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Arbeitsrecht 3/17

"Komische" Arbeitnehmer

(PresseBox) (Hamburg, )
- Optionen des Arbeitgebers bei extremen Verhaltensauffälligkeiten von Mitarbeitern
- Problemaufriss

Jeder Mensch hat gewisse Eigenschaften und „Macken“, mit denen andere Menschen besser oder auch schlechter umgehen können. Gerade im Bereich des Arbeitsplatzes können diese Macken jedoch zu gewissen Spannungen führen. Einige Verhaltensweisen sind dabei derart auffällig, dass sich ein Arbeitgeber die Frage stellen muss, ob dieses Verhalten noch akzeptabel oder das Maß überschritten ist.

Erstes Beispiel: Vor einigen Jahren arbeitete ein Dekormaler in einem keramischen Betrieb, der im Verlauf seines Anstellungsverhältnisses zumeist gegen Ende der täglichen Arbeitszeit deutliche Verhaltensveränderungen zeigte. Diese Verhaltensauffälligkeiten äußerten sich durch aggressives Verhalten, unverständliches Reden sowie Schreien. Die Arbeitsergebnisse blieben jedoch konstant auf einem hohen Qualitätsniveau. Für den Arbeitgeber stellte sich, da die anderen Arbeitnehmer mit dem verhaltensauffälligen Mitarbeiter nicht mehr zurecht gekommen sind die Frage, wie er mit ihm am besten umgehen sollten.

Zweites Beispiel: Ein Abteilungsleiter „verheizt“ am laufenden Band seine untergebenen Mitarbeiter. Sein oftmals cholerisches Artikulieren und herablassendes Verhalten erschweren den Untergebenen den Umgang mit dem Abteilungsleiter. Gleichzeitig ist das Unternehmen auf die Leistungen des Abteilungsleiters angewiesen, sodass auch hier ein Spannungsfeld zwischen den „verheizten“ Mitarbeitern und dem vorgesetzten Abteilungsleiter besteht.

Toleranz ja oder nein?
Natürlich führt nicht jede „Macke“ und jedes (für manchen) gewöhnungsbedürftige Verhalten eines Arbeitnehmers zu einem Einschreiten seitens des Arbeitgebers. Wenn sich ein Arbeitgeber allerdings dazu entschließt, Maßnahmen zu treffen, da das Verhalten des Mitarbeiters über das normal erträgliche Maß hinausgehe, sollten zuvor folgende Punkte geprüft werden:

1. Darf der Arbeitgeber das fragliche Verhalten tolerieren?
2. Kann der Arbeitgeber das fragliche Verhalten tolerieren?
3. Will er es akzeptieren?
4. Oder muss er es sogar akzeptieren?

1. Darf der Arbeitgeber das fragliche Verhalten tolerieren?
Zunächst stellt sich die Frage, ob das auffällige Verhalten des Mitarbeiters die Rechtsgüter anderer Arbeitnehmer ernstlich berührt. Verletzt das z.B. aggressive Verhalten einen Kollegen oder wird er durch einen über das Ziel hinausschießenden Witz verletzt, grob beleidigt oder diskriminiert, ist die Schwelle der Toleranz überschritten. Kommt es zu einem tätlichen Angriff, wodurch eine Körperverletzung begangen wird, ist definitiv ein Eingreifen erforderlich. Zwar kann gerade bei leichten Körperverletzungen die Frage im Raum stehen, ob der entsprechende Mitarbeiter zunächst abgemahnt werden müsste, allerdings dürfte dies regelmäßig nicht der Fall sein. Allerdings ist nicht erst eine Körperverletzung Grund für das Einschreiten des Arbeitgebers. Auch verbale Angriffe auf die anderen Arbeitnehmer, denen diese Angriffe nicht zugemutet werden können, können zu einer außerordentlichen Kündigung führen. Ein völlig inakzeptables Verhalten eines Mitarbeiters ging vor längerer Zeit durch die Presse. Dieser hatte einem Auszubildenden mit Migrationshintergrund ein Schild mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“ über seine Werkbank gehängt (BAG Urt. v. 1.7.1999 – 2 AZR 676/98).

2. Kann der Arbeitgeber das fragliche Verhalten tolerieren?
Daneben kann das "komische" Verhalten des Mitarbeiters nicht nur negative Auswirkungen für die anderen Arbeitnehmer haben, sondern auch den Arbeitgeber selbst in seinen Rechtsgütern berühren. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich bei dem Arbeitgeber um eine natürliche Person oder um eine Kapitalgesellschaft handelt. Sofern ein auffälliges Verhalten eines Arbeitnehmers dazu führt bzw. führen kann, dass die Akzeptanz des Unternehmens am Markt hierdurch gefährdet oder sogar geschädigt wird, ist der Arbeitgeber frei darin, entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen.

3. Will der Arbeitgeber das fragliche Verhalten akzeptieren?
Diese Gruppe der verhaltensauffälligen Mitarbeiter stellt den Arbeitgeber vor besondere Schwierigkeiten. Das Verhalten des Mitarbeiters ist eigentlich derart störend, dass bei jedem anderen Mitarbeiter recht schnell die Reißleine gezogen werden würde, aber aufgrund der besonderen Fähigkeiten oder speziellen Aufgaben des Mitarbeiters ist der Arbeitnehmer zur Hinnahme der Verhaltensauffälligkeit geneigt.

4. Oder muss der Arbeitgeber das fragliche Verhalten sogar akzeptieren?
Nicht jede Verhaltensauffälligkeit führt automatisch zu einem Einschreiten des Arbeitgebers. Es bestehen nämlich durchaus Gründe für Verhaltensauffälligkeiten, die der Arbeitgeber hinzunehmen hat. Allerdings kommt es bei diesen Personen dann maßgeblich darauf an, worin die Ursache des auffälligen Verhaltens liegt. Trifft das Unternehmen zumindest ein Mitverschulden, kann es gegen Treu und Glauben verstoßen, Maßnahmen gegenüber diesem Mitarbeiter zu ergreifen. Vielmehr ist der Arbeitgeber zur Rücksichtnahme verpflichtet.

Dazu war der Arbeitgeber beispielsweise bei dem eingangs erwähnten Dekormaler verpflichtet. Sein Verhalten beruhte letztendlich auf der seinerzeit viel zu bleihaltigen Farbe, die der Betrieb dem Dekormaler zur Verfügung stellte. Durch die Verwendung der Farbe zog sich der Mitarbeiter schleichend eine Bleivergiftung zu, die seine Psyche stark in Mitleidenschaft gezogen hat. Aufgrund der Feststellung der schleichenden Bleivergiftung wurden dem Dekormaler später andere Farben zur Verfügung gestellt, wodurch sich das Problem nach einiger Zeit löste.

Bewertung von fraglichen Verhaltensweisen
Bevor ein Arbeitgeber jedoch zur Abmahnung oder gar Kündigung greifen kann, muss er sich zunächst die Frage stellen, worin die Ursache der Verhaltensauffälligkeit liegt. Dabei kommen folgende Möglichkeiten in Betracht:

- Krankheitsbedingtes Fehlverhalten,
- Fehlleistungen, Gesinnungen und falsche Auffassungen der Arbeitswelt,
- Bedingungen des Arbeitsplatzes als Ursache für das Fehlverhalten oder
- Marotten.

Das krankheitsbedingte Fehlverhalten kann seine Ursache beispielsweise in einer psychischen Erkrankung, geistigen Behinderung oder ähnlichen Umständen haben. Greift der Arbeitgeber bei der Sanktion dieser krankheitsbedingten Auffälligkeiten zur Abmahnung oder verhaltensbedingten Kündigung, könnte dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, da tatsächlich eine personenbedingte Kündigung hätte ausgesprochen werden müssen.

Praxistipp
Die Unterscheidung zwischen verhaltens- und personenbedingter Kündigung ist in der Praxis von großer Bedeutung. Denn die personenbedingte Kündigung bedarf zwar keiner Abmahnung, muss jedoch die übrigen besonderen Anforderungen erfüllen. Zudem kann sich bei diesen Personen die Frage stellen, ob sie nicht den besonderen Kündigungsschutz für Behinderte genießen.

Hängt das auffällige Verhalten jedoch mit der Persönlichkeit des Arbeitnehmers zusammen, kann der Arbeitgeber entweder eine Abmahnung oder sogar bei krassem Fehlverhalten sogleich eine außerordentliche Kündigung aussprechen. Dass das oben benannte Beispiel mit dem antisemitischen Schild über der Werkbank völlig inakzeptabel und zu Recht zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen geführt hat, bedarf keiner näheren Ausführung. Auch Personen, die sonst in irgendeiner Form rassistisch, sexistisch oder ähnlich auffällig sind, verdienen nicht den besonderen Schutz des Arbeitsrechts.

Ein Fehlverhalten, das durch den Arbeitsplatz selbst bedingt und dem mit einer verhaltensbedingten Kündigung begegnet wird, kann gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB verstoßen. So war es bei dem eingangs erwähnten "Altfall" des Dekormaler. Dessen Arbeitgeber hatte ihm Farben zur Verfügung gestellte, die einen derartig hohen Bleigehalt hatten, dass der Maler sich eine Bleivergiftung zuzog.

Zuletzt können Verhaltensauffälligkeiten auch schlicht auf den Marotten eines Arbeitnehmers beruhen. So auch bei dem Abteilungsleiter, der durch sein z.B. fast schon cholerisches Verhalten die Mitarbeiter verheizt. Bei solchen Personen müssen die Marotten dann toleriert werden, wenn kreative, künstlerische oder sonstige besondere Leistungen erwartet werden. Je freier und kreativer die erwarteten Leistungen sind, desto größer wird der Spielraum sein, den ein Arbeitgeber seinem Mitarbeiter einräumen wird.

 

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