Für die Berichterstattung im Rahmen des Evangelischen Kirchentags in Stuttgart vom 3. bis 7. Juni 2015 sind hier zahlreiche Ideen und Themen für Geschichten dargestellt.
Himmlische Töne stammen vom Handwerker
Der Neubau von Orgeln, meist aber die Renovierung der kostbaren Stücke, ist die Aufgabe der Orgel- und Harmoniumbauer. 13 dieser Spezialbetriebe zählt die Region Stuttgart. So auch die Firma Orgelbau Lenter GmbH in Großsachsenheim im Landkreis Ludwigsburg. Weil die Orgel in der Kirche St. Elisabeth im Stuttgarter Westen nicht in allen Bereichen überzeugt hat, wurde sie instandgesetzt und die Funktionalität und Klangfarbe optimiert. "Bei einem großartigen Orgelkonzert letzten November konnten wir der Stuttgarter Elisabeth-Gemeinde wieder ein Stück Orgelgeschichte übergeben, welches für die kommenden Jahrzehnte seinen Dienst erfüllen kann", erzählt Markus Lenter, Geschäftsführer des Unternehmens. Aktuell wird an einer neuen Orgel für die evangelische Lutherkirche in Fellbach gearbeitet. Mit der sogenannten Walcker-Technik wurde die Orgel hinter der historischen Fassade betrieben. Aktuell läuft die Demontage.
Apropos Walcker: Auszubildende und Meisterschüler aus dem In-und Ausland zieht es in die Barockstadt Ludwigsburg, um die hohe Kunst des Instrumentenbaus zu erlernen und zu vertiefen. Dort sitzt die Oscar-Walcker-Schule, seit 1933 Bundesfachschule für das Orgel- und Harmoniumbauer-Handwerk sowie das Klavier- und Cembalobauer-Handwerk.
Basalt und Sandstein
Fast für die Ewigkeit arbeiten die Steinmetze und Steinbildhauer, von denen es 175 Betriebe in der Region gibt. Auch der Meisterbetrieb von Gustav Treulieb in Stuttgart gehört dazu. Für die Georgskirche in Stuttgart wurde eine Altaranlage aus Basalt hergestellt. Drei Monate arbeiteten die Gesellen und Meister an dem Kunststück, das aus einem Künstlerwettbewerb hervorging. Ganz auf die Instandsetzung baut die Firma Schönfeld in Stuttgart. Der Spezialbetrieb hat die Leonhardskirche in der Landeshauptstadt von fünf Jahren mit neuem Maulbronner Sandstein herausgeputzt. Viele Eckquader, Fensterbänke und Pfeilerabdeckungen an dem denkmalgeschützten Objekt wurden vorbildlich saniert und für die Ewigkeit vorbereitet.
Beliebt ist die Ausbildung zum Steinmetz und Steinbildhauer. 34 junge Männer und Frauen durchlaufen derzeit in einem der Meisterbetriebe in der Stuttgarter Region die dreijährige Lehre.
Seelen aus Bäckerhand
Das Motto "Brot backen und teilen" steht im Mittelpunkt der Aktion des Bäcker-Handwerks. Zwei Mitarbeiter der Bäckerfachschule in Stuttgart wollen bei einer Backdemonstration in einer gläsernen Backstube auf dem Cannstatter Wasen Seelen und Brezeln zusammen mit den Kirchentagsbesuchern backen. "Wir sind nicht der offizielle Versorger der vielen Teilnehmer, es ist uns aber ein Anliegen zu zeigen, wie Brot hergestellt wird und dass eigentlich genug da ist, wenn man es sinnvoll teilt", erklärt Andreas Kofler, Geschäftsführer der Landesinnungsverband für das Württembergische Bäckerhandwerk. Gar auf eine theologische Ausbildung zurückgreifen kann der Geschäftsführerkollege der Stuttgarter Bäckerinnung. Frank Sautter ist ausgebildeter Pfarrer und hat seine berufliche Heimat als Chef der Bäckerinnung gefunden.
Kirchentagsbrötchen in Kirchentagstüten
Ein Roggenbrötchen mit Saaten wird das offizielle Kirchentagsbrötchen 2015. Das Rezept, das einige Stuttgarter Bäckereien aufgreifen, stammt von der Württembergischen Bäckerfachschule in Stuttgart. Damit werden die 100.000 erwarteten Besucher bei Kräften bleiben. Verpackt werden die handwerklich hergestellten Produkte in "Kirchentagstüten" mit dem Aufdruck eines Psalms und dem Kirchentagsmotto "Damit wir klug werden".
Wellness für die Familienbibel
37 Buchbinder in der Region Stuttgart kümmern sich auf Wunsch gerne um die vielen wertvollen Familienbibeln. Durch die stete Benutzung sind sie häufig abgegriffen, brechen am Bund oder gehen an anderen Schwachstellen kaputt. Buchbindermeister Frank Siegle aus Stuttgart weiß, was zu tun ist: "Wir ersetzen den Einband durch hochwertiges Leder oder Bibliotheksleinen und machen wieder ein Kunstwerk aus der Bibel." Das Einprägen eines goldenen Kreuzes oder des Familienwappens kann problemlos von den Spezialisten vorgenommen werden. "Die Renovierung einer großformatigen Bibel kann dann schon mal weit über 1000 Euro kosten." Auch die Kirchen zählten zu den Kunden der Buchbinder. Hochwertige Archivbestände oder Zeitschriften werden zum Binden in Auftrag gegeben. "Zu einer Ausnahme gehört mittlerweile das Bearbeiten alter Kirchenregister oder Taufbücher", bedauert Siegle.
Übrigens: Das Buchbinder-Colleg kümmert sich um die Weiterbildung und um die Qualifizierung zum Meister. Der Meisterkurs, der in der Bildungsakademie der Handwerkskammer Region Stuttgart stattfindet, dauert 13 Kurswochen und beinhaltet unter anderem den "Gestalteten Franzband 1/1-Leder mit Goldschnitt und Handvergoldung" sowie den Pergamentband. Materialkunde; Maschinenkunde, Druckverfahren, Stilkunde und Fachgeschichte gehören ebenfalls zum Lehrstoff.
Teufel zu Gast beim Handwerkergottesdienst
Kirche und Wirtschaft - in welchem Zusammenhang stehen diese beiden Bereiche eigentlich? Um diese Frage geht es beim ökumenischen Handwerkergottesdienst am 6. Juni um 14 Uhr in der Handwerkskammer Region Stuttgart. Im Rahmen des Deutschen Evangelischen Kirchentages kommen Experten aus Politik, Handwerk und Kirche in der Kammer zusammen. Allen voran wird der baden-württembergische Ministerpräsident a.D. Erwin Teufel in einem Impulsvortrag den Zusammenhang zwischen Kirche und Wirtschaft thematisieren. Als Ehrenhandwerksmeister des baden-württembergischen Handwerkstages sowie langjähriges Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist ihm dieses Spannungsfeld vertraut. Der Landeskirchenbeauftragte für Handwerk und Kirche in Württemberg, Pfarrer Martin Schwarz, moderiert anschließend eine Diskussionsrunde mit Erwin Teufel, dem evangelischen Stadtdekan a. D. Hans-Peter Ehrlich, Walter Humm, Diözesanpräses des Kolpingwerks und einem Handwerksunternehmer.
Musikalisches Handwerk - christliches Engagement
Wir sind Handwerker, wir können das. - Ganz nach diesem Motto wird der Handwerkergottesdienst auch musikalisch gestaltet. Über 20 Handwerker haben sich auf Initiative der Handwerkskammer eigens für den Kirchentag zu einem Handwerkerbläserchor formiert. Seit einigen Wochen proben unter anderem Bäcker, Dachdecker, Fliesenleger und Zimmerer gemeinsam für den großen Auftritt. "Schon jetzt haben mir viele gesagt, dass sie auch nach dem Kirchentag weitermachen möchten", berichtet Volker Süssmuth, der den Bläserchor von Seiten der Kammer betreut und auch selbst mitspielt. Beim Empfang der Gottesdienst-Besucher am 6. Juni um 14 Uhr wird das Ensemble zum ersten Mal zu hören sein.
Drei Hähne für Zuffenhausen
Der Handwerkerbläserchor ist aber nicht die einzige Gelegenheit, bei der die Mitwirkenden Handwerksberuf und Kirche zusammen bringen. Posaunist und Flaschner Martin Schaaf aus Stuttgart ist als Handwerker im Bauausschuss des Gemeinderats in Zuffenhausen aktiv. Besonders stolz ist er auf die drei Hähne der Paulus-, der Johannes- und der Michaelskirche, die er im eigenen Betrieb sanieren durfte und die nun die Zuffenhausener Kirchenskyline prägen.
Steinerne Stufen in die Welt der Bibel
Das neue Stuttgarter Bibelmuseum "bibliorama" in der Büchsenstraße macht die Texte und Aussagen in der Bibel auch für die Menschen in unserer heutigen Welt erreichbar. Fliesenlegermeister und Trompeter Martin Bauer aus Wolfschlugen hat im buchstäblichen Sinne dazu beigetragen: die neue Außentreppe des Gebäudes stammt aus seinen Händen. Fünf neue Stufen führen nun hinauf zum Bibelmuseum und dem CVJM-Haus. Pfarrerin Karina Beck freut sich, dass das Museum pünktlich zum Kirchentag fertig wurde: "Während der nächsten Tage wird der 1000. Besucher über die neue Treppe schreiten - und das nach drei Wochen Bibelmuseum!"
Meisterstück Hospitalkirche
Die Hospitalkirche in der Stuttgarter Innenstadt blickt auf eine über 500jährige Geschichte zurück. Im Zweiten Weltkrieg bis auf den Chorraum zerstört, wurde sie in den 1950er Jahren wieder aufgebaut und steht seitdem in einem Umfeld, in dem sich viel getan hat: der Hospitalhof wurde zwischen 2012 und 2014 neu errichtet und ist ein modernes Zentrum für Erwachsenenbildung, Kunst, Kultur und Spiritualität. Nun soll auch die Kirche durch längst notwendige Sanierungen zu einer flexiblen und einladenden Begegnungsstätte werden. 2,4 Mio. Euro sind für das Vorhaben veranschlagt, 600.000 Euro sollen aus Spenden generiert werden. Thilo Mrutzek, Architekt bei der Bau- und Liegenschaftsabteilung der evangelischen Kirchenpflege Stuttgart, koordiniert das Projekt und weiß, welche Arbeiten ab Oktober anstehen: "Wir tragen die komplette Westempore ab, es werden neue Sanitär-Anlagen und eine Fußbodenheizung eingebaut. Danach muss der Boden neu gelegt werden und der komplette Innenraum wird renoviert. Die Bänke sollen durch eine flexible Bestuhlung ersetzt werden. Außerdem planen wir für den Eingang der Kirche einen gläsernen Windfang." Eine Menge Arbeit für eine Menge Gewerke, Thilo Mrutzek steht in ständigem Kontakt zu Handwerkern und zählt auf: "Wir brauchen also Maurer, Steinmetze, Zimmerer, Stuckateure, Schreiner, Fliesenleger, Elektroniker, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs-, und Klimatechnik, Maler, Glaser und Metallbauer. Mindestens." Viele dieser Arbeiten müssen zudem den Vorgaben des Denkmalamtes entsprechen, "Da kann man nicht einfach jeden Putz verwenden, der muss dann eigens von Hand angerührt werden und dafür brauchen wir kompetente Handwerker", erklärt der Architekt. Wenn die Kirche fertig ist, soll es auch einen neuen Altar und ein neues Taufbecken geben. Damit hat Mrutzek schon Erfahrung: "In der Matthäuskirche in Heslach haben wir einen sehr individuellen beweglichen Altar, den ein Schreiner für uns angefertigt hat. Das war wirklich höhere Handwerkskunst."
Begleiter auf dem letzten Weg
"Der Beruf des Bestatters hat eine enge Verbundenheit zur Kirche. Wahrscheinlich mehr als in jedem anderen Handwerk", sagt Mark Ramsaier von Ramsaier Bestattungen in Stuttgart Vaihingen. Ein "geglückter" Abschied könne nur erfolgen, wenn die Zusammenarbeit zwischen Bestatter und Kirche gelingt. Wo aber früher der Pfarrer im Trauerfall der erste Ansprechpartner der Hinterbliebenen war, sei dies heute häufig der Bestatter, berichtet Ramsaier. Hier müssten er und seine Kollegen den Spagat zwischen einem "Eventmanager" und einem Trauerbegleiter schaffen. Dabei kommen die Fachkräfte oft mit dem Glauben in Berührung, jedoch längst nicht mehr nur mit dem christlichen: "Als einer von wenigen deutschen Bestattern haben wir einen Schlüssel zu einer Moschee und führen jährlich rund 50 muslimische Bestattungen durch. Hinduistische und buddhistische Trauerfeiern sind in unserer Feierhalle auch nichts mehr Besonderes", erklärt der Bestatter. Durch den ständigen Dialog mit den Glaubensgemeinschaften erhalte man immer wieder einen neuen Blickwinkel auf den Umgang mit dem Tod.
Die Bestattungsfachkraft ist seit 2003 ein Ausbildungsberuf im Handwerk. Sie organisiert Beisetzungen und Trauerfeiern und kümmert sich um die nötigen Formalitäten. Bestatter betreuen aber auch die Hinterbliebenen während der Trauerzeit, darum sei eine fundierte Ausbildung sehr wichtig, beurteilt Mark Ramsaier. In dem Betrieb in Stuttgart-Vaihingen werden aktuell zwei Bestatter ausgebildet. An Bewerbungen mangele es nicht, besonders junge Frauen interessierten sich für den Beruf. In der Region Stuttgart gibt es im Bestattungsgewerbe derzeit 101 Betriebe, 5 Lehrlinge werden zur Bestattungsfachkraft ausgebildet.