Disruptionen rütteln an bewährten Geschäftsmodellen. Disruptives Denken und das Bewusstsein für die einhergehenden Veränderungen sollte der Kern der strategischen Agenda auf den Vorstandsebenen sein. Daher sollten Entscheidungsträger den Mut zeigen, um dem Wegbrechen von Umsätzen vorzubeugen. Geschäftsmodelle, die heute erfolgreich sind, gerade im Transaktionsbereich, werden künftig nicht mehr alleine von Banken übernommen werden.
Die Kunden im Finanzsektor unterscheiden zunehmend zwischen Offline- und Online-Angeboten. Dies bringt viele Banken in Zugzwang, da der Trend eindeutig in Richtung integriertes Leistungsangebot geht. Die Integration sämtlicher Vertriebskanäle in einem konsequenten Omni-Channel-Ansatz ist im Hinblick auf die strategischen Weichenstellungen im Finanzsektor erforderlich.
Welche Schlüsselkompetenzen sind für die Mitarbeiter erforderlich?
Im Spannungsfeld von Regulierung und Innovationen ist die Liste der Aufgaben mit höchster Priorität sehr lang. Dabei sind die richtigen Mitarbeiter ein wesentlicher Faktor, um die Weichen für den digitalen Erfolg zu stellen. Passende digitale Talente gilt es nicht nur zu finden oder weiterzuentwickeln, sie benötigen auch die erforderlichen Freiheitsgrade, um mit Leidenschaft und Firmen-Identifizierung eine Extrameile zu gehen. Für Unternehmen im Finanzsektor ist es unabdingbar, zu verstehen, dass es nicht nur darum geht, sich technologisches und fachliches Know-how anzueignen, sondern viel mehr, auch eine Unternehmenskultur zu etablieren, die diese Herausforderungen mitträgt und von der Managementebene konsequent vorgelebt wird. Auch ist es erforderlich, dass die Mitarbeiter den notwendigen Freiraum und die Freiheitsgrade erhalten, um ihre Ideen und Innovationen ausleben und umsetzen zu können. Fachkräfte müssen in der Lage sein, ihre Ideen und Konzepte vorzustellen und so zu präsentieren, dass auch andere Bereiche und Abteilungen diese nachvollziehen und ihre Vor- und Nachteile diskutieren und bestenfalls annehmen können.
Die erforderlichen Mitarbeiter, um diesen Wandel mitzutragen
Einige Finanzunternehmen holen sich innovative Freigeister an Bord, um sich den neuen Kundenbedürfnissen zu stellen. Jedoch sollte bedacht werden, dass nicht nur Innovation und Kreativität für eine erfolgreiche Umsetzung digitaler Transformationen im Bankenumfeld erforderlich sind. Gerade in der Finanzwelt gilt es, neben all den offensichtlichen Skills, auch die regulatorischen Anforderungen im Blick zu behalten und nicht alle bestehenden Prozesse und Lösungen vollständig zu verdrängen. Darüber hinaus müssen auch ‚wilde Querdenker‘ einen angemessenen Grad an Anpassungsfähigkeit mitbringen, um sich in der Bankenumgebung wohl zu fühlen. Disruptives Denken ist ein wichtiger Faktor, aber auch kulturelle Rahmenbedingungen haben hier einen hohen Stellenwert. Neben dem hierarchischen Denken, dem erforderlichen Dresscode und der Beachtung der institutsspezifischen Traditionen gilt es, auch mit Kommunikationsfähigkeit viele Bereichsebenen von neuem zu begeistern und zu überzeugen.
Kandidaten im Bankenumfeld sollten die Werte des Unternehmens kennen und die bestehenden Strukturen akzeptieren. Ein zu dominantes oder legeres Auftreten kann in diesem Umfeld als Selbstüberschätzung gedeutet werden oder gar zu Missstimmungen führen.
Für die Führungsebene ist es vor allen Dingen wichtig zu beachten, dass die digitale Transformation eine grundlegende Veränderung in der Zusammenarbeit bedeutet, sowie einen Wandel in der Führung und die Entwicklung neuer Rollen und Aufgabenbereiche. Transparenz, Kommunikation und der Wille zur Veränderung sind wichtige Faktoren, um nicht neben den Mitarbeitern her zu transformieren. Denn den entscheidenden Unterschied in Unternehmen aller Branchen machen digital agierende Mitarbeiter – und damit sind sie der Schlüssel zum Erfolg.
Womit können Finanzinstitute gegenüber den FinTechs punkten, um als Arbeitgeber attraktiver zu sein und zu bleiben?
FinTech-Unternehmen haben ihren Fokus im Bereich der Finanzdienstleistungen und bieten keine vollkommen neuen Produkte und Dienstleistungen an, sondern grenzen sich von klassischen Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen vor allen Dingen dadurch ab, dass sie ihre Angebote und Dienstleistungen mit einer spürbar höheren Kundenorientierung anbieten. Deutsche Bank, Commerzbank, HVB & Co. und einige weiteren namhafte Institute nutzen FinTechs, um ihre Digitalisierung voranzutreiben. Jedoch sind die FinTechs auch Mitbewerber im Kampf um den passenden Kandidaten, dem es sich zu stellen gilt.
Finanzinstitute können bei Bewerbern häufig mit ihrer Unternehmensmarke sowie Unternehmensgröße punkten. Für viele Kandidaten ist auch eine solide Kundenbasis des Unternehmens sowie ein vorzeigbares Employer Branding Beweggrund, um sich dort zu binden. Besonders Kandidaten, die Wert auf Sicherheit und Stabilität legen, zieht es eher zu einem großen Unternehmen im Bankenumfeld, als zu einem FinTech Start-up, das vielleicht morgen schon wieder vom Markt verdrängt ist.
Jedoch empfiehlt es sich, dass die Vorstände sowie Personalabteilungen der Finanzunternehmen bei der Konzeption und Planung von Digitalisierungsstrategien und Projekten auch ihre Unternehmenskultur als Arbeitgeber hinterfragen. Nicht ein Employer-Branding-Projekt oder Maßnahme wie, „Wir-nehmen-nun-die-Krawatten-ab“, sondern eine kulturelle Umstellung, wie beispielsweise flexible Arbeitszeitgestaltung, Home-Office-Regelungen, freier Internetzugang am Arbeitsplatz und vielen Rahmenbedingungen mehr, gilt es ebenfalls zu transformieren.
Fazit: Die Finanzinstitute müssen von der Produktsicht zur Kundensicht wechseln, denn Digitalisierung bedeutet nicht nur, eine App oder Facebook Seite einzurichten. Für die erfolgreiche digitale Umsetzung ist es neben der richtigen Strategie auch notwendig, die geeigneten Mitarbeiter an Bord zu haben. Nicht nur passende Schlüsselkompetenzen der Mitarbeiter sind erforderlich, auch die unternehmerischen Rahmenbedingungen müssen passen, um den Weg zum Erfolg zu ebnen.
Autor:
Henning Sander, Leiter der Business Unit Banking, Executive Search, Hager Unternehmensberatung