Ullrich bezeichnete die Integration der 2015 stark angewachsenen Gruppe von Flüchtlingen und Asylbewerber als eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen, der sich die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Geschichte ausgesetzt sieht; und die viele Jahre in Anspruch nehmen wird. „Nachdem die öffentliche Diskussion aufgrund aktuell sinkender Zahlen an Neuankömmlingen abflaut, beginnt für uns die richtige Arbeit. Der Wirtschaft, den Unternehmen und auch uns Kammern wird nun eine zentrale Rolle, wenn nicht gar die Schlüsselrolle zugewiesen.“ Die Integration in den Arbeitsmarkt ist einer der Erfolgsfaktoren schlechthin.
„Wir haben auf der einen Seite eigentlich keine Zeit zu verlieren, dürfen aber in der aufgeheizt geführten Diskussion auch nicht in Hektik verfallen“, erklärte Ullrich. „Wir mussten in den vergangenen Wochen und Monaten für uns klären: Welche Ziele verfolgen wir als Kammer? Mit welchen Mitteln müssen wir agieren? Welche Netzwerke müssen genutzt und ausgebaut werden?“ Auch IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Kempff betonte: „Wir müssen uns als Kammern auch in dieser Frage auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren. Das ist die Durchführung der dualen Ausbildung und die Anerkennung ausländischer Abschlüsse bzw. die Feststellung vorhandener Kompetenzen.“ Das braucht Zeit. Sorgen bereitet den Kammern daher die seitens der Politik spürbare Erwartungshaltung. „Die Integration in den Arbeitsmarkt ist keine Sache von einem Jahr, eher von zehn Jahren“, betonte Auer. Wolfram Seitz-Schüle, Geschäftsführer der Handwerkskammer machte zudem deutlich: „Die Handwerkskammer Freiburg hat sich für das Ausbildungsjahr 2016/2017 eine erfolgreiche Vermittlung von etwa 20 Personen in Ausbildung vorgenommen. Höhere Zahlen erwarten wir erst für die Folgejahre.“
Betriebe sollen Unterstützung annehmen
Beide Kammern können sich auf eine Reihe von Erfahrungen im Bereich beruflicher Mobilität stützen. „Wir integrieren schon seit Jahren junge Migranten, etwa in einem erfolgreichen Projekt mit jungen Menschen aus Italien und Frankreich. Daher wissen wir: Für eine gelungene Integration ist eine intensive Betreuung notwendig“, erklärte Seitz-Schüle. Aktuell gilt es Frustrationserlebnisse auf Seiten der Betriebe und der Flüchtlinge zu vermeiden. Beide Kammern appellierten daher unisono an ihre Mitgliedsbetriebe, unbedingt die Unterstützung durch die Kammern in Anspruch nehmen. Kempff: „Wir sind als Kammern gefordert. Die Verunsicherung bei den Unternehmern ist groß. Unser Anspruch ist es, die Betriebe geordnet anzusprechen und zu beraten.“ Seitz-Schüle bezeichnete die aktuellen Maßnahmen als „Aufwärmphase“, um weitere wichtige Erfahrungen zu sammeln.
Beide Kammern beteiligen sich am Landesprojekt „Integration durch Ausbildung – Perspektive für Flüchtlinge“. Für die Flüchtlinge ist eine extreme Herausforderung, die deutsche Sprache und Arbeitskultur zu erlernen. Der Schlüsselfaktor für den Erfolg ist eine enge Betreuung und Begleitung. „Die Motivation bei den jungen Menschen ist zwar groß“, betonte Seitz-Schüle. „Allerdings auch der Wille schnell Geld zu verdienen.“ Es ist den Flüchtlingen daher schwer zu vermitteln, erst über eine ein bis zweijährige Vorbereitungszeit und eine anschließende dreijährige Ausbildung den langen Weg bis zu einem qualifizierten Abschluss in Angriff zu nehmen. Beide Kammern waren sich jedoch in der Einschätzung einig. Mit Blick auf Zeiten, in denen die Wirtschaft nicht so stark sein wird, müssen sie die jungen Menschen qualifizieren. Als An- und Ungelernte sind sie sonst die ersten, die entlassen werden. Die erfolgreiche Integration, in der Konsequenz also ein langfristig stabiler Beschäftigungsmarkt in Deutschland, bedarf somit erheblicher Anstrengungen hinsichtlich der Qualifizierung der Zuwanderer, die eine Bleibeperspektive in Deutschland haben.