Sind die Begeisterungswellen beim US-Verkaufstart des iPhone nun ein amerikanischer Spleen, die vor allem dem trickreichen Marketing-Management des Technologie-Rockstars im Rollkragenpullover Steve Jobs geschuldet sind? Greenwich Consulting ist überzeugt, dass mehr hinter einem möglichen Markterfolg des iPhone steckt und es lohnenswert ist, einen analytischen Blick hinter die emotionalisierten Kulissen zu werfen.
Die gesamte Telekommunikationsindustrie – vom Mobilfunk-Anbieter bis zum traditionellen Handy-Hersteller – propagiert das mobile Internet nun schon seit Jahren, mit nur relativem Erfolg. Obgleich Technologien und Anwendungen durchaus verbessert und anwenderfreundlicher geworden sind, ist dies bei den meisten Käufern offenbar noch nicht ausreichend angekommen. Die Geräte erscheinen nach wie vor schwierig zu bedienen, die Produkt- und Tarifangebote komplex und intransparent.
Die sichtbare iPhone-Strategie von Apple zeigt ein tiefes Verständnis, dass der Erfolg von Multimedia-Produkten vor allem von der Kundenorientierung, Konsistenz und Verständlichkeit der gesamten damit verbundenen Systemlösung abhängt. Grundvoraussetzung für eine hohe Kundenakzeptanz ist demnach ein übergreifendes Paket-Angebot, das die Einzelaspekte Multimedia-Gerät, Preis- und Produktgestaltung sowie den Erfahrungsstand des Nutzers intelligent zusammenführt. Apple hat sein Verständnis dieser Grundzusammenhänge mit dem Erfolg des MP3-Players iPod bereits bewiesen: ein ansprechendes Gerät wurde mit dem nutzerfreundlichen Internet-Service iTunes und einem cleveren Preismodell (0,99 $ je Musikstück) verbunden.
Gewonnen hat hier nicht das beste Gerät, auch nicht der niedrigste Preis, gewonnen hat die beste Kombination der relevanten Aspekte. Auch in der Welt der mobilen Multimedia-Anwendungen gibt es bereits einen Vorläufer, der das Erfolgspotenzial bei Einhaltung dieses Marktprinzips zeigt: I-Mode, der weltweit erfolgreichste Portaldienst für Mobiltelefone des japanischen Anbieters NTT Docomo – gestartet bereits in 1999.
Auch wenn der Retail-Preis für das iPhone mit 500$ bis 600$ vergleichsweise hoch ist geht Greenwich Consulting davon aus, dass die von Apple gemeinsam mit AT&T offerierte Produktplattform die wichtigsten Elemente für eine nachhaltige Erfolgsgeschichte vereint. Für das Erreichen der beiden von Apple-Chef Steve Jobs vorgegebenen Ziele – 10 Millionen verkaufte iPhones bis Ende 2008 und Wahrnehmung des mobilen Internet-Angebots als bestes seiner Klasse – bestehen gute Voraussetzungen:
- Ein attraktives Gerät, das ansprechendes Design mit einer starken Marke verbindet – zweifellos eine wichtige Voraussetzung, um den iPod-Erfolg zu wiederholen.
- Eine komplette technologische Plattform, die integrierte Angebote bruchlos verbindet – zugegeben: die meisten iPhone-Funktionalitäten, seien es Musik, Mail, Internet-Zugang etc., können auch durch andere Smart-Phones geboten werden, jedoch nicht derart eng kombiniert mit den etablierten und populären Web-Angebote wie beispielsweise iTunes oder YouTube.
- Eine verbesserte Anwendbarkeit – hier liegt der höchste Anspruch an die Fähigkeiten des iPhones, schließlich wird die Nutzung vergleichbarer Smart-Phones immer noch als kompliziert und wenig intuitiv wahrgenommen; das iPhone setzt hier konsequent auf Touch-Screen-Technologie, um den Zeitbedarf bei der Anwendung und Dateneingabe zu minimieren.
- Ein intelligentes und konsistentes Preismodell, unter anderen auf Basis einer Daten-Flatrate; verantwortlich dafür ist zunächst einmal im US-Markt AT&T – zwar sind solche Flatrate-Modelle nicht revolutionär, für den Erfolg des Gesamtpakets ist gleichwohl der unbegrenzte Zugang zu E-Mailing- und Internet-Anwendungen eine wichtige Voraussetzung, um die Nutzung und damit den damit verbundenen Datentransfer bis hin zu Internetkäufen nachhaltig zu steigern.
Insbesondere die exklusive Zusammenarbeit von Apple mit AT&T wird dabei als wenig kundenfreundlich kritisiert. Tatsächlich erstaunt dieser Ansatz durch Apple, angesichts der durch Steve Jobs oftmals geringschätzig charakterisierten Telekommunikationsunternehmen, die viel von Datenübertragung, aber wenig vom Kunden verstünden.
Warum also die derzeitige Exklusivität mit AT&T im US-Markt? Dahinter steht einerseits die Einsicht von Apple, dass es ohne die Zusammenarbeit mit den Mobilfunk-Anbietern schlichtweg nicht geht, da diese mittels Subventionen die Gerätepreise stark positiv beeinflussen, die Preise der Datenübertragung und die möglichen Gerätekonfigurationen dominieren und letztlich auch eine wichtige Rolle bei Vermarktung und Vertrieb spielen. Analogien mit dem gespannten Verhältnis zwischen Apple und der Musikindustrie sind dabei nicht zufällig.
Andererseits ist die exklusive Partnerschaft mit AT&T aus Sicht von Greenwich Consulting vorrangig kurzfristigen strategischen Überlegungen zur optimalen Gestaltung des Markteintritts geschuldet. Mit einem exklusiven Partner ist es offenbar leichter möglich – angesichts einer anfänglich geringen Zahl verkaufter Einheiten des iPhone – möglichst hohe Anteile an den Einnahmen für Datentransfer und dem Verkauf von Inhalten zu erhalten.
Apple verzichtet also temporär auf multiple Partnerschaften, um im Gegenzug seine Rolle zu stärken. Das mag für den Anfang gelten – die Verhandlungen mit den potenziellen europäischen Partnern Vodafone und Orange laufen noch. Es bleibt abzuwarten, ob und wie lange ein vergleichbares Geschäftsmodell auch für den europäischen Markteintritt gewählt wird. Für die Zukunft ist mit einer Ausweitung des Partnerkreises zu rechnen.
"Apple wird damit nicht aus dem Stand das saturierte und zugleich immer noch margenstarke Mobilfunkgeschäft revolutionieren", so Sylvain Maquet, Principal und Mobilfunkexperte bei Greenwich Consulting, "zu sehr bleibt das extrem hochpreisige Produkt iPhone den zahlungskräftigen oder besonders begeisterungsfähigen Kundengruppen vorbehalten. Aber ein Warnschuss an die etablierten Mobilfunkanbieter, den Kunden mehr in das Zentrum ihrer Produktstrategie zu stellen, wird in jedem Fall abgegeben. Denn, wer hätte so viel emotionales Potenzial für das Allerweltsprodukt Handy heute noch erwartet?"