Von Götz R. Piwinger
Eine der kritischsten Ressourcen im globalen Wettbewerb ist der Fachkräftemangel. Dieser beginnt bereits mit dem Ausbildungsangebot, den innerbetrieblichen Möglichkeiten für eine gezielte Entwicklung und dem Mangel an Menschen mit Erfahrung, um dieser Krise effizient begegnen zu können. Jetzt hat eine Gruppe von Managern eine Hochschule ins Leben gerufen, um dieser Situation Paroli zu bieten.
Man sollte annehmen, dass es bereits genügend Hochschulen im deutschsprachigen Raum gibt. Längst ist die Themenvielfalt unübersichtlich geworden. Die offiziellen Abschlüsse von früher gibt es nicht mehr. Dort war einigermaßen klar, welche Fähigkeiten beispielsweise Informatiker oder Elektroingenieure mitbringen. Wer die aktuellen Jobangebote analysiert, findet riesige Bedarfe von hochspezialisierten Fachkräften. Das Studium Generale gibt es nicht mehr und der Magister soll nun auch durch Master und Bachelor ersetzt werden. Für Studierende wird es also nicht gerade leicht, sich auf einen Studienschwerpunkt festzulegen. Ist einmal eine Entscheidung getroffen, dann wird das in der Regel für einen guten Abschluss durchgezogen.
A) Was bedeutet diese Entwicklung für die Unternehmen?
In den Verbänden ist man sich einig: Wer einen Bachelor-Absolventen einstellt, muss sich auf eine größere Einarbeitungsphase einstellen. Aufnahmen bestätigen die Regel. Denn was in den Hochschulen nicht vermittelt werden kann, muss von Unternehmen geliefert werden, um Erfahrungswissen aufzubauen. Dank digitaler Helfer aus den Bereichen Simulation, virtual und augmented Reality (VR & AR) kann das sehr viel schneller gehen, allerdings muss sich das Unternehmen auch auf diese Technologien einlassen können. Bachelor erwarten außerdem, dass ein aufbauendes, externes und berufsbegleitendes Masterstudium vom arbeitgebenden Unternehmen zumindest mitfinanziert wird. Wenn die Kandidaten aber nun das externe Masterstudium absolvieren, dann heißt das noch lange nicht, dass das dort erworbene Wissen für das Unternehmen auch wirklich nützlich ist oder zielführend eingesetzt werden kann! Trotzdem wird sich das Gehalt nach oben verändern. Eine weitere Gefahr (aber auch eine Chance) des externen Studiums liegt in der Abwerbung von Kommilitonen. Wir brauchen konstruktive Alternativen.
B) Vor welchen Herausforderungen stehen die Manager deshalb heute?
Expertenwissen nutzen, Erfahrungswissen aufbauen, Karriere unterstützen und die Bindung ans Unternehmen entwickeln - und das für jeden einzelnen Mitarbeiter! Das klingt fast nach einer unlösbaren Aufgabe für das Management. Die Kunst des Unternehmens liegt darin, das Spezialistenwissen zielführend zu kuratieren, um ein erfolgreiches Produkt zu erzeugen. Diese Herausforderung hat zwei wesentliche Aspekte: Den technologischen und den human-prozessualen Aspekt.
Bei der Technologie steht ein leistungsstarkes Wissensmanagement-System im Fokus. Während viele Unternehmen in die Teams- und Sharpoint-Falle getappt sind (Dieses Sammelsurium erfordert meiner Meinung nach enorme Support-Ressourcen und bringt dem Nutzer zu selten die gewünschten Ergebnisse), setzen andere auf integrierte Prozesslösungen, wo beispielsweise Wissensmanagement (KMS) , Learning Management (LMS) und Talent Management (TMS) in Prozessen ablaufen. Da es heute und in Zukunft darum geht, Wissen und Erfahrungen gezielt zu erzeugen (Innovationsmanagement), zu kuratieren und auch gezielt zur Verfügung zu stellen, muss diese Anwendung im Zentrum aller IT-Prozesse angesiedelt werden. Dies ist ein radikaler Wandel. Denn er bedeutet den Verzicht auf alte Gewohnheiten, ein Verschiebung der Entscheidungspole und ein verändertes Arbeitsverhalten. Vielleicht werden Führungskräfte in Zukunft auch danach beurteilt, wie viel und wie oft Wissen sie geteilt haben? Die klar vorhersehbare Entwicklung des Arbeitsmarktes lässt erfolgreichen Unternehmen keine Wahl, als nachhaltige Konzepte zur Personalsicherung umzusetzen.
C) Mit welchen Lösungen können diese Aufgaben bewältigt werden?
Es ist auffallend, dass in den Stellenanzeigen für HR-Manager neuerdings nach “Head of People & Culture” gesucht wird. Dahinter verbirgt sich kein neuer Name, sondern ist der Ausdruck für ein erweitertes Aufgabenfeld. Außerhalb der schwammig beschriebenen Jobinhalte warten knallharte Aufgaben auf diese Aspiranten. Es wird nicht weniger von ihnen verlangt, als die sogenannte Unternehmenskultur zu verändern. Manche sprechen auch von “Mindset”. Was sich jedoch dahinter verbirgt, ist eine systematisch-zielorientierte Veränderung des Handelns auf Basis gemeinsamer Werte. Frieling (1) fasste es wie folgt zusammen:
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klare Visionen, gemeinsame Zielsetzungsprozesse, Orientierung am Nutzen der Kunden
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Kooperations- und Konfliktlösungsfähigkeit, wechselseitiges Vertrauen und Teamgeist
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Prozessorientierung und Selbstregulation in Gruppen
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demokratischer und partizipativer Führungsstil, Unterstützung neuer Ideen (v. a. durch die Führung), Ideenmanagement, Integration von Personal- und Organisationsentwicklung
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Belohnung von Engagement und Fehlertoleranz bei riskanten Vorhaben
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Fähigkeit zur (Selbst-)Beobachtung und Prognose (gut funktionierende Informations- und Kommunikationssysteme – rascher und genauer Überblick über die Wirkung der wichtigsten Prozesse)
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eine Art zu handeln ist
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sich aus Qualifikation, Erfahrungslernen und Werten zusammensetzt.
D) Wie kann eine unternehmerische Hochschule als Partner unterstützen?
Gerade im Mittelstand klingen diese Herausforderungen vor dem Hintergrund der Fachkräftesituation wie Hohn. Die Unternehmen sind auch nicht gewillt, trotz der Lage jeden Dahergelaufenen an Bord zu holen. “Liebe nicht besetzen, als schlecht besetzen” lautet die Devise. Einen Ausweg bietet die Kooperation mit einer Hochschule für Mittelstandsthemen an. Das europäische Hochschulrecht ist für individuelle Lösungen zu starr, da lohnt sich dann ein Blick auf den Mittelstand in der Schweiz, wo sich Hochschulen schon lange mit mittelständischen Unternehmen produktiv ergänzen.Mittlerweile arbeiten schon einige deutsche Mittelständler mit schweizer Hochschulen zusammen, um den oben beschriebenen Teil D) im Outsourcing zu betreiben. Denkbar sind Modellen mit einem Inhouse MBA/Bachelor oder einem Branchen MBA, wo 50% der Themen exakt aus Alltags- und Zukunftsthemen des eigenen Unternehmens stammen. Die Hochschule wird zum Dienstleister für Unternehmen! Der neue Stern am Himmel ist die HEX - Hochschule für Exzellenz in der Schweiz mit ihrem in Deutschland ansässigen Erasmus-Institut als Koordinations- und Outsourcingpartner. Sie wurde von erfahrenen Managern genau zu einem Zweck gegründet: Wissenschaftlich modernste Erkenntnisse ins Mittelstandsbusiness als verlängerte Werkbank zu bringen. So kann die gesamte Akademie als quasi “eigene Akademie” im Outsourcing angedockt werden. Erfahrene Coaches bringen die Prozesse nach vorne und helfen insgesamt dabei, die Fachkräftesituation wirklich nachhaltig auf einen guten Weg zu bringen.
(1) Ekkehart Frieling & U. Reuther (Hrsg.): Das lernende Unternehmen. Dokumentation einer Fachtagung am 6. Mai 1993 in München (Reihe: Studien der betrieblichen Weiterbildungsforschung). Neres Verlag, Bochum 1993.