Hintergrund der Forderung ist ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg, in dem eine Klage der Verbraucherzentrale Hamburg gegen HanseWerk Natur nach einem langjährigen Rechtstreit abgewiesen wurde. Gemäß dem Urteil darf ein Fernwärmenetzbetreiber wie HanseWerk Natur seine Vertragsbedingungen gegenüber den Kunden einseitig anpassen, wenn sich die Rahmenbedingungen bei der Erzeugung und Verteilung der Fernwärme – also beispielsweise der eingesetzte Brennstoff - geändert haben. Hierzu darf er die Kunden auch entsprechend anschreiben - das hat das Oberlandesgericht Hamburg mit Urteil vom 25.04.2024, (Aktenzeichen3 U 192/19, 312 O 577/15 LG Hamburg) festgestellt. Mit diesem Urteil weist das Gericht eine Klage der Verbraucherzentrale gegen HanseWerk Natur in der Berufungsinstanz ab, durch die dem Unternehmen die einseitige Umstellung der Preisanpassungsformeln und entsprechende Informationsschreiben untersagt werden sollten.
„Wir begrüßen dieses Urteil, weil es nach vielen Jahren Klarheit schafft und hilft, die Wärmewende voranzubringen“, betonte Dr. Gerta Gerdes Geschäftsführerin von HanseWerk Natur. Der Grund: Im Rahmen der von der Politik angestrebten Wärmewende werden nach Überzeugung der HanseWerk Natur fast alle Fernwärmeanbieter zwangsläufig umfangreiche Änderungen in ihren Wärmenetzen vornehmen müssen - beispielsweise von Erdgas auf Biogas oder Holzpellets oder Abwärme umstellen. Diese Änderungen erfordern zwangsläufig auch eine Änderung der sogenannten Preisanpassungsformeln, auf deren Grundlage die Endkundenpreise berechnet werden. „Wenn Fernwärmeanbieter diese Anpassungen nicht einseitig vornehmen können, könnten einzelne Kunden, den Umstellungsprozess der Fernwärme auf CO2-freie Erzeugung verhindern – das kann nicht im Sine des Klimaschutzes sein“, betonte Gerta Gerdes.
Weitere Forderungen an den Gesetzgeber zur Verbesserung der AVB FernwärmeV sind:
1 Flexibles Kostenelement
Kommt es zu wesentlichen Veränderungen auf der Kostenseite (+/- 10 %) beim Einsatz der Energieträger, beispielsweise durch steigende Anteile CO2-freier Quellen, muss der Wärmenetzbetreiber eine einseitige Änderung der Preisänderungsklausel für den Arbeitspreis durch öffentliche Bekanntmachung auf der Website vornehmen und so eine veränderte Erzeugungsstruktur ausweisen können.
2 Konkretisiertes Marktelement
Das vom Gesetzgeber geforderte Marktelement in Preisänderungsklauseln für den Arbeitspreis soll die Entwicklungen des Wärmemarkts in den Preisen widerspiegeln. Es ist jedoch in seinem Umfang (Höhe sowie Art und Weise) nicht klar definiert. Dadurch birgt es unkalkulierbare Chancen, aber auch Risiken für die Kunden bzw. den Wärmeversorger.
Für die Ausgestaltung des Marktelements sind daher klare Vorgaben erforderlich:
• welcher Markt (welche Preise oder Indizes)?
• welche Gewichtung?
Ein Aussetzen des Marktelements muss möglich sein, wenn Marktversagen vorliegt wie zuletzt durch den Ukraine-Krieg ausgelöst.
3 Geregelter Umgang mit Umlagen, Abgaben und Steuern
Die Einführung einer zentralen Rechtsgrundlage in der AVBFernwärmeV zur Weitergabe von staatlich veranlassten Kosten, Umlagen, Abgaben, Steuern ist geboten.
4 Vergleichbarkeit ortsindividueller Besonderheiten
Preistransparenzübersicht ist wünschenswert, sie muss aber die besonderen örtlichen Gegebenheiten und die Netzgröße berücksichtigen. Aufgrund der individuellen Struktur der Wärmenetze führt ein pauschaler Vergleich der Preise in die Irre und benachteiligt die Betreiber kleinerer Netze:
• Große Netze in städtischen Ballungsgebieten mit mehreren hundert oder gar tausenden von Kunden und Großabnehmern profitieren von Skaleneffekten, die die Betreiber kleinerer Netze nicht haben.
• Dörfliche Netze mit wenigen Anschlussnehmern und wenig Verbrauch auf langen Leitungsstrecken führen zu hohen Wärmeverlusten und damit automatisch zu höheren Kosten.
• Der Wärmeversorger hat auf die Verdichtung der Wärmeversorgungsnetze kaum Einfluss. So ermöglicht die AVBFernwärmeV die Kündigung des Wärmeliefervertrags, wenn sich der jeweilige Kunde eine eigene Wärmeerzeugungsanlage auf Basis Erneuerbarer Energien installiert.
• Wärmenetze, die mit Müllwärme gespeist werden, haben in der Regel günstigere Einkaufspreise.
5 Unkomplizierte Einführung neuer Preisformeln bei Wärmenetz-Dekarbonisierung
Die einseitige Änderung des bestehenden Preissystems (Verhältnis Arbeits- zu Grundpreis) eines Wärmenetzes muss im Rahmen der Dekarbonisierung möglich sein. Wärmeversorger tätigen hohe Investitionen für klimaschonende neue Technologien.
Damit einher geht eine Verschiebung wesentlicher Kosten in den Grundpreis, während der Arbeitspreis sinkt. Eine generelle Änderung der in einem Wärmenetz geltenden bestehenden Preisanpassungsklauseln muss insgesamt einseitig per öffentlicher Bekanntmachung über die Website des Versorgers möglich sein, um die hohen Investitionskosten der Dekarbonisierung im Basispreis berücksichtigen zu können.
HanseWerk Natur
Die HanseWerk Natur GmbH ist einer der größten regionalen Anbieter für Wärme und dezentrale Energielösungen in Norddeutschland und verfügt über viele Jahrzehnte Erfahrung. Die Nah- und Fernwärmenetze des Unternehmens erreichen eine Länge von rund 850 Kilometern. Über die Wärmenetze, Blockheizkraftwerke, Heizzentralen und Kälteanlagen versorgt HanseWerk Natur mehrere zehntausend Privat- und Gewerbekunden sowie Siedlungen, öffentliche Einrichtungen und Industriebetriebe zuverlässig 365 Tage im Jahr. Darüber hinaus bietet das Unternehmen maßgeschneiderte Energiekonzepte und hochmoderne Anlagentechnik für einen optimierten Energieeinsatz, der die Emissionen senkt und die Umwelt entlastet.
HanseWerk Natur ist einer der größten Betreiber umweltschonender Blockheizkraftwerke in Norddeutschland. Rund 250 Anlagen betreut das Unternehmen in Norddeutschland und beteiligt sich gleichzeitig an vielen Innovationsprojekten. Dazu zählen zum Beispiel Hocheffizienz-Blockheizkraftwerke mit einem Wirkungsgrad weit über 90 Prozent, ein virtuelles Kraftwerk zur Erzeugung von Regelenergie oder das erste Blockheizkraftwerks der 1-Megawatt-Klasse, das mit bis zu 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden kann. HanseWerk Natur wird außerdem bis 2030 klimaneutral sein: In einem mehrstufigen Prozess wird das Unternehmen hierzu Liegenschaften, Fuhrpark und Wärmebetrieb und -erzeugung klimaneutral stellen.