Im Gespräch mit Joanna Drake, Direktorin bei der Generaldirektion Unternehmen und Industrie der Europäischen Kommission, sieht sich das Handwerk unterstützt in den Bemühungen, europaweit ein unternehmerfreundlicheres Umfeld zu schaffen. Gerade hierzu sei auch das Enterprise Europe Network, ein europaweites Unterstützernetz, eingerichtet worden. Handwerk International leiste hierbei einen wichtigen Beitrag. Drake betonte, dass es insgesamt mehr Bereitschaft zur Selbstständigkeit geben müsse. "Da sind wir auf einem historischen Tief angelangt." Kammerpräsident Reiner Reichhold bestätigte den Trend und forderte, alle Maßnahmen umzusetzen, um bei einer möglichst großen Zahl von Menschen unternehmerische Initiativen zu wecken. "Was wir brauchen, ist vor allem mehr gesellschaftliche Anerkennung der Selbstständigkeit. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn die Erziehung zur unternehmerischen Initiative unter den jungen Menschen in den Schulen durch Bildungsmaßnahmen intensiver gefördert werden würde." Hier müsse mehr Potential ausgeschöpft werden. Wichtig sei allerdings, dass Selbstständigkeit in engem Zusammenhang mit beruflicher Qualifikation gesehen wird.
Erfreulich sei, so der Eindruck des Vorstands und der Geschäftsführer der Kammer, dass das Thema duale Ausbildung in Brüssel angekommen ist. Über Jahre war Deutschland mit seinem Ausbildungssystem in der defensiven Position. Reichhold: "Jetzt wurde offensichtlich der enge Zusammenhang zwischen Ausbildung und Jugendarbeitslosigkeit erkannt." Die im deutschen Handwerk vermittelte qualifizierte Aus- und Weiterbildung findet auch im Europäischen Qualifikationsrahmen ihren Niederschlag. "Die Fertigkeiten unserer Gesellen und Meister werden zwischenzeitlich realistischer betrachtet und eingeordnet. Nach wie vor gelte das Prinzip der Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung."
Mit Kritik reagierten die Vertreter des Handwerks auf Vorschläge, die zu einer Verkomplizierung des öffentlichen Vergaberechts führen würden. Wachsenden Barrieren für Mittelständler wären das Resultat, insbesondere im Hinblick auf eine Überlastung der Verordnung mit sogenannten vergabefremden Aspekten wie der Lebenszykluskostenrechnung. Vorrangiges Ziel sei, so Kammerpräsident Rainer Reichhold, eine effiziente Beschaffung und eine transparente und benachteiligungsfreie Vergabe von Aufträgen an fachkundige Unternehmen zu sichern. "Deshalb müssen wir eine mittelstandsgerechte Ausgestaltung des Vergaberechts erreichen, die die generelle Ausdehnung der Zulässigkeit von Verhandlungsverfahren ausschließt." Hier sieht das Handwerk die Gefahr der strukturellen Benachteiligung kleinerer Anbieter. Begrüßenswert sei der Vorschlag, das Thema Verfahrensarten in das Ermessen der Mitgliedsstaaten zu legen.