Professor Douglas Smith, Neurochirurg an der Universität von Pennsylvania, will mit im Labor gezüchteten Nervenersatzstücken die Heilung durchtrennter oder stark gequetschter Nerven ermöglichen. Damit die Nervenfasern möglichst schnell wachsen, experimentierte er mit einer Streckapparatur. Mit Erfolg: Durch künstliches Strecken wuchsen die Nervenfasern fast hundertmal schneller, als es nach gängiger Lehrmeinung möglich ist.
In einer Pilotstudie entfernte Smith 40 Ratten ein Stück aus dem Ischiasnerv eines Beins von einem Zentimeter Länge. Für den Brückennerv entnahm er dem Rückenmark sensorische Nervenzellen. Nachdem ein Protein-Cocktail die Nervenzellen dazu angeregt hatte, jeweils einen Fortsatz sprießen zu lassen, wuchsen diese auf die gegenüber platzierten Nervenzellen zu und knüpften Verbindungen mit ihnen. Anschließend zog ein computergesteuerter Motor die Nervenfasern auseinander. Die Streckgeschwindigkeit wurde stetig gesteigert. Am fünften Tag konnten die Forscher die Nervenfortsätze bereits mit dem Hundertfachen ihrer natürlichen Wachstumsgeschwindigkeit strecken. In einem Kunststoffhalm als Scheide wurden die neuen Nerven den Versuchsratten anschließend implantiert.
Das Ergebnis des Pilottests weckt große Hoffnungen: Smith zufolge gewannen fast alle der 40 Versuchsratten innerhalb von vier Monaten die Beweglichkeit ihres Beins wieder. Nun will Smiths Team noch größere Verletzungen überbrücken und hat sogar bereits zehn Zentimeter lange Ratten-Nervenimplantate wachsen lassen. Darüber hinaus hat Smith gezeigt, dass die Streckmethode auch bei menschlichen Nerven gut funktioniert. In den kommenden zwei Jahren, so hofft er, sollen die ersten klinischen Versuche mit Patienten starten.