Absehbar ist, dass die Auslandsnachfrage im nächsten Jahr nicht mehr so stark wachsen wird wie 2010, weil die Weltkonjunktur etwas an Fahrt verliert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für 2011 weltweit ein Wachstum von nur noch 3,8 Prozent nach 4,8 Prozent in 2010. Dämpfend wirkt sich unter anderem aus, dass in wichtigen Industrieländern Konjunkturprogramme auslaufen und dass die in Portugal, Irland, Griechenland und Spanien aufgelegten Sparpakete die Konjunktur dort spürbar drosseln.
Was bei den Ausfuhren an Dynamik verloren geht, wird zu einem guten Teil durch eine kräftigere Binnennachfrage ausgeglichen: Positive Impulse kommen hier sowohl von der heimischen Nachfrage nach Investitionsgütern als auch vom privaten Verbrauch, der von der positiven Arbeitsmarktentwicklung und von steigenden Einkommen profitiert. "Der Aufschwung dürfte damit in 2011 weiter an Breite gewinnen - bundesweit ebenso wie im Land", so Dr. Weber.
Mehr Arbeitsplätze, weniger Arbeitslose
Günstig verläuft die Entwicklung auch bei der Beschäftigung. Seit Jahresbeginn hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse um über 10.000 auf 358.000 erhöht. Ein vergleichbar hohes Beschäftigungsniveau hatten wir zuletzt im Herbst 2002. Im kommenden Jahr dürften nochmals 4.000 neue Arbeitsplätze hinzukommen. Zu Zuwächsen wird es nicht nur in den Dienstleistungsbereichen, sondern auch in den Kernbranchen der Industrie kommen.
Vor diesem Hintergrund wird die Entwicklung auf dem saarländischen Arbeitsmarkt weiter freundlich bleiben. Im laufenden Jahr sind Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit in einem Ausmaß zurückgegangen, das selbst größte Optimisten überrascht hat. Aktuell sind rund 35.000 Menschen im Saarland arbeitslos gemeldet. Das ist der niedrigste Stand seit zwei Jahren. Bis Ende 2011 rechnet die IHK mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit auf rund 33.000. Das entspricht einer Verringerung der Arbeitslosenquote von derzeit sieben auf 6,5 Prozent. "Da die Wachstumsaussichten positiv bleiben und die Zahl der Erwerbspersonen demografiebedingt sinkt", so Dr. Weber, "rückt das Ziel Vollbeschäftigung im weiteren Verlauf des Jahrzehnts in Sichtweite."
Die insgesamt günstige Konjunkturlage darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass einige Branchen nach wie vor im Schatten der Konjunktur liegen. Dazu zählen insbesondere die Bauwirtschaft und baunahe Bereiche wie die Keramikindustrie. Auch im Hotel- und Gaststättengewerbe ist der Anteil der Betriebe, die über schlechte Geschäfte berichten, noch überdurchschnittlich hoch. "Für diese Bereiche sehen wir für 2011 Zeichen der Hoffnung", so Dr. Weber.
Ins Bild gehört zudem, dass die weltwirtschaftliche Entwicklung nicht frei von Risiken ist. Zu nennen sind etwa mögliche Turbulenzen auf den Finanz- und Währungsmärkten, ein erneutes Einbrechen der US-Konjunktur oder auch Versorgungsengpässe auf den Rohstoffmärkten. Die IHK-Prognosen stehen unter dem Vorbehalt, dass diese Faktoren das weltwirtschaftliche Wachstum nicht stärker dämpfen als in der IWF-Prognose unterstellt.
Hohes Wachstumspotenzial dank Exportstärke
Insgesamt gesehen hat die Wirtschaftskrise erneut in aller Klarheit gezeigt, dass die exportorientierte Saarwirtschaft besonders volatil auf Schwankungen der Weltkonjunktur reagiert. In schwierigen Zeiten belegt das Land in Rankings der Bundesländer deshalb hintere Plätze, in Aufschwungphasen rangiert es relativ weit vorne. Gründe dafür sind das starke Gewicht der Industrie (36 Prozent BIP-Anteil im Saarland, 30 Prozent im Bund) und innerhalb der Industrie die hohe Exportquote. "Nach unserer Schätzung", so Giersch, "gehen mehr als 70 Prozent der saarländischen Industrieproduktion ins Ausland. 50 Prozent werden direkt exportiert, weitere 20 Prozent indirekt." Bei den indirekten Exporten handelt es sich um Teile, Systeme und Komponenten, die zunächst an Kunden in Deutschland geliefert würden und dann mit deren Produkten - insbesondere Fahrzeuge und Maschinen - in den Export gehen.
"Auf mittlere und lange Sicht ist die Exportorientierung für unser Land ein Vorteil", so Dr. Weber. "Denn die Weltwirtschaft wird künftig im Trend stärker wachsen als die deutsche Binnenwirtschaft. Im Inland bremst der demografische Wandel. Weltweit treibt der Wachstumshunger der Schwellenländer. Für Regionen, die wie das Saarland viel exportieren, sehen wir deshalb ein höheres Wachstumspotenzial als für Regionen mit einer stärker binnenorientierten Wirtschaft. Allerdings müssen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Wirtschaft dieses Potenzial auch umsetzen kann." Notwendig dazu sei vor allem zweierlei:
Zukunftsorientiert sparen
Erstens muss die Landesregierung trotz der vorhandenen Sparzwänge dafür Sorge tragen, dass das Land ein attraktiver Industrie- und Wirtschaftstandort bleibt. Ansonsten wächst die Gefahr, dass die Unternehmen an anderen Standorten investieren und Arbeitsplätze dorthin verlagern. Angesichts des hohen Anteils von Zweigbetrieben und Tochterunternehmen hätte dies gerade hier im Land weitreichende Folgen.
Für die Haushaltsgestaltung in den kommenden Jahren muss deshalb gelten:
- Vorfahrt für Standort prägende Investitionen und für Bildung sowie
- forcierte Einsparungen überall dort, wo das Land mehr ausgibt als andere Länder. Hierzu wird die Haushaltsstrukturkommission eine wichtige und unverzichtbare Vorarbeit leisten.
Spielräume für Einsparungen gibt es aus Sicht der IHK noch in beträchtlichem Umfang - auch und gerade bei den konsumtiven Ausgaben. Es ist deshalb richtig und wichtig, dass die Landesregierung die Auflagen der Schuldenbremse einhalten und so den Weg frei machen will für die zugesagte Solidarhilfe von 2,3 Milliarden Euro." "Das Gerede vom Kaputtsparen lenkt von den Realitäten ab", so Giersch. "Wir riskieren die Eigenständigkeit nicht, wenn wir sparen. Wir riskieren sie, wenn wir nicht sparen."
Ein hoher Stellenwert kommt überdies auch der Energiepolitik zu - im Bund und im Land. Sie muss dafür sorgen, dass die Energieversorgung der Wirtschaft sicher und bezahlbar bleibt. Darauf ist die stromintensive Saarindustrie in besonderem Maße angewiesen.
Zugleich warnt die IHK vor Gesetzesvorhaben, die zu Lasten der Standortqualität gehen. Dazu zählt etwa die geplante Verbandsklage für Tierschutzverbände. "In der Praxis wird dieses Klagerecht, wenn es genutzt wird, längere Genehmigungsdauern und einen höheren Genehmigungsaufwand zur Folge haben - und zwar für öffentliche und gewerbliche Investitionsvorhaben", so Giersch. "Für einen Industriestandort ist das Gift."
Pakt für Qualifizierung und Fachkräftesicherung
Zweitens muss das Land die Herausforderungen, die mit dem demografischen Wandel verbunden sind, offensiv angehen. Ansonsten wird ein zunehmender Fachkräftemangel das Wachstum hierzulande nachhaltig bremsen und das Land im Wachstumsranking der Bundesländer spürbar zurückwerfen. Denn der demografische Wandel fällt im Saarland deutlich stärker aus als in den anderen westdeutschen Flächenländern.
"Die Gespräche am "Runden Tisch Fachkräftesicherung" laufen aus unserer Sicht konstruktiv und zielorientiert. Jetzt gilt es", so Dr. Weber, "einen Pakt für Qualifizierung und Fachkräftesicherung zu schmieden, in den sich die Landesregierung, die Agenturen für Arbeit und die Wirtschafts- und Arbeitnehmerorganisationen mit substanziellen Beiträgen einbringen. Nur wenn wir die Sicherung des Fachkräftebedarfs als Gemeinschaftsaufgabe angehen und die Kräfte im Land bündeln, können wir die Herausforderung Demografie erfolgreich meistern."
Wachstumskräfte stärken
Für eine nachhaltige Stärkung der Wachstumskräfte in Bund und Land sind aus Sicht der IHK überdies strukturelle Verbesserungen bei der Unternehmensbesteuerung erforderlich, die die Investitionsfähigkeit der Wirtschaft stärken. Das Steuersystem sollte einfacher und transparenter werden. Vor allem aber muss es so ausgestaltet werden, dass es nicht länger Eigenkapital aufzehrt und Liquidität gefährdet. Deshalb sind Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer abzuschaffen, die dazu führen, dass Unternehmen selbst dann noch Steuern zahlen, wenn sie rote Zahlen schreiben. Zur Stärkung der Investitionen regt die IHK zudem an, die degressive AfA auch nach dem 31. Dezember 2010 fortzuführen. Dr. Weber: "Zur Finanzierung dieser Maßnahmen schlagen wir vor, die Subventionen an die Wirtschaft entsprechend zu kürzen."
* Prognose des DIHK für die bundesdeutsche Wirtschaft