Die Präsidenten der Wirtschaftsorganisationen sehen das Saarland im Vergleich zur deutschen Wirtschaft insgesamt bei wichtigen volkswirtschaftlichen Kennzahlen deutlich verbessert - bei manchen belege es mittlerweile sogar Spitzenplätze unter den deutschen Wirtschaftsregionen. So sei das Saarland der produktivste Industriestandort aller Flächenländer, weise die zweithöchste Exportquote aller Bundesländer auf und habe im laufenden Jahrzehnt das zweitstärkste Wirtschaftswachstum - hinter Bayern - erreicht. Es belege unter den 16 Bundesländern den sechsten Platz beim Wohlstandsindikator "BIP pro Kopf", den fünften Rang bei der Arbeitslosenquote und Platz 7 bei der Arbeitsplatzdichte (Zahl der der Arbeitsplätze je 1.000 Einwohner). Saarländische Unternehmen kümmerten sich zudem vorbildlich um den Nachwuchs: gemessen an der Einwohnerzahl habe im vergangenen Jahr nur Bremen mehr Ausbildungsplätze bereitgestellt als das Saarland, so die Präsidenten.
Vieles von dem, was sich an der Saar in den vergangenen Jahrzehnten zum Positiven verändert habe, sei bundesweit leider kaum bekannt. Daher seien weitere Anstrengungen zur Imageverbesserung dringend geboten. IHK-Präsident Weber verwies auf die von IHK, HWK und VSU zusammen mit der Landesregierung gestartete Initiative "Standortmarketing Saarland". Sie solle der Startschuss für einen mehrjährigen Prozess der Markenbildung sein, den es in den nächsten Jahren kontinuierlich fortzusetzen gelte. Von der künftigen Landesregierung erwarten die saarländischen Wirtschaftsorganisationen, dass sie gemeinsam mit der Wirtschaft die finanziellen und institutionellen Voraussetzungen dafür schafft.
Um das strukturelle Defizit im Landeshaushalt schrittweise zu reduzieren, fordern die Spitzenorganisationen der Wirtschaft harte und schmerzhafte Einschnitte auf der Ausgabenseite und Verbesserungen auf der Einnahmeseite. Anzusetzen sei vor allem bei den Personalkosten im Landesdienst, die - größenbereinigt - um rund 35 Millionen Euro über dem Niveau von Rheinland-Pfalz und Niedersachsen lägen. Weber: "Spielraum besteht zudem bei den Sozialstandards und bei der Beamtenversorgung. Keine Kürzungen darf es dagegen bei wichtigen Zukunftsinvestitionen und in der Wirtschaftsförderung geben." Die Verankerung einer Schuldengrenze in der saarländischen Landesverfassung wird von den Wirtschaftsorganisationen ausdrücklich begrüßt.
Eine zentrale Herausforderung für das Saarland sehen die Wirtschaftsorganisationen in der demographischen Entwicklung. Mit dem Einwohnerschwund und dem gleichzeitigen überdurchschnittlichen Anstieg des Durchschnittsalters der saarländischen Bevölkerung seien Engpässe auf dem Arbeitsmarkt vorprogrammiert. Um dem Saarland bei sinkender Bevölkerungszahl den notwendigen Fachkräftenachwuchs zu sichern, müsse das "Erfolgsmodell Ausbildungspakt" fortgesetzt werden. Weber wies darauf hin, dass längst noch nicht alle Schulabgänger fit für eine Ausbildung im dualen System seien - und viel zu viele Jugendliche die Schulen ohne Abschluss verlassen. Weber: "Hier sind wir im Land zwar besser geworden - aber noch nicht gut genug."
Was aus Sicht der Saarwirtschaft zu tun ist, um den begonnenen Weg einer Qualitätsoffensive in der schulischen und vorschulischen Bildung fortzusetzen, erläuterte HWK-Präsident Kirf. Zentral sei zunächst ein früher Lernbeginn - hierdurch könne auch eine größtmögliche Chancengleichheit für die Kinder erreicht werden. Die Wirtschaftsorganisationen wünschen sich dazu - nach der Ausgestaltung des dritten Kindergartenjahres in eine Art "Vorschule" - eine schrittweise Herabsetzung des Einschulungsalters; zudem solle der Ausbau der Ganztagsschulen und Ganztagskindergärten weiter intensiviert werden. Da mehr Qualität dauerhaft vor allem durch höhere Motivation und mehr Eigenverantwortung entsteht, sei zudem mehr Freiheit für die Schulen und mehr Wettbewerb zwischen ihnen notwendig. IHK, HWK und VSU fordern von der nächsten Landesregierung, den in einigen Schulen begonnenen Modellversuch umgehend in Gänze umzusetzen. Generell sei es dringend notwendig, mehr Geld in die Bildung zu investieren. Kirf: "Das, was man aufgrund der rückläufigen Schülerzahlen sowie durch Verringerung der konsumtiven Ausgaben einsparen kann, muss konsequent in die Bildung eingebracht werden."
Wichtig ist nach Auffassung der Spitzenorganisationen der Wirtschaft zudem die weitere Förderung von Existenzgründung und Mittelstand. Kirf: "Für die Zukunft kommt es darauf an, die Mittelstandsförderung trotz der angespannten Haushaltslage auf hohem Niveau fortzuführen. Dabei ist es erforderlich, die Förderinstrumente und die weitere Vernetzung der Unternehmen auf Branchenebene gezielt weiter zu entwickeln." Um die Unternehmerlücke zu schließen, seien die Saarland Offensive für Gründer (SOG) und die Instrumente der finanziellen Gründerförderung auszubauen. Zudem sollte schon in den Schulen ein positives Unternehmerbild vermittelt werden, so Kirf.
Die Wirtschaftsorganisationen erwarten von der künftigen Landesregierung, dass sie die jüngste Novellierung des KSVG wieder rückgängig macht und den Paragrafen 108 KSVG restriktiver fasst. Aus Sicht der Wirtschaftsorganisationen sollte einer Kommune nur noch dann eine wirtschaftliche Betätigung erlaubt sein, wenn ein dringender öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert. Kirf: "Nur auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass die private Wirtschaft wirksam vor einem unfairen Wettbewerb durch kommunale Unternehmen geschützt wird".
Auch wenn in den vergangenen Jahren einiges getan wurde, um den Standort Saarland aufzuwerten, konstatieren IHK, HWK und VSU hierzulande weiterhin eine Reihe von Standortnachteilen gegenüber Unternehmen in anderen Bundesländern. VSU-Präsident Weisweiler: "Hierzu gehören vor allem die Krankenstände, die Zahl der Feiertage und die Gewerbesteuerbelastung - aber auch der gerade eingeführte Wassercent". Die Organisationen der Saarwirtschaft fordern von der künftigen Landesregierung ein Standortaufwertungsprogramm. Weisweiler: "Bei allen genannten Standortnachteilen müssen wir schnellstmöglich auf mindestens bundesdurchschnittliche Werte zu kommen - insbesondere auch bei den Hebesätzen der Gewerbesteuer."
Die saarländische Wirtschaft fordert alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte im Saarland auf, sich klar zum Energiestandort Saarland zu bekennen. Dies gelte insbesondere auch für den Bau neuer Steinkohlenkraftwerke auf der Basis von Importkohle - falls dem Saarland eine solche Chance noch einmal geboten wird. Da sich Energiepolitik in der Bundesregierung mittlerweile fast ausschließlich an umwelt- und klimapolitischen Zielen orientiere, sei es geboten, den Zielen Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit wieder einen mindestens gleich hohen Stellenwert einzuräumen. Weisweiler: "Hierauf muss die Landespolitik über ihren Einfluss im Bundesrat und den innerparteilichen Gremien zwingend hinwirken".
IHK, HWK und VSU sprechen sich gegen ein saarländisches Tariftreuegesetz aus. Allein die rechtlichen Bedenken seien so groß, dass jeder Versuch, die Thematik rechtlich zu regeln, anschließenden Streitigkeiten Tür und Tor öffne. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Belastungen für den Steuerzahler massiv anstiegen. Weisweiler: "Es gibt viele seriöse Unternehmen, die keine Tarifverträge anwenden. Es macht Sinn, dass tarifgebundene Firmen sich im Wettbewerb mit nicht tarifgebundenen bewähren - gerade auch vor dem Hintergrund leerer Kassen im Saarland.".
Zur Stärkung der Innovationskraft der Saarwirtschaft kommt aus Sicht der Spitzenorganisationen der Saarwirtschaft den Hochschulen und Forschungseinrichtungen eine besondere Bedeutung zu. Studienangebote und Forschungsschwerpunkte sollen sich künftig stärker als bisher an den Bedürfnissen der saarländischen Wirtschaft orientieren. Weisweiler: "Handlungsbedarf haben wir insbesondere im Bereich der Ingenieurwissenschaften erkannt und ja auch gemeinsam mit der Landesregierung das Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik gegründet. Wir vertrauen darauf, dass die gute Kooperation in der nächsten Legislaturperiode fortgeführt wird."