„Das Gesetz wirkt“, bilanziert Anette Groschupp, zuständige Beraterin bei der Handwerkskammer. Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen verbessere die Lebenslagen der Antragsteller maßgeblich, weil die Chancen mit einem Anerkennungsbescheid auf dem Arbeitsmarkt steigen. Auch der Vorteil für die Betriebe liege auf der Hand. Wegen des hohen Bedarfs an qualifizierten Mitarbeitern im Handwerk seien Fachkräfte mit im Ausland erworbenen Zeugnissen eine interessante Arbeitnehmergruppe. „Das ist eine Möglichkeit, um dem Personalmangel zu begegnen.“
Seit 2012 haben Personen mit einem ausländischen Berufsabschluss durch das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz Anspruch auf Prüfung der Gleichwertigkeit ihrer Qualifikationen mit einem deutschen Abschluss. Das Prüfen der Anträge beinhaltet einen Vergleich der Ausbildungsinhalte. Zusätzlich werden auch Weiterqualifizierungen sowie Berufserfahrung berücksichtigt. Groschupp: „Anhand von Lehrplänen und Ausbildungsordnungen versuchen wir, so korrekt wie möglich zu bewerten. Wenn Berufsqualifikationen nicht durch Unterlagen nachgewiesen werden können, kann der praktische Nachweis der beruflichen Kompetenzen, etwa durch eine Arbeitsprobe oder ein Fachgespräch, erbracht werden.
Die Antragsteller kommen vorwiegend aus Bosnien und Herzegowina (13 %), der Türkei (12%), Griechenland (9%), Serbien (7%), Kroatien (6%), Polen, Rumänien und Italien (jeweils 5%). Die Anträge aus den Flüchtlingsländern sind noch gering – Tendenz steigend. 21 Fälle aus Syrien und 13 aus dem Iran wurden jüngst geprüft. Beraterin Anette Groschupp betont, dass es in diesen Ländern ein kaum vergleichbares Ausbildungssystem gibt. „Die Schwierigkeit besteht darin, dass dort in der Regel direkt im Betrieb der Handwerksberuf direkt und ohne staatlichen Abschluss gelernt wird. Die berufliche Anerkennung angestrebt wird vor allem als Elektroniker (34%), Kraftfahrzeugmechatroniker (30%), Friseur (8%), Anlagenmechaniker SHK (5%) und Metallbauer (6%). Bei etwa drei Viertel der Fälle wird eine „volle Gleichwertigkeit“ festgestellt, bei 18 % eine „teilweise Gleichwertigkeit“. 7 % sind „gar nicht gleichwertig“. Im Bundesvergleich liegt Baden-Württemberg im Hinblick auf die Antragszahlen an zweiter Stelle.
Liegt lediglich eine „teilweise Gleichwertigkeit“ vor, hat der Antragsteller die Möglichkeit der Nachqualifizierung. Damit kann er die im Bescheid festgestellten wesentlichen Unterschiede in der Ausbildung ausgleichen. In der Regel sind hierzu je nach Gewerk Weiterbildungskurse oder eine betriebliche Nachschulung in einem Handwerksbetrieb notwendig. „Nicht selten wird er Nachschüler gleich vom Betrieb übernommen“, stellt Groschupp fest.
Das Anerkennungsverfahren ist kostenpflichtig. Über das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist eine Übernahme der Kosten zwischen 100 und 600 Euro bei Vorliegen der Fördervoraussetzungen möglich. Besonderer Netzwerkpartner bei der Bearbeitung von Anträgen aus dem Elektrohandwerk ist das Elektro Technologie Zentrum Stuttgart. Die Lehrmeister unterstützen die Handwerkskammer Region Stuttgart bei der Beurteilung der ausländischen Berufsabschlüssen, führen Fachgespräche durch und informieren über Qualifizierungsmöglichkeiten. Weitere Netzwerkpartner sind die Handwerkskammern in Deutschland, das Welcome Center Stuttgart, die AWO Stuttgart, die Baden-Württemberg Stiftung, das IQ-Netzwerk, das Institut der deutschen Wirtschaft und das Projektbüro Unternehmen Berufsanerkennung. Das „Leitkammersystem“ weist der Stuttgarter Handwerkskammer die Spezialzuständigkeiten für Italien und Australien zu.
Interessierte Unternehmen oder Fachkräfte aus der Region Stuttgart können sich an die Handwerkskammer Region Stuttgart wenden, Tel. 0711 1657-291. Ein Webinar erläutert ebenfalls die Hintergründe und den Ablauf der Anerkennung der ausländischen Zeugnisse. Es findet am 28. Februar 2018 von 11 Uhr bis 12 Uhr statt. Selbstverständlich bleibt auch Zeit für Fragen. Teilnahmevoraussetzung ist ein internetfähiger Computer oder ein mobiles Endgerät. Anmeldelink: https://tinyurl.com/WebinarBerufsanerkennung
Jeweils am ersten und dritten Donnerstag im Monat findet um 10 Uhr in der Handwerkskammer Region Stuttgart eine Erstinformation über das Antragsverfahren und die erforderlichen Dokumente statt. Anmeldungen bei Ajoke de la Cruz, Tel. 0711 1657 206.