Für das kommende Jahr ist die IHK vorsichtig optimistisch: "Die Wachstumsdynamik hat gegenüber dem ersten Halbjahr spürbar nachgelassen. Die Wirtschaft wächst zurzeit nur noch langsam. Die Gründe dafür liegen im Wesentlichen in der Abkühlung der weltweiten Konjunktur, vor allem aber in der weiter schwelenden Staatsschuldenkrise in der Eurozone. Entsprechend wichtig ist es, die nachhaltige Sanierung der Staatshaushalte zügig einzuleiten und dadurch verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Unter der Bedingung, dass dies gelingt, erwarten wir für 2012 ein Saar-Wachstum in der Größenordnung von 1 bis 1,5 Prozent. Das wäre rund ein halber Punkt mehr, als die Bundesregierung für Deutschland erwartet. Bei der Beschäftigung sind 3.000 neue Stellen möglich; die Arbeitslosenquote sinkt dann unter 6 Prozent."
Vorkrisenniveau übertroffen
Mit Blick auf die Kernbranchen der Saarindustrie unterstreicht die IHK noch einmal die gute Verfassung der Saarwirtschaft. Die Industrie erzielte in den ersten drei Quartalen dieses Jahres gegenüber dem Vorjahr einen Umsatzzuwachs von 15 Prozent und ein Auftragsplus von 16 Prozent. Die Exporte legten um knapp 13 Prozent zu. Der bisherige Exportrekord aus 2008 in Höhe von 12,5 Milliarden Euro dürfte in diesem Jahr übersprungen werden. Die Saarindustrie hat damit nach nur zwei Jahren die Einbußen der Rezession in 2009 mehr als ausgeglichen.
Besonders positiv verlief die Entwicklung in der Stahlindustrie, bei den Gießereien, im Maschinenbau sowie in der Gummi- und Kunststoffindustrie. Die Umsatzzuwächse erreichten hier eine Größenordnung zwischen 22 und 28 Prozent. Dr. Weber: "Unsere Industrie ist gestärkt aus der Krise herausgekommen. Sie ist qualitativ und preislich noch wettbewerbsfähiger geworden. Ihre Produktpalette findet inzwischen weltweit Anklang. Sie hat in den Schwellenländern neue Kunden gefunden und in vielen Ländern Marktanteile hinzugewonnen."
Insgesamt gehen nach Berechnungen der IHK mehr als 70 Prozent der saarländischen Industrieproduktion ins Ausland - 50 Prozent direkt und weitere 20 Prozent indirekt. Indirekt heißt, dass viele im Land hergestellte Teile, Systeme und Komponenten zunächst an Kunden anderswo in Deutschland geliefert, dort in Fahrzeuge, Maschinen oder Anlagen eingebaut werden und mit diesen dann in den Export gehen.
Mit der kräftigen konjunkturellen Erholung hat sich die positive Arbeitsmarktentwicklung des Jahres 2010 in diesem Jahr fortgesetzt. Die Zahl der Arbeitslosen sank im Jahresverlauf auf aktuell 31.500. Dem entspricht eine Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent. Bemerkenswert ist, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten binnen Jahresfrist um rund 10.000 gestiegen ist. Die höchsten Zuwächse verzeichneten die Zeitarbeit und der Gesundheitssektor. Hervorzuheben ist aber vor allem der Zuwachs an Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe. Hier stieg die Beschäftigung in diesem Jahr um 4,4 Prozent.
Dr. Weber: "Die Aufwärtsdynamik am Arbeitsmarkt spiegelt nicht nur die aktuell gute Konjunktur wider. Sie ist auch ein Indiz für das Vertrauen der Unternehmen in die künftige Entwicklung. Und schließlich spielt auch die Vorsorge gegen den drohenden Fachkräftemangel eine Rolle: Insbesondere die im internationalen Vergleich außerordentlich niedrige Jugendarbeitslosigkeit von 5 Prozent signalisiert, dass die Unternehmen schon heute die Fachkräfte rekrutieren, die sie morgen brauchen."
Erneut stärkeres Wachstum als im Bund möglich
Die starke Exportorientierung der Saarwirtschaft ist aus Sicht der IHK auch für die Zukunft ein struktureller Vorteil. Sie wirke sich immer dann positiv auf Wachstum und Beschäftigung aus, wenn die Weltwirtschaft schneller wächst als die deutsche Binnenwirtschaft. Das dürfte im kommenden Jahr wieder der Fall sein. Die Wirtschaftsforschungsinstitute taxieren die Zuwachsraten für die Weltwirtschaft und den Welthandel im kommenden Jahr auf 3,5 respektive 4 Prozent. "Das ist zwar weniger als in diesem Jahr, aber mehr als wir an Zuwachs bei der Binnennachfrage erwarten können. Das Saarland hat deshalb - ebenso wie andere exportstarke Regionen - gute Chancen, in 2012 erneut zu den wachstumsstärkeren Bundesländern zu zählen", so Giersch.
Positive Impulse erwartet die IHK auch von der Binnenkonjunktur. Die Nachfrage nach Investitionsgütern werde ebenso zulegen wie der private Konsum, der durch die robuste Arbeitsmarktentwicklung und steigende Löhne gestützt wird.
Von der wachsenden Kaufkraft werden vor allem Handel und Dienstleister profitieren. Insbesondere die Anbieter von personenbezogenen Dienstleistungen aus den Bereichen Pflege, Gesundheit, Betreuung und Weiterbildung dürften den Aufwind spüren. In der Bauwirtschaft wird sich nach vielen schwierigen Jahren mit Umsatz- und Beschäftigungsrückgängen die Lage weiter stabilisieren.
Steigende Beschäftigung, sinkende Arbeitslosigkeit
Der Arbeitsmarkt dürfte in 2012 weiter freundlich tendieren. In der Industrie suchen viele Unternehmen derzeit noch Fachkräfte, um ihre Auftragsbestände abarbeiten zu können. Im Dienstleistungsbereich entstehen neue Arbeitsplätze - insbesondere im Gesundheitswesen und im Pflegebereich. Insgesamt rechnet die IHK für 2012 mit einem Zuwachs von rund 3.000 Arbeitsplätzen. Das wäre ein noch stärkerer Anstieg als im Bund. Hier erwartet die IHK-Organisation insgesamt 250.000 neue Stellen. Die Zahl der Arbeitslosen wird weiter sinken und kann im Verlauf des Jahres die Marke 30.000 unterschreiten. Bei der Arbeitslosenquote dürfte dann erstmals seit über 35 Jahren wieder eine "Fünf" vor dem Komma stehen. Dr. Weber: "Die Zeiten der Massenarbeitslosigkeit nähern sich ihrem Ende. Die Weltwirtschaft wird im Trend weiter wachsen. Deutschland und gerade das Saarland profitieren davon. Das Ziel der Vollbeschäftigung rückt noch im Laufe dieses Jahrzehnts in Sichtweite." Im Saarland beschleunige neben der guten Wirtschaftsentwicklung vor allem das demografisch bedingt rückläufige Angebot an Arbeitskräften diesen Prozess.
Auch auf mittlere Sicht sieht die IHK gute Wachstumschancen für das Saarland. Voraussetzung ist allerdings, dass es gelingt, die beiden zentralen Herausforderungen - den drohenden Fachkräftemangel und die Konsolidierung der Landesfinanzen - erfolgreich zu meistern.
Fachkräfteallianz mit Leben füllen
Die größte wachstumspolitische Herausforderung der kommenden Jahre und Jahrzehnte ist der demografische Wandel: Bis 2030 wird die Zahl der Saarländer im erwerbsfähigen Alter um rund 100.000 sinken - prozentual deutlich stärker als im Bund. "Das bedeutet: Wir müssen hier im Land mehr tun als andere Länder", so Dr. Weber. "Es kommt darauf an, die im Spätsommer vereinbarte gemeinsame Strategie für Fachkräftesicherung möglichst rasch mit Leben zu füllen. Alle Partner der Allianz sind gefordert, sich mit substanziellen Eigenbeiträgen zu beteiligen." Ziel müsse es sein, die im Land vorhandenen Potenziale konsequent auszuschöpfen und die verbleibende Lücke durch verstärkte Zuwanderung von außen zu schließen. Realistisch sei eine solche Option aber nur, "wenn wir die Stärken des Landes durch ein offensives, auf nachhaltige Wirkung angelegtes 'Saarland-Marketing' glaubwürdig kommunizieren. Gut, dass es dafür inzwischen positive Signale gibt. Unsere IHK wird sich im Bereich Standortmarketing, aber auch in den Bereichen lebenslanges Lernen, bessere Berufsorientierung und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf künftig noch stärker engagieren."
Die Sicherung eines ausreichenden Fachkräfteangebots ist gerade für den Mittelstand besonders drängend. Ein ausgeprägter Fachkräftemangel würde nämlich kleine, wenig bekannte Unternehmen in viel stärkerem Ausmaß treffen als größere Unternehmen mit bekannten Namen. Die Sicherung eines ausreichenden Fachkräfteangebots ist insofern zugleich wirksame Mittelstandsförderung. Und wir brauchen im Land weiterhin einen starken Mittelstand.
Standort attraktiv halten
Nicht minder wichtig ist aus IHK-Sicht, den Wirtschaftsstandort Saarland trotz der angespannten Finanzlage weiter attraktiv und wettbewerbsfähig zu halten. Für die Finanzpolitik muss die Maxime gelten: Vorfahrt für Zukunftsinvestitionen und Bildung. Und: Einsparungen vor allem dort, wo das Land mehr ausgibt als andere Bundesländer. Die Haushaltsstrukturkommission hat solche Ausgabenüberhänge aufgezeigt und Einsparpotenziale quantifiziert. Giersch: "Die Einhaltung der Schuldenbremse ist ein Muss. Das erfordert konsequentes, aber auch zukunftsorientiertes Sparen. Ein 'Zukunftssicherungsprogramm Saarland 2020', wie es die Ministerpräsidentin bereits angekündigt hat, muss dazu die nötige Orientierung geben." Das Gerede vom Kaputtsparen führe in die Irre - schon deshalb, weil es zunächst darum gehe, Ausgaben auf den Durchschnitt der übrigen Länder zurückzuführen.