Die Zahlen verraten, wie zaghaft der weibliche Führungsnachwuchs eine Betriebsübername erwägt: Nur 2386 Frauen in Baden-Württemberg entschlossen sich laut Statistischem Landesamt im vergangenen Jahr tatsächlich, in die Fußstapfen eines ruhestandsgeneigten Unternehmers zu treten. Zum Vergleich: Etwa doppelt so viele männliche Kollegen entschieden sich für einen bereits vorhandenen Betrieb. "Wir wollen, dass noch mehr Frauen in der Übernahme ihre berufliche Chance sehen", darauf weist Franz Falk, Geschäftsführer bei der Stuttgarter Handwerkskammer für den Bereich Management und Technik im Vorfeld des Aktiontags hin.
Auch wenn die Frauen bedachter an die Selbstständigkeit herangehen, kann sich die Zahl schon sehen lassen: Landesweit waren Ende 2008 immerhin 24.323 Frauen beruflich selbstständig. Im Handwerk sind dabei die Bereiche Friseur und Kosmetik begehrte Betätigungsfelder. "Einen Handwerksbetrieb zu führen bedeutet, sich um alles zu kümmern und oft mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Darin haben Frauen zweifellos einen Vorteil gegenüber Männern", sagt Franz Falk. Auch können sie häufig besser verkaufen, weil sie feinfühliger auf ihre Gesprächspartner eingehen und dadurch leichter Zugang zu den Kunden finden. Im Verkaufsgespräch geht es nicht nur um Fakten und Technik, sondern auch um Emotionen - und das könne durch weibliches Taktgefühl gekonnter vermittelt werden.
Oftmals wird es der Doppelbelastung von Beruf und Familie, einem verstärkten Bedürfnis nach Existenzsicherheit sowie der Ungleichbehandlung bei der Kreditvergabe zugeschrieben, dass sich Frauen generell mehr scheuen, ihre eigene Chefin zu werden. Dass die Selbstständigkeit auch mit Kindern und in einem männerdominierten Zweig des Handwerks gelingen kann, zeigt das Beispiel zweier Schwestern aus Kohlberg im Landkreis Esslingen, die nach dem Tod ihrer Eltern den elterlichen Stuckateurbetrieb aussichtsreich fortführen. Ihr Erfolgsrezept? Viel Elan und ein kompetenter Wissensmix, über den sie als Stuckateurmeisterin und Betriebswirtin verfügen. Vor allem ihre gute Zusammenarbeit hat Christina und Petra Besemer geholfen, ihren eigenen Weg zu finden und das Leistungsangebot des Betriebes, der sich auf Ausbau- und Fassadenarbeiten spezialisiert hat, immer wieder flexibel auf veränderte Bedingungen anzupassen.
"Es vergeht kein Jahr ohne Veränderungen. Wichtig ist, dass wir mit der Zeit gehen und nicht stehen bleiben", erklärt Petra Besemer. Ihre Schwester fügt hinzu: "Vielleicht ist diese Bereitschaft sogar ein Vorteil der Frauen, wenn sie übernehmen. Meine Kollegen von der Meisterschule haben zwar die Nachfolge im elterlichen Betrieb angetreten, aber keine gravierenden Veränderungen vorgenommen." Frauen können im Handwerk problemlos als Chefinnen erfolgreich sein, da sind sich die Schwestern sicher. "Aber sie dürfen keine Berührungsängste haben, müssen aufgeschlossen gegenüber Kunden, Mitarbeitern und Kollegen aus den anderen Gewerken sowie technisch interessiert sein und natürlich Spaß am handwerklichen Beruf haben."
Geht man davon aus, dass ein Drittel der Betriebsinhaber im Handwerk in der Region Stuttgart älter als 55 Jahre ist, stehen alleine hier in den nächsten Jahren 10.000 Betriebe zur Übernahme an. Nicht alle Unternehmer haben Nachfolger aus der eigenen Familie. Findet sich kein qualifizierter Junior, steht das Unternehmen zum Verkauf an oder wird still gelegt, was mit dem Verlust von Arbeitsplätzen einhergeht. Übergabeexperte Franz Falk: "Damit letzteres zur Ausnahme wird, braucht die Wirtschaft den weiblichen Gründungselan."
Über den Aktionstag hinaus informiert die Handwerkskammer Region Stuttgart mit dem Starter-Center und dem Beratungsservice für Betriebsnachfolger und -übergeber. Die betriebswirtschaftliche Beratung umfasst die Analyse und Bewertung des Betriebes, Unterstützung beim Erstellen eines Geschäftsplans, Tipps für die Finanzierung sowie das Klären von Rechtsfragen.