Die Azubis in den Werkstätten der Bildungsakademie in Stuttgart Weilimdorf staunten nicht schlecht, als sich eine Gruppe von 24 Menschen durch die Räume schlängelte. Das Interesse der indischen Delegation um Deepak Kesarkar, Bildungsminister von Maharashtra, an den Ausbildungswegen in Deutschland war groß. Kammerchef Peter Friedrich, Handwerk BW- Vizepräsident Thomas Bürkle und Geschäftsführer Berufliche Bildung Jan Deike konnten in jeder Werkstatt einen kurzen Einblick geben, wie dort die Handwerks-Azubis überbetrieblich ausgebildet werden. Dabei konnten auch einige Ähnlichkeiten zu den Schulen in Indien erkannt werden.
Während in Deutschland die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und zu wenige junge Arbeitskräfte nachrücken, hat Indien genau das umgekehrte Problem: Dort liegt die Jugendarbeitslosigkeit des Landes laut der Internationalen Arbeitsorganisation bei rund 21%. Im Februar 2024 hat die Landesregierung Baden-Württemberg daher ein Abkommen mit dem indischen Bundesstaat Maharashtra geschlossen, um gezielt Fachkräfte aus Maharashtra zu gewinnen. „Wir können den Fachkräftemangel im Handwerk nicht ohne Zuwanderung lösen und Indien ist für uns daher ein spannender Partner. Deshalb ist der direkte Austausch mit der Delegation um Bildungsminister Deepak Kesarkar für beide Seiten sehr wertvoll“, betont Peter Friedrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart.
Gemeinsames Verständnis für Qualifizierung
Welche Qualifizierungen brauchen indische Fachkräfte, damit ihre beruflichen Kompetenzen auch in Deutschland anerkannt werden? Das sei noch nicht ausreichend bekannt, so die indischen Delegationsteilnehmer. Das Abgleichen der Qualifizierung indischer Fachkräfte und Auszubildender mit deutschen Standards sei für das Recruiting ein Hindernis, ein „Flaschenhals“. Der Wunsch ist daher groß, ein gemeinsames Verständnis der Qualifizierung in der Ausbildung aufzubauen, um einheitliche Standards zu etablieren.
Wie man zu dem gemeinsamen Verständnis gelangen könnte, skizziert Peter Friedrich: „Wir möchten das neue Instrument der Anerkennungspartnerschaft nutzen, um in einem Pilotprojekt praktische Erfahrungen zu sammeln und Vorbilder sowohl bei den Fachkräften als auch bei den Beitrieben zu schaffen. Was sind die Gemeinsamkeiten und wo gibt es noch Unterschiede in der Ausbildung in Indien? Das wollen wir genau analysieren und dann Schulungen anbieten.“ Thomas Bürkle, Vizepräsident Handwerk BW und des Zentralverbandes der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH), ergänzt: „Diese Anerkennungspartnerschaften möchten wir zusammen mit großen Elektrobetrieben starten.“
ViFAH-Projekt: Vermittlung indischer Fachkräfte und Azubis ins Handwerk
Bereits im Frühjahr hat die Handwerkskammer Region Stuttgart ein neues Projekt ins Leben gerufen, um Auszubildende und Fachkräfte aus Maharashtra zu rekrutieren: „ViFAH – Vermittlung indischer Fachkräfte und Azubis ins Handwerk“ bietet Handwerksbetrieben die Möglichkeit, für ihre unbesetzten Lehrstellen Auszubildende aus Indien zu gewinnen. Dazu Hauptgeschäftsführer Peter Friedrich: „Die Betriebe im Handwerk brauchen verlässliche Wege im Recruiting und Unterstützung bei der Integration von Mitarbeitenden. Das können wir Ihnen mit diesem Projekt bieten.“ In Kooperation mit einer Agentur werden Ausbildungssuchende in Indien vorqualifiziert. Kernstück ist dabei die Vermittlung von Deutschkenntnissen auf B1-Niveau. So bringen die Teilnehmenden das nötige Sprachlevel mit, um sich im Betrieb und in der Berufsschule gut zu verständigen. Im September 2024 werden die ersten indischen Azubis in der Region Stuttgart ihre Ausbildung zum Metzger starten.
Weiter Informationen zum Projekt ViFAH und den Anerkennungspartnerschaften finden Sie hier: https://www.hwk-stuttgart.de/indien