittelständischen EMS-Dienstleitern“, resümiert Fritsch-Geschäftsführer Sester und schließt mit dem Hinweis, dass zudem jedes Unternehmen gefordert sei, mit ausgeprägten Leistungsmerkmalen eine eigene Position im Markt zu finden.