Der Hintergrund dieser politischen Initiativen ist schnell erzählt. Geschickte konzerninterne Verrechnungspreise, z.B. für Lizenzen oder Dienstleistungen, sorgen bisher dafür, dass die Gesamtbesteuerung von Google, Amazon und Co. auf ein Minimum reduziert wird - zulasten der Steuerbasis einzelner Staaten. Die Holdinggesellschaft in einem Niedrigsteuerland, in der weltweit Patente, Marken und andere immaterielle Güter konzentriert werden, die anschließend den Produktions- und Vertriebseinheiten desselben Unternehmens gegen hohe Lizenzgebühren zur Nutzung überlassen werden, ist inzwischen das landläufige Beispiel für diese Praxis. So ist der öffentliche Beifall sicher, wenn es diesen legalen, aber als illegitim empfundenen Steuervermeidungsstrategien an den Kragen geht.
Doch ist eine weitere Ausweitung der Dokumentationspflichten der richtige Weg? Wie ist es zu bewerten, dass zumindest in der EU die Informationen über Steuern und Subventionen allgemein öffentlich zugänglich sein sollen? Mit einer generellen Publizitätspflicht würde die EU deutlich über die im Rahmen der OECD bzw. G 20 geplanten Offenlegungspflichten hinausgehen. Letztere wollen zwar noch detailliertere Angaben erheben, z.B. zur Verwaltung von immateriellen Rechten oder zum Umfang der Dienstleistungen an Dritte. Diese sollen aber ausschließlich den betreffenden Steuerbehörden einen schnellen Überblick verschaffen, ob die Gewinne und Steuern in ihrem Land in einem angemessenen Verhältnis zur Wertschöpfung stehen und wo eine Außenprüfung dringend geboten ist.
Keine Frage: Ein "Country-by-Country Report" stellt grundsätzlich eine erhebliche administrative Mehrbelastung dar. Auch so manches deutsche Markenunternehmen, das nicht in der Liga der ganz Großen spielt, wird davon betroffen sein. Gerade im Hinblick auf die in der EU geplante allgemeine Veröffentlichungspflicht sei darüber hinaus gewarnt, dass nicht jede Erweiterung von steuerlichen Berichtspflichten - ob national oder international - auch faktisch zu einer verbesserten Transparenz beiträgt. Einen solchen Automatismus zwischen Veröffentlichung von Unternehmensdaten und verbesserter Transparenz gibt es nicht. Denn die volkswirtschaftliche und juristische Einordnung dieser Veröffentlichungen bleibt schwierig und in hohem Maße erklärungsbedürftig. Die Forderung nach mehr Transparenz ist probat, aber gerade in Steuerfragen sind nur die Berichtspflichten sinnvoll, die tatsächlich zu einer ausgewogeneren Verteilung von Steuerbelastungen bzw. -einnahmen führen können. Und für diesen Effekt fehlen allerdings bislang die entsprechenden Evaluationen.
Während also die gewünschten Wirkungen eher vage bleiben, besteht umgekehrt aber das konkrete Risiko, dass vertrauliche Geschäftsinformationen an die Öffentlichkeit gelangen. Dies könnte für Unternehmen in der EU von Nachteil sein, insbesondere dann, wenn deren Wettbewerber in Drittstaaten keinen gleichwertigen Pflichten unterliegen. Bleibt zu hoffen, dass die EU-Konsultation, die im September 2016 abgeschlossen werden soll, diese Schieflage beseitigen wird. Zweifelsohne ist auch aus Sicht des traditionellen Mittelstands, dem das ausgefeilte Instrumentarium der internationalen Verrechnungen nicht zur Verfügung steht, der bisherige Zustand ein Ärgernis. Aber der Kampf gegen aggressive Steuervermeidung muss zu allererst von den Finanzbehörden ausgetragen werden, zusätzliche Publizitätspflichten sind nicht mehr als ein Lösungsfetisch.
Zum Autor:
WP/StB Prof. Dr. W. Edelfried Schneider ist Deputy-President des europäischen Wirtschaftsprüferverbands FEE (Fédération des Experts-comptables Européens - Federation of European Accountants) sowie Geschäftsführer von HLB Deutschland, einem Netzwerk unabhängiger Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften.