Dr. Hubertus Hille, Hauptgeschäftsführer der IHK Bonn/Rhein-Sieg: „Die 2.700 befragten Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage viel besser als in den Vorumfragen, die noch ganz im Zeichen drastischer Einschränkungen des Wirtschaftslebens standen.“ 40 Prozent beschreiben ihre Lage als gut, 15 Prozent sind mit ihrer Situation unzufrieden. Mit einem Saldo von fast 26 Punkten erreicht der Lageindex wieder das Vorkrisenniveau. Hille: „Während die Bauwirtschaft, die IT-Branche und Teile der Industrie die Corona-Krise größtenteils überstanden haben, hat sich die Situation im Gastgewerbe oder im Einzelhandel noch nicht entspannt. Lieferschwierigkeiten für einige Rohstoffe und Vorprodukte sowie steigende Energiepreise belasten viele Industriebetriebe, und in zahlreichen Branchen bremst der Fachkräftemangel die weitere wirtschaftliche Erholung.“
Die Erwartungen für die kommenden Monate sind deshalb zwar klar positiv, allerdings nicht ganz so deutlich wie die Lageeinschätzungen. 31 Prozent rechnen mit einer Verbesserung der Geschäfte. Die große Mehrheit (55 Prozent) geht von einer gleichbleibenden Entwicklung aus. Zwischen den einzelnen Branchen zeigen sich dabei deutliche Unterschiede. „Die gut laufende Bauwirtschaft, die Finanzdienstleister und die Gesundheitswirtschaft können sich eine nochmalige Verbesserung kaum vorstellen. Maschinenbau, Elektroindustrie und die IT-Branche rechnen trotz einer guten Lage mit weiteren Verbesserungen. Im Bereich Gastronomie und Tourismus sowie dem stationären Einzelhandel hofft man bei aktuell noch großen Schwierigkeiten auf eine baldige Verbesserung“, so der Hauptgeschäftsführer der IHK Bonn/Rhein-Sieg.
Abhängig bleibt die zukünftige Entwicklung natürlich vom Verlauf der Pandemie und den entsprechenden Reaktionen der Politik. Als Ergebnis der beschriebenen Entwicklungen steigt der Konjunkturklimaindex auf 121 Punkte. Zuletzt erreichte er einen vergleichbaren Wert zum Jahresbeginn 2019, also über ein Jahr vor Beginn der Coronapandemie. In den letzten beiden Umfragen lag er mit 97 bzw. 98 Punkten jeweils knapp unter der 100-Punkte-Grenze.
Die Nachwirkungen der Coronapandemie und einige altbekannte Probleme bestimmen die größten Risiken für die weitere wirtschaftliche Entwicklung im Rheinland. Am häufigsten genannt (62 Prozent) werden die steigenden Energie- und Rohstoffpreise. Zum Jahresbeginn bereitete dies nur etwa halb so vielen Unternehmen Kopfschmerzen. In diese Kategorie fallen neben rekordverdächtigen Diesel- und Benzinpreisen auch Lieferengpässe bei Holz, Chips, Halbleitern und anderen wichtigen Vorprodukten. In der Industrie sind hiervon sogar 85 Prozent betroffen. Zweitwichtigstes Risiko ist der Fachkräftemangel. Dieser wird von 54 Prozent der befragten Unternehmen genannt, gegenüber dem Jahresbeginn eine Zunahme von 20 Prozentpunkten. In einigen Branchen wie dem Gastgewerbe, fällt es schwer, in der Pandemie verlorene Fachkräfte und Aushilfen zurückzugewinnen, in anderen Branchen fehlt schlicht der Nachwuchs (etwa Lkw-Fahrer und Pflegekräfte)
Die verbesserte wirtschaftliche Situation in vielen Betrieben und die freundlicheren Aussichten führen dazu, dass wieder verstärkt investiert und Personal eingestellt werden soll. Hille: „32 Prozent der befragten Unternehmen wollen mehr investieren, nur halb so viele planen Einschnitte in den entsprechenden Budgets. In allen hier betrachteten Branchen ist der Saldo aus steigenden und sinkenden Investitionsplänen positiv. Am vorsichtigsten sind noch die Unternehmen im Gastgewerbe, Tourismus und Einzelhandel, von denen viele in der langen Coronakrise ihre Rücklagen aufgezehrt haben.“ Die größten Zunahmen bei den Investitionen gibt es in der Chemie und der Metall- und Elektroindustrie.
Durch das Kurzarbeitergeld konnten auch in der Krise viele Beschäftigungsverhältnisse aufrechterhalten werden. Teilweise kam es aber trotz der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zu Entlassungen. Mit dem sich verstetigenden Aufschwung suchen die Unternehmen wieder verstärkt nach neuem Personal. Fast 27 Prozent wollen ihren Personalbestand erhöhen, weitere 62 Prozent planen keine Veränderungen. IT-Branche, Maschinenbau, Kunststoff- und Elektroindustrie sowie die Beraterbranchen gehen hier voran. Bei den Finanzdienstleistern steht eher eine weitere Konsolidierung auf dem Programm.