Robert Wüst, Präsident der Handwerkskammer Potsdam, äußert zu den Konjunkturergebnissen: „Unsere Betriebe kämpfen mit sinkenden Auftragseingängen und Umsatzeinbußen. Das Handwerk benötigt dringend Investitionsanreize und Planungssicherheit, um neuen Schwung zu erhalten und aus der Stagnation zu kommen. Insbesondere der Neubau gerät aufgrund hoher Zinsen und steigender Baukosten immer weiter unter Druck. Glücklicherweise spiegeln sich diese negativen Zahlen bisher noch nicht in einem stärkeren Anstieg der Arbeitslosenzahlen im Baugewerbe wider. Doch die Aussichten sind düster. Die Mehrheit der Bauunternehmen erwartet auch in den kommenden Wochen rückläufige Auftrags- und Umsatzzahlen. In Anbetracht dessen muss die Politik konsequent den beim Wohnungsbaugipfel im September 2023 erarbeiteten Vierzehnpunkteplan umsetzen. Die Einführung der fünfprozentigen degressiven Abschreibung (AfA) war ein wichtiger erster Schritt. Weitere Maßnahmen sind erforderlich, um die Wohnungsbaukrise weiter zu entschärfen. Dazu gehören vor allem beschleunigte Genehmigungen und Umsetzung von Bauprojekten. Unsere Handwerksbetriebe benötigen Entlastungen, insbesondere bei der Bürokratie. Die brandenburgische Wirtschaft hat bereits Vorschläge hierzu gemacht. Zudem bleiben Fachkräftesicherung und die Bezahlbarkeit von Energie wichtige Themen.“
Bewertung der Geschäftslage auf 10-Jahrestief
Der Geschäftsklimaindex (GKI), der neben den Einschätzungen der aktuellen Geschäftslage auch die Erwartungen an die Zukunft beinhaltet, liegt aktuell nur noch bei 108 Punkten, und ist damit noch einmal um 12 Punkte unter das Niveau vom Frühjahr 2023 gesunken. Das Absinken des GKI ist gleichermaßen beeinflusst durch schwächere Bewertungen bei der Geschäftslage und den Geschäftserwartungen.
Die aktuelle Geschäftslage wird im Durchschnitt nur noch von 79,7 Prozent der Betriebe als gut oder zumindest befriedigend eingeschätzt. Das ist der schlechteste Wert der letzten 10 Jahre und mehr als sieben Prozentpunkte weniger als im Vorjahr (86,8 Prozent). Besonders rückläufig sind die Bewertungen der Betriebe aus dem Ausbaugewerbe (-10,1 Prozent), im Kraftfahrzeuggewerbe (-9,3 Prozent) und im Nahrungsmittelgewerbe (-7,1 Prozent). In keiner Branche gab es eine Verbesserung bei der Bewertung.
Noch gute Betriebsauslastung, aber Auftragsbücher leeren sich
Auch die Auftragslage hat sich im ersten Quartal 2024 negativ entwickelt. 13 Prozent der Betriebe berichten von gestiegenen, 28 Prozent hingegen von gesunkenen Auftragseingängen. Dennoch ergibt sich noch ein durchschnittlicher Auftragsvorlauf von 10,8 Wochen, der sich gegenüber dem letzten Frühjahr (20,1 Wochen) jedoch fast halbiert hat. Die Betriebsauslastung ist mit durchschnittlich 85 Prozent etwas geringer als im Vorjahr (87 Prozent), bleibt aber auf hohem Niveau.
Entsprechend zur Auftragslage entwickeln sich die Umsätze im westbrandenburgischen Handwerk negativ. 21 Prozent der Betriebe geben an, höhere Umsätze erzielt zu haben. 33 Prozent berichten hingegen von Umsatzrückgängen. Besonders rückläufig ist die Umsatzentwicklung im Bauhauptgewerbe (Saldo -34 Prozent) und in den Gewerben für den gewerblichen Bedarf (Saldo -19 Prozent).
Die rückläufige Inflation hat entsprechende Auswirkungen auf die Preissituation im Handwerk. Durchschnittlich 62 Prozent der Betriebe berichten von gestiegenen Einkaufspreisen bei Material und Versorgung. Die Betriebe im Kraftfahrzeuggewerbe und bei den personenbezogenen Dienstleistungen sind am stärksten von Teuerungen betroffen. Im Bauhandwerk (-19 Prozent) und im Ausbaugewerbe (-12 Prozent) hat sich im Vorjahresvergleich der Preisauftrieb hingegen etwas abgeschwächt.
Aufgrund der schwierigen Geschäftslage hat sich auch die Investitionsneigung der Betriebe trotz des ohnehin schon niedrigen Vorjahresniveaus weiter abgeschwächt. Aktuell berichten nur noch 14 Prozent der Betriebe von gestiegenen; aber deutlich mehr als ein Drittel (41 Prozent) von gesunkenen Investitionen.
Personalsituation bleibt angespannt
Angesichts des Fachkräftemangels bleiben Personalgewinnung und -bindung große Herausforderungen für die Betriebe. Vor dem Hintergrund des hohen Fachkräftebedarfs ist es bedenklich, dass die Beschäftigtenentwicklung weiter negativ verläuft. 11 Prozent der Betriebe berichten von mehr Personal, 16 Prozent der Betriebe jedoch von einem Rückgang bei der Beschäftigung. Besonders negativ verläuft die Personalentwicklung im Bauhauptgewerbe (Saldo -13 Prozent), den Handwerken für den gewerblichen Bedarf (Saldo -12 Prozent) und den personenbezogenen Dienstleistungen (-8 Prozent). Positiv ist die Personalentwicklung hingegen in den Nahrungsmittelgewerben (Saldo +8) und im Ausbaugewerbe (Saldo +2 Prozent).
Pessimistische Zukunftserwartungen
Trotz der ohnehin schon negativen Lageeinschätzungen haben sich die Geschäftserwartungen gegenüber dem Frühjahr letzten Jahres weiter eingetrübt. Nur noch 8 Prozent (-13 Prozent) der Betriebe erwarten in den kommenden Wochen eine bessere Geschäftslage; 14 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung. Besonders verhalten sind die Erwartungen in den Gesundheitshandwerken (Saldo -14 Prozent), in den Handwerken für den gewerblichen Bedarf (Saldo -12 Prozent) und im Ausbaugewerbe (Saldo -10 Prozent). Optimistisch sind lediglich die Nahrungsmittelgewerbe (Saldo +27 Prozent).
Auch beim Auftragseingang besteht eine negative Erwartungslage. 20 Prozent der Betriebe rechnen in den kommenden Wochen mit einer besseren Auftragslage; 21 Prozent befürchtet einen Rückgang. Mit einer weiter nachlassenden Nachfrage wird insbesondere am Bau gerechnet, in den Gewerben für den gewerblichen Bedarf (Saldo -6 Prozent), in den Ausbaugewerben (Saldo -6) und im Bauhauptgewerbe (Saldo -2 Prozent).