Ist unser bestehendes Strafrecht angesichts der neuen Erkenntnisse noch haltbar? Dürfen neue Methoden der Lügendetektion, die auf Ergebnissen der Hirnforschung beruhen, im Gerichtssaal verwendet werden? Lässt sich im Gehirn feststellen, ob ein Angeklagter schuldfähig ist? All diese Themen wurden in Bonn angesprochen.
Mit dieser Tagung, die der Philosoph Stephan Schleim gemeinsam mit der Abteilung für Medizinische Psychologie der Bonner Universitätsklinik und dem Bonner Institut für Wissenschaft und Ethik durchgeführt hat, sollte die Debatte zwischen Hirnforschern und Geisteswissenschaftlern mehr Aufmerksamkeit bekommen.
Wissenschaftler aus den Bereichen Philosophie, Psychiatrie und Rechtswissenschaften legten ihre unterschiedlichen Sichtweisen zu den Erfolgen der Neurowissenschaften dar. So wurde unter anderem die von einigen Hirnforschern geforderte Abschaffung des strafrechtlichen Schuldbegriffs kontrovers diskutiert. Auch der alleinige Einsatz von Gehirnscans zur Wahrheitsfindung blieb umstritten.
"Mit der Tagung konnten wir zwar nicht die schwierigen Fragen, die im Wechselspiel von Neurowissenschaft, Psychologie und Psychiatrie, Philosophie und Rechtswissenschaft entstehen, endgültig lösen", resümiert Schleim. "Dennoch hat die Diskussion das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit geschärft und andererseits gezeigt, dass Vertreter aus der Philosophie, der Psychologie und der Rechtswissenschaft die Arbeiten der jeweils anderen für sich selbst fruchtbar machen können. Schließlich sollten diese Diskussionen nicht fernab der öffentlichen Aufmerksamkeit im Elfenbeinturm geführt werden. Es ist wichtig, die neuen empirischen Ergebnisse sowie die philosophischen und juristischen Resultate, die sich in den nächsten Jahren wohl noch vermehren werden, nicht aus den Augen zu verlieren."