"Wir glauben, dass die Talfahrt beendet ist und ab der zweiten Jahreshälfte, spätestens zu Beginn des Jahres 2010 die Konjunktur wieder an Fahrt gewinnen könnte. Im aktuellen Stimmungsbarometer spiegelt sich erneut die gesamtwirtschaftliche Eintrübung. Zum dritten Mal in Folge liegt der Wert unter der 100er Grenze. Die staatlichen Programme zur Stützung des Finanzsektors und zur Belebung der Konjunktur konnten bislang das Vertrauen der Akteure in die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung nicht wieder herstellen. Die unsichere Lage drückt auf das Stimmungsbild", sagte Dr. Ernst Franceschini, Präsident der IHK Bonn/Rhein-Sieg, bei der Vorstellung der IHK-Konjunkturumfrage zum Frühsommer 2009.
Die Einschätzung der derzeitigen Geschäftslage hat sich erneut eingetrübt. Zum sechsten Mal in Folge beurteilen die Befragten ihre Lage schlechter als in der Vorumfrage, ein deutliches Zeichen, dass viele Unternehmen derzeit noch stark verunsichert sind. Nur 15 Prozent der befragten Unternehmen sind mit der aktuellen Geschäftslage zufrieden, 40,5 Prozent sind pessimistisch gestimmt. Der Saldo fällt deutlich von -7,8 Punkten auf -25,5 Punkte. Ein Hoffnungsschimmer zeigt sich, wenn man die Entwicklung der zukünftigen Erwartungen betrachtet. Die Einschätzung der Zukunftsperspektiven der Wirtschaft verbessern sich leicht im Vergleich zur Vorumfrage, liegen aber immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau. 12,8 Prozent der befragten Betriebe blicken positiv in die Zukunft, zu Jahresbeginn waren es nur 8 Prozent. Die Zahl der Pessimisten ist leicht zurückgegangen. Jetzt sehen 30,2 Prozent skeptisch in die Zukunft, zuvor waren es 40,9 Prozent. Die marginale Verbesserung der Zukunftseinschätzung könnte bedeuten, dass Hoffnungsgrößen wie die gesunkenen Energiekosten, die Konjunkturpakete und die Notenbankzinssenkungen positiv auf die Wertungen der befragten Unternehmen eingewirkt haben. Dennoch überwiegt die Anzahl der beunruhigten Wirtschaftsteilnehmer die Optimisten.
Die Investitionsneigung ist über alle Branchen hinweg verhalten. Hier zeigt sich erneut eine Eintrübung gegenüber der Vorumfrage. Nur 12,5 Prozent werden vermehrt investieren, 46,2 Prozent schrauben ihre Investitionsvorhaben deutlich zurück. Ein Indikator für die zögerlichen Ausgaben liegt darin, dass das deutsche Maßnahmenbündel den Schwerpunkt auf die öffentlichen Investitionen legt. Angesichts der notwendigen Vorlaufzeigen von Aufträgen ist mit positiven Effekten erst zeitlich verzögert zu rechnen. Die geplanten Maßnahmen der Konjunkturpakete werden zu zögerlich umgesetzt, um jetzt die Investitionspläne anzukurbeln. Ein Lichtblick für die Unternehmen ist die gesunkene Inflationsrate. Die Inflation ist als Folge vorübergehend niedriger Rohstoffpreise stark zurückgegangen. Insbesondere das Transportgewerbe profitiert von den derzeit günstigen Energiepreisen.
Das Exportgeschäft ist im Keller. Knapp 50 Prozent der Wirtschaftsteilnehmer beklagen ein rückläufiges Exportvolumen. Nur 6,7 Prozent verbuchen verstärkte Auslandsgeschäfte. Der Saldo fällt von einem sehr niedrigen Ausgangswert von -34,8 Punkten auf -42,9 Punkte. Die Finanzmarktkrise hat zunächst das Exportgeschäft mit den USA und einigen westeuropäischen Märkten beeinträchtigt. Nach und nach die die Nachfrage aus anderen Ländern der Welt und Teilen von Europa zurück gegangen. Dennoch handelt es sich hier um eine vorübergehende Eintrübung des Exportgeschäfts. Länder wie beispielsweise China wachsen auch weiterhin, nur mit gedämpftem Tempo. Die heimischen Betriebe, insbesondere der Industriesektor wird langfristig aufgrund der guten Marktpositionierung und starken Wettbewerbsfähigkeit von aufstrebenden Schwellenländern profitieren.
Der Beschäftigungsaufbau erleidet erneut einem Dämpfer, dennoch ist die Eintrübung nicht so stark wie beispielsweise in den Investitionsplänen oder dem Exportgeschäft. 7,6 Prozent der befragten Betriebe werden zusätzliches Personal einstellen, erfreuliche 60,9 Prozent werden ihren Bestand halten. Der Saldo fällt von -19,6 Punkten auf -23,9 Punkte. Die Unternehmen halten auch in der Krise an ihrer Stammbelegschaft fest - nicht zuletzt infolge des nach wie vor bestehenden Fachkräftemangels. Hier zeigt sich, wie wichtig Vereinfachungen beim Kurzarbeitergeld sind. Die Inanspruchnahme von Zeitkonten und der zunehmende Einsatz von Kurzarbeit konnten einen Großteil der drohenden Entlassungen vermeiden. Die Konsumenten sind trotz der Wirtschaftskrise weiter in Kauflaune und senken die Sparquote. Die Befürchtungen, dass die Verbraucher durch vorgezogene Autokäufe aufgrund der Abwrackprämie an anderer Stelle sparen, haben sich nicht bewahrheitet. Damit tragen die Konsumenten dazu bei, dass die Wirtschaft nicht noch tiefer in den Abgrund rutscht. Das Sparen für schlechte Zeiten tritt zugunsten des Konsums stärker in den Hintergrund.
"Die Talsohle des Abschwungs ist in der Region Bonn/Rhein-Sieg erreicht. Die Abwärtsspirale der Konjunktur kommt ins Stocken. Der IHK-Indikator stabilisiert sich auf niedrigem Niveau. Die Einschätzungen der Geschäftslage der Unternehmen haben sich zum sechsten Mal in Folge verschlechtert", so Dr. Franceschini: "Das Stimmungsbild zeigt, dass die Unsicherheit die Wirtschaft immer noch dominiert. Insbesondere das Exportgeschäft und die Investitionsvorhaben werden durch den weltweiten Abschwung gedämpft. Die Beschäftigungspläne zeigen, dass die heimische Wirtschaft auf ihr Stammpersonal setzt und Entlassungen weitestgehend vermeidet. Eine beschäftigungsfreundliche Wirtschaftspolitik ist bei trüber Konjunktur wichtiger denn je. Die Bundesregierung hat vor dem Hintergrund der Konjunkturkrise bereits beschäftigungssichernde Maßnahmen beschlossen. Die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld wurde verlängert und eine finanzielle Entlastung der Unternehmen während der Phase des Kurzarbeitergeldes vorgenommen. Zudem ist das Antragsverfahren erleichtert worden - ein richtiger Schritt in Richtung Bürokratieabbau. Damit wurden zusätzlich Hürden für die Unternehmen reduziert. Diese Maßnahmen helfen den Betrieben, eine Überbrückung zu wirtschaftlich besseren Zeiten zu bauen.
Die Finanzpolitik hat mit zwei Konjunkturpaketen auf die Rezession reagiert. Sie enthalten mit den Investitionsprojekten, den Senkungen der marginalen Steuersätze und der Reduktion der Sozialabgaben Maßnahmen, die das Wachstum mittelfristig fördern können. Daher ist es vertretbar, dass sie vorübergehend zu einer Überschuldung führen. Dennoch darf das Ziel des ausgeglichenen Staatshaushalts nicht aus den Augen verloren werden. Die Bundesregierung muss nun dafür Sorge tragen, dass das Geld der Konjunkturpakete da ankommt, wo es benötigt wird - bei den Unternehmen. Es wäre ein falscher Weg, durch neue Konjunkturpakete weiter in die Wirtschaft einzugreifen und das Staatsdefizit zu vergrößern. Wenn die geplanten Maßnahmen zügig umgesetzt werden, wird der Markt durch seine Selbstheilungskräfte die Konjunktur ankurbeln".
Die einzelnen Branchen im Überblick
Fast alle Branchen verzeichnen erneut ein eingetrübtes Stimmungsbild. Nur der Handel gibt durch eine leichte Aufwärtsbewegung, allerdings von niedrigen Niveau ausgehend, Grund zur Hoffnung. Der Klimaindex, das geometrische Mittel aus Geschäftslage- und Erwartungssaldo, steigt leicht von +64,8 auf +72 Punkte. Ein Zeichen, dass die Kaufkraft trotz Krise nicht eingebrochen ist. Den stärksten Einbruch verzeichnet der Dienstleistungssektor: Der Klimaindex fällt ausgehend von +104,7 Punkten unter die 100er Grenze auf +93,5 Punkte. Dennoch sind die Dienstleister mit diesem Niveau weit über den Werten der anderen Branchen. Das liegt vor allem daran, dass der Dienstleistungssektor einerseits von den Anzahl der Betriebe in der Region Bonn/Rhein-Sieg am stärksten vertreten ist, aber auch, weil die Unternehmer eine ausgesprochen starke Wettbewerbsstärke haben, und selbst in Zeiten der Krise ihre gute Positionierung am Markt nicht einbüßen. Den niedrigsten Wert verzeichnet das Gastgewerbe. Die Durststrecke der Gastronomen und Hoteliers setzt sich fort. Der Index schraubt sich ausgehend von einem sehr niedrigen Ausgangswert von +62,2 Punkten auf +59,8 Punkte. Ähnlich schlechte Werte gibt die Industrie an. Sie hat ihren Tiefstand bei +60,9 Punkten erreicht, zu Jahresbeginn waren es immerhin noch +68,6 Punkte. Hier zeigt sich, dass insbesondere das verarbeitende Gewerbe unter der Finanz- und Konjunkturkrise leidet.