Inhalt und Zweck der TA-Luft
Die „Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ ist eine verbindliche Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Ihr Ziel als zentrales Regelwerk mit Gültigkeit für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ist, Schadstoffe in der Luft zu begrenzen beziehungsweise zu verringern. Sie beschreibt den aktuellen Stand der Technik für Filter- und Absauganlagen und legt entsprechend Grenzwerte sowie Mess- und Berechnungsverfahren fest. Behörden sind an dieses Regelwerk gebunden, wenn sie über die Zulassung von Anlagen entscheiden oder technische Auflagen für genehmigungspflichtige gewerbliche und industrielle Anlagen erstellen, die von den Betreibern zwingend eingehalten werden müssen. Die Verwaltungsvorschrift sorgt für eine einheitliche Regelung im gesamten Bundesgebiet und ist verbindlich für den Betrieb von aktuell mehr als 50.000 genehmigungspflichtigen Anlagen.
Über die Festlegung von Grenzwerten für Immissionen und Emissionen von Schadstoffen soll das Regelwerk Mensch und Ökosysteme vor deren schädlicher Einwirkung oder vor Belästigungen beziehungsweise Nachteilen schützen. Hierbei müssen neu zu genehmigende Anlagen die Grenzwerte gemäß dem aktuellen Stand der Technik bereits ab Anlagenstart einhalten. Für Altanlagen wird eine Übergangsfrist eingeräumt, innerhalb der sie zwingend derart modifiziert werden müssen, dass sie dann ebenfalls dem aktuellen Stand entsprechen, was den Ausstoß von Schadstoffen betrifft.
Weshalb ist eine Neufassung der TA Luft notwendig?
Die Notwendigkeit einer Überarbeitung der TA Luft wird hauptsächlich mit folgenden Argumenten begründet:
1. Die aktuell gültige Fassung des Regelwerks stammt aus dem Jahr 2002. Seitdem hat sich die Technik auf dem Gebiet des Emissionsschutzes und der Filtertechnik stark weiterentwickelt. Die Richtlinie sollte jedoch soweit möglich kontinuierlich den aktuellen Stand der Technik widerspiegeln. Schon allein deshalb ist eine Aktualisierung dringend nötig.
2. Der Emissionsschutz in Deutschland soll an die europäische Gesetzgebung angepasst werden. Strengere Regelungen aus dem EU-Recht müssen in nationales Recht umgesetzt werden. Von der Europäischen Kommission werden laufend sogenannte BTV Merkblätter herausgegeben, die die momentan beste verfügbare Technik dokumentieren. Mitgliedsstaaten der EU sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Inhalte dieser Merkblätter spätestens innerhalb einer Frist von vier Jahren nach deren Veröffentlichung umgesetzt werden.
Welche Änderungen bezüglich Flanschverbindungen sind in der Neufassung geplant?
Um die Auswirkungen der geplanten Änderungen für Anwender von statischen Dichtungen aufzuzeigen, muss im Wesentlichen das Unterkapitel „5.2.6.3 Flanschverbindungen“ der TA-Luft analysiert werden.
Für Anlagenbetreiber wird hier vorgeschrieben, dass nur „technisch dichte Flanschverbindungen zu verwenden“ sind. Definiert wird die technische Dichtheit gemäß der Dichtheitsklasse L0,01 mit einer spezifischen Leckagerate von weniger als 0,01 [(mbar * l)/(s*m)] bei Prüfung mit dem Prüfmedium Helium. Die weiteren Anforderungen, die in diesem Kapitel genannt werden, lassen sich in drei Hauptkategorien zusammenfassen:
1. Rechnerischer Dichtheitsnachweis
Für den Nachweis der Dichtheit von metallischen Flanschverbindungen in Rohrleitungen bei einer Betriebstemperatur von bis zu 400 °C wird auf die VDI Richtlinie 2290 (Ausgabe Juli 2012) verwiesen, die als Teil des Bundesimmissionsschutzgesetzes die TA-Luft ergänzt und die Kriterien einer technisch dichten Flanschverbindung für flüssige und gasförmige Medien genauer festlegt.
Für den rechnerischen Dichtheitsnachweis gemäß VDI 2290 muss nun nicht nur die statische Dichtung selbst, sondern die gesamte Flanschverbindung als System betrachtet werden. In die Berechnung gehen neben der Dichtung daher auch die Flansche, die Schrauben, das Fördermedium, der Betriebsdruck, die Betriebstemperatur, die Montageparameter und eventuelle Materialveränderungen über die Dauer des Betriebs ein. Folglich ist jede konkrete Einbausituation gesondert zu untersuchen. Die Berechnung muss zwingend nach DIN EN 1591-1 („Flansche und ihre Verbindungen - Regeln für die Auslegung von Flanschverbindungen mit runden Flanschen und Dichtung“) erfolgen.
2. Bauteilversuch
Für Flanschverbindungen, bei denen keine Dichtigkeitskennwerte vorliegen und die nicht rechnerisch als technisch dicht nachgewiesen werden können, muss der Dichtheitsnachweis in Zukunft über einen sogenannten Bauteilversuch erbracht werden. Dieser wird in der VDI Richtlinie 2200 (Ausgabe Juni 2007) beschrieben. Die gesamte Baugruppe bestehend aus Flanschen, Dichtung und Schrauben muss nun unter realen Betriebsbedingungen im Labor geprüft werden. Das bedeutet, dass die Versuchsanordnung mit einem Prüfdruck beaufschlagt werden muss, der mindestens dem tatsächlich zu erwartenden Betriebsdruck entspricht, und das bei einer Betriebstemperatur, die der in der Praxis entspricht. Hierfür gilt ebenfalls die Dichtigkeitsklasse L0,01 mit einer maximal zulässigen spezifischen Leckagerate von 0,01 [(mbar * l)/(s*m)]. Die Prüfung unter Realbedingungen stellt eine wesentliche Verschärfung der bisherigen Bauteilprüfungen dar, bei denen ein Prüfdruck von 1 bar absolut bei Raumtemperatur zulässig war.
3. Montage durch geschultes Personal
Neu ist in der überarbeiteten Version der TA-Luft außerdem die Vorgabe bezüglich der Flanschmontage. Flansche, deren Dichtheitsnachweis gemäß der oben genannten Anforderungen erbracht wurde, dürfen ausschließlich von zertifiziertem Personal montiert werden. Damit sollen Beschädigungen am Dichtungssystem und eine daraus resultierende größere Leckage durch unsachgemäße Montage vorgebeugt werden. Der Anlagenbetreiber muss sicher stellen, dass die Monteure entsprechend der VDI Richtlinie 2290 beziehungsweise der DIN EN 1591-4 (Ausgabe Dezember 2013) qualifiziert werden. Außerdem müssen Anweisungen für die Montage, die Prüfung und die Wartung des Leitungssystems sowie Vorgaben zur Qualitätskontrolle, ebenfalls gemäß VDI Richtlinie 2290, schriftlich festgelegt werden.
Auswirkungen der geplanten Änderungen für die Anlagenbetreiber
Für die Betreiber von Industrieanlagen bedeuten die geplanten Änderungen grundsätzlich, dass in Zukunft umfangreichere Untersuchungen für Flanschverbindungen angestellt werden müssen. Das gilt sowohl bei Flanschen, die neu installiert werden, als auch beim Austausch von Flanschen oder Dichtungen in bereits bestehenden Anlagen.
Rechnerischer Nachweis gemäß EN 1591-1
In der Praxis muss folglich jede Flanschverbindung mit jedem verwendeten Dichtungstyp nach DIN EN 1591-1 berechnet und dokumentiert werden. Dafür ist von einigen Herstellern geeignete Software erhältlich. Grundlegend erforderlich ist hierbei, dass die entsprechenden Dichtungskennwerte nach DIN EN 13555 vorliegen. Dazu gehören beispielsweise Kennwerte zur minimal erforderlichen und maximal zulässigen Flächenpressung sowie Kriechrelaxationsfaktoren und Temperaturausdehnungskoeffizienten der Dichtungen. Entsprechende Datenbanken, die in Zusammenarbeit von Universitäten und Dichtungsherstellern laufend mit ermittelten Kennwerten nach EN 13555 auf dem neuesten Stand gehalten werden, gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Allerdings kann nicht für alle Flanschsysteme ein Nachweis nach EN 1591-1 erbracht werden. Diese gilt lediglich für Verbindungen im Krafthauptschluss. Für Kraftnebenschlussverbindungen greift keine Berechnungsnorm, die VDI Richtlinie 2290 gilt hier folglich nicht. Auch eckige Flansche fallen nicht unter die EN 1591-1, die per Definition nur runde Flansche behandelt. Außerdem müssen nun auch Lüfter und Gehäusedeckel in die Betrachtung mit einbezogen werden, was sich in der Praxis je nach Geometrie verhältnismäßig schwierig gestalten kann. Der rechnerische Nachweis über die technische Dichtheit ist in diesen Fällen aufwendiger. Einige Dichtungshersteller bieten ihren Kunden die Berechnung komplizierter Geometrien als Dienstleistung an. Neben klassischen Berechnungsmethoden können bestimmte Dichtsituationen als FE-Modelle nachgebildet und in einer Computersimulation ausgewertet werden. Die damit erzielten Ergebnisse sind sehr realitätsnah.
Sorgfältige Auswahl der Dichtungen minimiert den Berechnungsaufwand
Aufgrund des umfangreichen Berechnungsaufwands ist es für Betreiber ratsam, die Anzahl der verschiedenen Flanschgrößen und Dichtungstypen bzw. -geometrien, die in einer Anlage eingesetzt und miteinander kombiniert werden, möglichst klein zu halten. Soll eine Dichtung nämlich gegen eine ähnliche ausgetauscht werden, ist eine Neuberechnung des Flanschsystems vorgeschrieben. Daher empfiehlt es sich, bereits bei Inbetriebnahme eine Dichtungsart zu wählen, welche die zulässigen Leckagewerte weitestmöglich unterschreitet und damit zukunftsfähig ist.
Maßnahmen zum Erreichen einer höheren Dichtheitsklasse
Damit eine höhere Dichtheitsklasse bei bereits bestehenden Anlagen erzielt werden kann, ist es in vielen Fällen nicht notwendig, die vorhandenen Flansche auszutauschen. Um die niedrigeren Leckage-Grenzwerte zu unterschreiten, sind je nach Situation folgende Maßnahmen denkbar:
- Dichtungen höher verpressen.
- Höherwertige Schrauben einbauen, die höhere Anziehdrehmomente zulassen.
- Dichtungen mit höherer Rückfederung verwenden.
- Dichtungen mit niedriger notwendiger Flächenpressung verwenden.
- Dichtungen verwenden, die einen geringen Kaltfluss und geringes Kriechen bei Temperatureinwirkung aufweisen und damit eine hohe Restschraubenspannung zulassen.
Herausragend ist hier die GYLON EPIX® Produktserie. Hier wurde durch eine patentierte Oberflächentextur nicht nur das Augenmerk auf verbesserte Rückfederung und höhere ertragbare maximale Flächenpressung wie auch geringere minimal benötigte Flächenpressung für die Abdichtung gelegt. Zusätzlich wurde auch auf eine höhere Sicherheit gegenüber ungünstigen Prozessbedingungen und auf eine größere Fehlertoleranz bei einer ungünstigen Montage, wie auch auf eine mögliche Reduzierung der Dichtungsvarianten zur Vereinfachung der Werknormen in einer Anlage, Wert gelegt.
Lösungen für „Low-Load“-Anwendungen
Problematisch könnte der Dichtheitsnachweis bei sogenannten „Low-Load“-Anwendungen werden. In einigen Fällen kann materialbedingt nur eine relativ geringe Flächenpressung auf die Flanschverbindung aufgebracht werden, so zum Beispiel bei Kunststoffflanschen aus GFK, PP, PE und PVDF. Sollte hier eine Bauteilprüfung des gesamten Flanschsystems durchgeführt werden müssen, wie dies in der überarbeiteten TA-Luft gefordert wird, wird das Ergebnis wohl kaum Aussagekraft haben. Vielfach ist die Leckage durch die Wände der Rohrleitungen und der Flansche höher, als durch die Dichtung selbst. Außerdem fehlen eindeutige Prüfvorgaben, die die Ergebnisse vergleichbar machen würden. Durch den Einsatz von modernen Materialien kann auch hier der rechnerische Nachweis besser geführt werden. Auch eine notwendige Baumusterprüfung gelingt leichter, wenn das Dichtungsmaterial bereits bessere Kennwerte aufweist.
Langfristige Vorteile relativieren den Mehraufwand
Oberflächlich betrachtet bringt die geplante Novelle der TA-Luft für Anlagenbetreiber einen beträchtlichen Mehraufwand mit sich. Die Kosten, die für die umfangreicheren Berechnungen, Bauteilprüfungen und Schulungen aufgebracht werden müssen, sind aber dennoch gut investiert. Geringere Leckageraten bringen nicht nur Vorteile für die Umwelt, sondern bedeuten auch weniger Verlust bei kostenintensiven flüchtigen Stoffen. Zusätzlich kann erfahrungsgemäß die Anlagenverfügbarkeit signifikant erhöht, und die Betriebskosten der Anlage durch geringere Wartungskosten unter dem Strich gesenkt werden.