Die Umfrage zeigt: Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges und die explodierenden Preissteigerungen lassen sich nicht wegdiskutieren. Dennoch bewerten die Handwerksbetriebe in Westbrandenburg ihre aktuelle Geschäftslage noch positiv. Aber: Trotz voller Auftragsbücher lassen die explodierenden Kosten bei Energie und Materialpreisen und der wachsende Fachkräftemangel die Sorgenfalten der Betriebe tiefer werden.
Geschäftsklimaindex und Geschäftslage
Der ZDH-Geschäftsklimaindikator, der neben den Einschätzungen der aktuellen Geschäftslage auch die Erwartungen an die Zukunft beinhaltet, liegt bei 122 Punkten und zeigt sich damit auf dem gleichen Niveau wie im Frühjahr 2021.
Ihre aktuelle Geschäftslage schätzten 88 Prozent der Betriebe mit gut oder befriedigend ein (Vorjahr 81,3). Die schlechteste Bewertung gaben dabei die personenbezogenen Dienstleistungen (wie Friseure, Kosmetiker oder Textilreiniger) und das Gesundheitshandwerk ab. Beide Handwerksgruppen waren am meisten von den Eindämmungsmaßnahmen betroffen. Während die personenbezogenen Dienstleistungen eine signifikante Verbesserung meldeten, verschlechterte sich die Lage bei den Gesundheitshandwerkern.
Die durchschnittlichen Auftragsvorläufe liegen mit 11,3 Wochen noch einmal eine Woche über dem Vorjahresniveau (10,3), Kunden brauchen also vor allem eines – viel Geduld! Die durchschnittliche Auslastung der Betriebe für die letzten Monate ist zum Vorjahresvergleich mit 88 Prozent (83 Prozent im Frühjahr 2021) ebenfalls weiter angestiegen. Auch hier drücken die personenbezogenen Dienstleistungen mit 70 Prozent (Vorjahr 58 Prozent) und die Gesundheitshandwerke mit 73 Prozent (Vorjahr 84 Prozent) das Umfrageergebnis. Überdurchschnittlich gut zu tun haben dabei allen voran weiter das Ausbau- und Bauhauptgewerbe.
Erfreulich zeigt sich die Umsatzentwicklung im Vergleich zum Vorjahr: Hier machten Betriebe Boden gut: Vermeldeten im Vorjahr noch 38 Prozent der Betriebe Umsatzrückgänge im ersten Quartal, waren es diesmal nur 25 Prozent. Die Zahl derer, die auf steigende Umsätze blicken konnten, verdoppelte sich hingegen zum Vorjahr (14 Prozent) auf nunmehr 28 Prozent.
Preisentwicklung
Wo sich nach pandemischer Erholung Licht zeigt, bildet sich aktuell jedoch auch viel Schatten: Die Entwicklung der Einkaufs- und Verkaufspreise betrachten alle Gewerke mit großer Sorge. 84 Prozent der Befragten berichteten von gestiegenen Einkaufspreisen. Das sind noch einmal 21 Prozent mehr als vor einem Jahr. Es gibt faktisch keine Branche mehr, in der die Einkaufspreise gesunken sind.
Neben den noch nachwirkenden pandemiebedingten Belastungen blicken die Handwerksbetriebe zunehmend sorgenvoll auf die inflationäre Entwicklung – und dabei natürlich vor allem auf die Entwicklung der Strom- und Energiepreise, Lieferstopps oder die gestörten Lieferketten. Angebotskalkulationen sind teilweise nur mit tagesaktuellen Preisen möglich und verlangen Betrieben und Kunden viel ab. Die Entwicklung der Einkaufspreise bewog 67 Prozent der Betriebe, die Steigerung an ihre Kunden weiterzugeben, das sind noch einmal zehn Prozent mehr als im Frühjahr 2021. Das Nahrungsmittel-, das Kfz- und das Bauhauptgewerbe sowie die Handwerke für den gewerblichen Bedarf spürten die Preissteigerungen besonders deutlich. Bäcker haben beispielweise auf Grund von Lieferengpässen und hohem energetischen Herstellungsaufwand Produkte aus dem Sortiment genommen. Für Bauunternehmen entwickelt sich die Materialbeschaffung zu einer Herkulesaufgabe hinsichtlich Preises und Verfügbarkeit. Baustellen verzögern sich weiter.
Personal
Die Handwerksbetriebe pflegen ihr Personal und halten an Mitarbeitenden und Fachkräften fest. Dennoch zeigt sich der weiter verschärfende Fachkräftemangel deutlich: Vier Prozent mehr der befragten Betriebe verloren zum Vorjahr Mitarbeitende und konnte die Lücke bis jetzt nicht schließen.
Investitionen
Die Investitionsneigung der Betriebe ist weiterhin zurückhaltend. 16 Prozent der Betriebe investierten weiter, allerdings fuhren auch 29 Prozent der Betriebe die Investitionen zurück. Besonders zurückhaltend sind die Handwerksbetriebe des gewerblichen Bedarfs, während die Betriebe des Kraftfahrzeuggewerbes immerhin die Investitionen auf gleichem Niveau weiterführen.
Aussichten und Erwartungen
Trotz bestandenem Corona-Stresstest haben sich die Geschäftserwartungen in allen Gewerken deutlich eingetrübt. Während im Frühjahr 2021 lediglich 13 Prozent der Betriebe pessimistischer in die Zukunft blickten, ist dieser Anteil in der aktuellen Umfrage auf 20 Prozent gestiegen. Faktisch fast jeder Betrieb rechnet mit weiter steigenden Einkaufspreisen, was sich auch bei mehr als dreiviertel der Betriebe auf die Verkaufspreise auswirken wird und die Stimmung insgesamt weiter trübt. Mit Sorge werden die Auswirkungen des Ukraine-Krieges betrachtet. Das neue Tempo bei der Energiewende birgt aber auch neue Potentiale für die Betriebe und wird die Anfragen weiter erhöhen, aber auch die Fachkräftesuche für die Umsetzung verschärfen!
Dennoch gehen 86 Prozent der Betriebe von steigenden oder gleichbleibenden Auftragseingängen aus. 40 Prozent der Betriebe rechnen sogar mit weiter steigenden Umsätzen (Frühjahr 2021: 32 Prozent).
Entwicklungshemmnisse für das Handwerk bleiben der Fachkräftemangel, auch beflügelt durch den demografischen Wandel und dem damit verbundenen Renteneintritt der sogenannten Babyboomer, und Nachwuchssorgen, die anhaltenden Kostenexplosionen und Lieferengpässe bei Material und Rohstoffen sowie die inflationsbedingten Kostensteigerungen.
Von Optimismus getragen sind die Erwartungen bei den personennahen Dienstleistungen, die durch die staatlichen Corona-Eindämmungsmaßnahmen besonders betroffen waren. Hier rechnen 45 Prozent der Betriebe mit einer besseren Geschäftslage. Auch im Bauhauptwerbe ist der Blick in die Zukunft noch von Zuversicht geprägt.
Robert Wüst, Präsident Handwerkskammer Brandenburg resümiert: „Trotz besserer Konjunkturdaten und steigenden Ausbildungszahlen bleiben die Herausforderungen für das westbrandenburgische Handwerk riesig. Viele Betriebe kämpfen mit hohen Energiepreisen, gestörten Lieferketten und Materialpreissteigerungen. Das Risiko von Preissteigerungen allein bei den Betrieben abzuladen ist nicht fair. Während Privatkunden mitunter Preisgleitklauseln akzeptieren, wälzen öffentliche Auftraggeber das finanzielle Risiko auf die Betriebe ab. Das dreimonatige Bekenntnis, bis Juni 2022 solche zu akzeptieren, ist keine ausreichende Reaktion auf die explodierende Kostensituation. Damit droht der Investitionsstau bei öffentlichen Vorhaben weiter zu wachsen, denn unseren Betrieben können wir nur abraten, solche Risiken einzugehen. Fakt ist auch, dass die finanziellen Mittel der Kunden endlich sind und mit steigenden Preisen die Projektumsetzungen gefährdet sind.“