DIE STIFTUNG: Wie findet eine Stiftung die für sie passende Software?
Norbert Küchler: Das ist eine zweigeteilte Frage. Einmal geht es darum, was eine Stiftung aufgrund ihrer Anforderungen an Software benötigt. Zum anderen ist es sicherlich entscheidend, wie der Weg zur richtigen Software überhaupt aussieht.
Peter Kreutter: Völlig richtig. Die Hochschule, deren Träger wir sind, hat lange, wie viele andere Institutionen vermutlich auch, mit einer eigenständigen Softwarelösung gearbeitet. Vor 20 Jahren war es oft gang und gäbe, ein Programm eines kleineren Softwarehauses zu verwenden. Nun sind viele dieser Anbieter heute nicht mehr existent oder deren Programme veraltet. Entsprechend haben die Institutionen oftmals ein organisationales Risiko, weil da Software z.B. mangels entsprechender Dokumentation nicht mehr zukunftsfähig ist und Anpassungen an neue Anforderungen oft nur noch Flickschusterei sind.
DIE STIFTUNG: Weil die Anpassung der IT oft stiefmütterlich behandelt wird?
Kreutter: Genau. Es muss hinterfragt werden, ob Prozesse zeitgemäß aufgesetzt sind und ob man die Aufgaben auch künftig professionell erfüllen kann. In vielen Fällen vermute ich, dass die Antwort auf diese Fragen mit Nein beantwortet werden muss. Insbesondere wenn Wachstum erfolgt, muss neben der Strategie und der Organisation auch die IT-Infrastruktur angepasst werden. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Die Stiftung WHU gründete 1984 die WHU - Otto Beisheim School of Management, eine Hochschule für Betriebswirtschaft. Die Studenten sollten eine bessere, praxisorientierte Betreuung erhalten, die Möglichkeit zum Studium im Ausland haben und bei Studienende gute Jobaussichten.
Damals fingen wir mit ca. 40 Studierenden in einem Studiengang an. Heute, 30 Jahre später, sind wir unter den führenden Hochschulen in Europa, haben rund 1.350 Studierende in acht Studiengängen und pro Semester etwa 200 ausländische Gaststudenten. Zum Management dieser Größenordnung sind automatisierte, IT-unterstützte Prozesse unabdingbar.
DIE STIFTUNG: Kann sich also eine Stiftung beziehungsweise die Institutionen, die sie betreibt, über eine neue IT gewissermaßen neu erfinden?
Küchler: Davon gehen wir aus. Der Weg zu einer neuen Software ist kein einfacher. Je nachdem was die Stiftung braucht, müssen Lösungen von Seiten der Anbieter präsentiert, Anforderungen definiert und ein Workshop bewältigt werden. Bei diesem wird erörtert, was die Stiftung an Leistung seitens ihrer Software braucht, wie die Software ihrerseits dieses Pflichtenheft erfüllen kann und welche Komponenten bei der Stiftung implementiert werden. Eine Stiftung muss hierfür ein konkretes Anforderungsdokument erstellen. Sie sollte genau wissen, was sie von einer neuen Software wünscht. Bei einer größeren Stiftung stellt dies ein Lastenheft dar, das entsprechend formuliert wird. Insofern beleuchtet die Stiftung vor Einführung einer neuen IT durchaus ihre eigenen Prozesse und erfindet sich gewissermaßen neu.
Kreutter: Bei der Anbieterauswahl ist der Kunde, das heißt die Stiftung oder die Institution gefordert. Sie muss dem Anbieter klar vermitteln, was sie erwartet. Nur der Anwender selbst kann definieren, was die Software mindestens leisten muss. Die meisten Softwareprojekte scheitern, weil die Software-Lösung auf der einen und die Strategien und Prozesswelten auf der anderen Seite nicht aufeinander abgestimmt sind. Zudem wird häufig nicht auf ein Zukunftsszenario hin implementiert. Eine neue Software darf nicht für die "alte Welt" gebaut werden. Wichtiger ist schon an das Morgen zu denken. Aber wenn eine Stiftung für sich sagen kann, Zettelwirtschaft war gestern, dann ist das zweifelsohne schon der erste Schritt.
DIE STIFTUNG: Wo liegt sonst noch der Nutzen einer Stiftungssoftware?
Kreutter: Software, insbesondere im Finanzbereich, leistet einen Beitrag zu Transparenz, Planungssicherheit und damit auch zum Risikomanagementsystem einer Stiftung.
DIE STIFTUNG: Apropos System. Was muss eine moderne Stiftungssoftware können?
Küchler: Aus unserer Sicht muss eine Stiftungssoftware die Belange einer kaufmännischen Lösung sowie einer Bürolösung miteinander in Einklang ringen. Sie soll die Effektivität anhand standardisierter Abläufe erhöhen sowie die Produktivität der Stiftungsarbeit optimieren. Aus einer Spende heraus muss beispielsweise eine Spendenbescheinigung direkt als Word-Dokument erstellt werden können. Außerdem muss es möglich sein, die spenderbezogenen Daten sofort an anderer Stelle weiter zu verarbeiten. Des Weiteren muss das IT-System das zentrale Informationssystem Informationssystem der Stiftung darstellen. Mit einem Knopfdruck wissen Sie um die finanzielle Konstitution, können den Spendeneingang von Jahr zu Jahr abgleichen oder auch die Basis für Wirkungsmessungen des Stiftungsauftrags legen. Im Falle einer Betriebsprüfung haben Sie sofort alle Daten für den Prüfer parat.
Kreutter: Die stärkeren Anforderungen an Transparenz und Finanzbuchhaltung sind nicht nur gegenüber den Finanzämtern und Wirtschaftsprüfern wichtig. In dem Maße wie der Dritte Sektor wächst, und wie er auch durch sein Steuerprivileg einen anderen Aktionsradius im Vergleich zur Wirtschaft hat, wird zeitnahe externe Berichterstattung, z.B. über Geschäftsberichte, zum "Muss".
Küchler: Moderne Stiftungssoftware muss sich nach einem weltweit anerkannten Standard richten. Dieser wird dann auf die Bedürfnisse der einzelnen Stiftung hin spezifiziert. Die Einführung der Software dauert beispielsweise bei einer Stiftung mittlerer Größe zwischen sechs und zwölf Monate, wobei in der Phase der Einführung auch andere Themen miteinbezogen werden. Etwa ob sich die Stiftung organisatorisch etwas anders aufstellt, ob Buchungen bei der Bank künftig einfacher und schneller abgewickelt werden sollen, die Vermögensanlage proaktiv kontrolliert oder die Dokumentation von Vorstandssitzungen gestrafft werden soll.
DIE STIFTUNG: Gilt das für jede Stiftung?
Küchler: Ja, im Prinzip schon. Bei den Kleinststiftungen ist die Software vielleicht nur selektiv an die Anforderungen anzupassen, aber vor allem für den Mittelbau der deutschen Stiftungen sind Lösungen umfänglich machbar.
Kreutter: Vor allem sind diese Standardlösungen für viele Stiftungen noch bezahlbar. Natürlich kann sich nicht jede kleine Stiftung einen IT-Fachmann leisten, aber ein standardisiertes Programm mit ein paar Spezifikationen zu nutzen, das dürfte für die breite Masse zu machen sein. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Sektor sein Wachstum professionalisieren muss. Die Zeiten, in denen die Ausstattung von Stiftungen aus einer Schreibmaschine und einem Zettelkasten mit den Namen der Fördererbestand, sind vorbei. Auch die Stiftungslandschaft kann mit neuen Technologien ihr Stiftungswirken effektiver und effizienter gestalten. Machbar ist es auf jeden Fall. Und je mehr sich eine Stiftung dabei selbst erfindet, desto kräftiger fällt in der Folge der Impuls in der Projektarbeit aus. Zumindest zeigt das meine Erfahrung.
DIE STIFTUNG: Na, das sollte doch Mut machen. Haben Sie vielen Dank für Ihre offenen Worte.
Das Interview führte Tobias M. Karow