Der Wandel der Mobilität hat Auswirkungen auf die industrielle Bauteilreinigung. So sind unter anderem durch modifizierte und neue Komponenten höhere Anforderungen an die Partikelsauberkeit zu erfüllen. „Dazu zählen je nach Bauteil nicht nur strengere Spezifikationen hinsichtlich Partikelanzahl und -größe, sondern beispielsweise bei Werkstücken für Antriebsbatterien auch Vorgaben zu Fasern, da diese in feuchtem Zustand Kurzschlüsse verursachen können“, berichtet Kerstin Zübert, Anwendungstechnikerin bei der Hermann Bantleon GmbH. „Der Einsatz anderer Fertigungstechnologien, zum Beispiel Klebeverbindungen und moderne Schweißverfahren, stellt ebenfalls höhere Anforderungen an die Oberflächensauberkeit. In diesem Bereich spielen filmische Restkontaminationen eine wichtige Rolle“, ergänzt ihr Kollege Julian Fischer. Ein weiterer Aspekt, der angepasste Reinigungsprozesse erforderlich macht, sind Veränderungen bei den Werkstoffen. Beispiele dafür sind, dass Teile, die bisher aus Stahlguss gefertigt wurden, nun aus leichteren Aluminiumwerkstoffen zu gießen sind oder bei Komponenten für Einspritzsysteme von Wasserstoffantrieben anstelle von Guss auf Edelstahl gewechselt werden muss. „Darüber hinaus stellen wir fest, dass immer mehr Unternehmen ihre Wertschöpfungskette ausbauen, um statt einzelner Bauteile komplett montierte und teilweise auch beschichtete Baugruppen liefern zu können. Dabei rückt zusätzlich die technische Sauberkeit von Fertigungs- und Montagelinien sowie von Produktionsmitteln stärker in den Fokus, also Themen die in der VDA 19, Teil 2 behandelt werden“, erklärt Kerstin Zübert.
Nicht nur den Reinigungsprozess betrachten
Die Bauteilreinigung bei dieser Aufgabenstellung als alleinigen Lösungsansatz zu sehen, funktioniert in den meisten Fällen nicht – zumindest nicht wirtschaftlich und ressourcenschonend. Denn vorgelagerte Prozesse beeinflussen den Reinigungsaufwand und das -ergebnis wesentlich. Daher empfiehlt sich ein Blick über die gesamte Prozesskette. Als global aktiver Systempartner der metallbearbeitenden Industrie unterstützt die Hermann Bantleon GmbH bei dieser ganzheitlichen Betrachtungsweise in enger Zusammenarbeit mit Kunden und gegebenenfalls Reinigungsanlagen- sowie Filterherstellern. Das in Ulm ansässige Unternehmen entwickelt, produziert und vertreibt weltweit Schmierstoffe für die spanende und umformende Industrie sowie Reinigungs- und Korrosionsschutzmedien. Dieses Produktportfolio ergänzt ein breites Angebot an Dienstleistungen und Services, in das immer auch Nachhaltigkeitsaspekte einfließen.
Unabhängig von der Reinigungsaufgabe gilt es, Verunreinigungen zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren. Denn was nicht auf ein Bauteil aufgebracht wird, muss nicht entfernt werden. Diese Erkenntnis ist nicht neu, wird aber häufig noch vernachlässigt. „Geht man mit diesem Prozessgedanken gemeinsam mit dem Kunden durch die Fertigung, ergeben sich häufig in den vorgelagerten Prozessen Ansatzpunkte, um das Reinigungsergebnis zu verbessern“, weiß Julian Fischer aus Erfahrung. Häufig sind es vergleichsweise einfach umzusetzende Maßnahmen, mit denen sich der Reinigungsaufwand verringern oder sicherstellen lässt, dass die geforderte Sauberkeitsspezifikation mit dem bestehenden Reinigungsequipment erreicht wird. Dabei profitieren Kunden nicht selten von der guten Vernetzung des Unternehmens mit anderen Anbietern aus der industriellen Reinigungstechnik. „Geht es beispielsweise um eine nicht ausreichende partikuläre Sauberkeit, kann es sein, dass wir gemeinsam mit einem Filterhersteller zum Kunden gehen, um eine Lösung zu finden, mit der die Partikel bereits im Fertigungsprozess zurückgehalten werden und nicht auf das Bauteil gelangen“, beschreibt Kerstin Zübert.
Durch einen anderen Ansatz konnte ein großer Automobilzulieferer ein partikuläres Sauberkeitsproblem bei der Reinigung mit einer bestehenden Lösemittelanlage beseitigen. Statt die Bauteile nach der Fertigung in die Reinigungsanlage zu geben, werden sie im Fertigungsprozess mit einem Dewatering-Korrosionsschutzprodukt abgespült. Dies reicht aus, um die Partikelanforderungen bei diesem Bauteil zu erfüllen. Der bisherige Reinigungsprozess kann entfallen und damit auch der Aufwand für das Sammeln, Ein- und Ausschleusen der Teile. Außerdem ermöglicht die dünne Korrosionsschutzschicht eine gewisse Lagerdauer der Teile, ohne den anschließenden Fügeprozess zu beeinträchtigen. Frühere Korrosionsprobleme wurden so ebenfalls eliminiert und der Ausschuss auf null reduziert.
So effizient wie möglich reinigen
Ob für eine Prozessoptimierung höhere Sauberkeitsanforderungen, veränderte Werkstoffe oder die Forderung nach reduzierten Produktionskosten ausschlaggebend ist, die Lösung kann auch ein angepasstes Reinigungsmedium sein. Dabei sind oft widersprüchliche Anforderungen unter einen Hut zu bringen. Dies zeigt eine Anwendung, bei der mit partikulären Sauberkeitsspezifikationen beaufschlagte Umformteile in großen Mengen als Schüttgut zu reinigen sind. „Durch die zu entfernende Verunreinigung wäre das eigentlich eine Aufgabe für die wässrige Reinigung. Da sich damit aber nicht sicherstellen lässt, dass alle Teile trocken aus der Anlage kommen, haben wir eine neue Lösemittelrezeptur entwickelt, mit der beide Anforderungen – partikuläre Sauberkeit und Trocknung – erreicht wird“, berichtet Kerstin Zübert. Bei der wasserbasierten Reinigung sind niedrigere Reinigungstemperaturen aus Wirtschaftlichkeits- und Nachhaltigkeitsgründen eines der aktuellen Themen. Dabei muss beispielsweise statt der klassischen 65 °C auf 45 °C bei gleichem Prozess ein identisch gutes Ergebnis erzielt werden. „Um das sicherzustellen, ist es unverzichtbar, die beim Kunden vorhandene Reinigungstechnik genau unter die Lupe zu nehmen und gemeinsam die Möglichkeiten austesten. Nur dadurch lassen sich negative Effekte wie beispielsweise einen erhöhten Energieverbrauch bei der Trocknung ausschließen“, merkt Julian Fischer an.
Sowohl bei der Neuauslegung als auch der Optimierung von Reinigungsprozessen ist es für eine effiziente und nachhaltige Lösung ideal, wenn der Medienhersteller und gegebenenfalls der Reinigungsanlagenhersteller vom Kunden frühzeitig mit in die Planung einbezogen werden.