Knapp ein Viertel der Betriebe aus Industrie, Handel und Dienstleistung befürchtet, dass der Mangel an Fachkräften sich bereits in den kommenden zwölf Monaten zu einem Geschäftsrisiko entwickeln wird. Langfristig rechnet über die Hälfte mit einem Fachkräftemangel als Folge der demografischen Entwicklung. Am schwerwiegendsten schätzen die Unternehmen den drohenden Personalmangel bei den technischen Fachkräften ein. Das ergab eine Umfrage unter rund tausend Mitgliedsbetrieben der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart im September 2010.
Bei einer Online-Befragung der Handwerksbetriebe in der Region gab rund die Hälfte der teilnehmenden Betriebe an, eine oder mehrere Lehrstellen nicht besetzen zu können. Besonderes Augenmerk legt Handwerkskammer-Präsident Reichhold im Kampf gegen den Fachkräftemangel deshalb auf die Ausbildung: "Angesichts der knappen Ausbildungsressourcen muss es unser Ziel sein, dass jeder, der eine Lehre beginnt, sie auch erfolgreich beendet."
Um dieses Ziel zu erreichen, unterstützen Handwerkskammer und IHK ihre Mitgliedsunternehmen erfolgreich zum Beispiel durch die Anbahnung von Bildungspartnerschaften zwischen Schule und Wirtschaft zur besseren Berufsorientierung der Schüler. Praktika zur betrieblichen Einstiegsqualifizierung vereinfachen leistungsschwächeren Jugendlichen den Einstieg in eine Berufsausbildung. Auch in der Weiterbildung ziehen die Kammern an einem Strang und fordern von Hochschulen und Fachhochschulen eine deutliche Ausweitung des Studienangebots für Berufstätige.
Die Wirtschaftskammern beschränken sich mit ihren Bemühungen nicht allein auf die Aus- und Weiterbildung. Sie setzen sich auch für eine erweiterte Beschäftigung älterer Arbeitnehmer, die vermehrte Einstellung weiblicher Fachkräfte und familienfreundliche Arbeitszeitsysteme ein. "Außerdem müssen sich die Bedingungen für die Zuwanderung stärker am Fachkräftebedarf orientieren", forderte IHK-Präsident Dr. Müller. Die Erteilung unbefristeter Niederlassungserlaubnisse könnte sich ähnlich wie in Kanada oder Australien an Qualifikation, Berufserfahrung und Sprachkenntnissen orientieren, so der IHK-Präsident. Auch eine Senkung der Einkommensgrenzen für qualifizierte Zuwanderer, die Abschaffung der Vorrangprüfung und eine Vereinheitlichung der Anerkennung ausländischer Abschlüsse würden den Zuzug von Fachkräften aus dem Nicht-EU-Ausland erleichtern.
Der gemeinsame Einsatz von IHK und Handwerkkammer gegen den Fachkräftemangel trägt bereits erste Früchte. Fast 27 Prozent der neuen Auszubildenden im Handwerk seien mittlerweile weiblich, bei den erfolgreichen Absolventen der Meisterprüfung sei es jeder fünfte. Die Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung in der Region Stuttgart punkten mit der höchsten Beschäftigungsquote bei den 50- bis 65-jährigen in allen deutschen Großstadtregionen; jeder dritte Betrieb möchte die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer noch ausweiten. Beide Wirtschaftskammern konnten die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Vergleich zum vergangenen Jahr steigern.