Das neue Material ist ein Schlüssel zur jüngst vorgestellten "High-k-Metal-Gate-Technologie", der ersten größeren Veränderung am Transistor seit den Silizium-Halbleitern, mit vielversprechenden Möglichkeiten für gesteigerte Chipleistung zum Nutzen von Computern und anderen elektronischen Systemen. IBM plant, die Technologie ab dem Jahr
2008 zu verwenden und bei ihren Produkten einzusetzen.
Die Halbleiterindustrie hat lange nach einem neuen Material für den wesentlichen Teil des Transistors, der als Gate Dielectric
(Gatter-Dielektrikum) bezeichnet wird, gesucht. Mit den jetzigen Materialien war die Fähigkeit der Industrie, mit den Prognosen von Moore's Gesetz Schritt zu halten, begrenzt. Das Moore'sche Gesetz sagt eine Verdopplung der Anzahl der Transistoren auf einem Chip und der damit verbundenen Steigerung der Chipleistung alle 12-18 Monate voraus.
Hafnium-Dioxid erschien als ein idealer Kandidat für die Transistorgates der nächsten Generation. Jedoch kann die Einführung jeglichen neuen Materials bei Halbleitern unvorhergesehene Konsequenzen haben und muß daher vorher komplett verstanden worden sein. Ein wesentlicher Faktor, der zum Erfolg von IBM bei dieser komplexen Aufgabe beigetragen hat, war die Simulation des Verhaltens des Material auf atomarem Niveau.
Die Forscher im IBM Labor Zürich haben dabei ihre langjährige Expertise bei computerbasierten Modellen in Kombination mit den Fähigkeiten des IBM Blue Gene-Supercomputers genützt, um herauszufinden, warum Hafnium-Dioxide so viel besser geeignet ist als andere High-k-Materialien, die vorher von der Industrie in Betracht gezogen worden sind. Als Ergebnis haben die Forscher erstmals ein klares Bild von der zugrundelegenden Physik erhalten, die das spezielle elektrische Verhalten von Hafnium-Dioxid bei der Vermischung mit Silizium erklärt, wie es in Laborexperimenten beobachtet wurde. Dabei wurde ein Licht auf die Ursachen geworfen, die das Material als Gatter-Dielektrikum einzigartig macht.
Für die Untersuchung hat das IBM Team verschiedene Materialkompositionen unter Einsatz von fünfzig verschiedenen Modellen von Hafnium-Silikaten simuliert, das sind Materialien, die sich bilden, wenn Silizium- und Haffnium-Oxide sich mischen. Diese Modellen enthalten bis zu 600 Autome und annähernd 5000 Elektronen und repräsentieren ein realistisches System. Eine einzelne Berechnung der dielektrischen Konstante pro Modell wurde in nur fünf Tagen Rechenzeit auf dem Blue Gene/L-Supercomputer mit 4096 Prozessoren durchgeführt . Die komplette Simulation für alle fünfzig Modelle, entsprechend etwa 250 Tage Rechenzeit auf Blue Gene, würden auf den derzeit stärksten Laptop-PCs etwa 700 Jahre Rechenzeit benötigen. Dies entspricht etwa 200 Billionen mal Billionen (2 mal 10 hoch 20) Berechnungen.
Diese Arbeit illustriert, wie Supercomputing-Modellierungsverfahren
Technologie auf ein neues Niveau führen kann. Computersimulationen sind seit den 1980er Jahren möglich, aber erst jetzt - dank der Evolution von Algorithmen und ihrer Anwendung auf einer so extrem skalierbaren und ausbalancierten Supercomputerarchitektur wie der von Blue Gene - sind Wissenschaftler in der Lage, derartige Problemstellungen wie in diesem Beispiel anzugehen, indem realistische Modelle mit einigen Tausend Teilchen geschaffen werden und man mit den grundlegenden Gesetzen der Natur beginnt.
Der Ansatz, der vom IBM Team gewählt wurde, wird "Ab-Initio-Molekulardynamik" genannt. Dabei werden die Interaktionen zwischen den Teilchen eines Systems von den grundlegenden Gesetzen der Physik abgeleitet, ohne daß empirisch gewonnene Daten eingesetzt werden. In der Folge ihrer grundlegenden Arbeiten hat das IBM Team mehr als fünfzig realistische virtuelle Modelle von Hafnium-Silikaten mit verschiedenen Konzentrationen von Hafnium auf dem Supercomputer geschaffen. Dann wurde die Entwicklung dieser Strukturen über eine bestimmte Zeitstrecke simuliert, deren dielektrische Konstante eingeschätzt und die Ergebnisse wurden dazu verwendet, die experimentellen Befunde zu erklären.
Der Vorteil computerbasierter Simulationen ist, daß sie als virtuelle Experimente frei von den inheränten Problemen von Laborexperimenten sind, wie etwa Effekten aus Experimentvorbereitungen oder dem Grad der Reinheit der verwendeten Materialien oder der Präsenz von parasitischen Reaktionen.
Am wichtigsten dabei ist, daß mit der Simulation verfolgt werden kann, wie die individuellen Atome sich verhalten. Computersimulationen erlauben die Berechnung und direkte Zuordnung der intrinsischen und idealen Charakteristiken eines Materials mit der Struktur auf atomarem Niveau.
Das wissenschaftlicher Papier mit dem Titel "The Anomalous Behavior of the Dielectric Constant of Hafnium Silicates: a First Principles Study" by C.
A. Pignedoli, A. Curioni, and W. Andreoni, wurde veröffentlicht in Physical Review Letters, Volume 98, Number 3, Article 037602 (18 January 2007).