Dieses Wachstumspotenzial werde die Wirtschaft allerdings nur dann voll ausschöpfen können, wenn den Saar-Unternehmen auch künftig genügend Fachkräfte zur Verfügung stünden. Der demografische Wandel, der im Saarland früher eingesetzt habe und deutlich stärker ausfalle als in anderen westdeutschen Ländern, drohe schon bald zur Wachstumsbremse zu werden. "Wir müssen deshalb energisch und mit vereinten Kräften gegensteuern. Dies etwa im Rahmen einer Allianz für Qualifizierung und Fachkräftesicherung, in die sich alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen mit substanziellen Beiträgen einbringen", so Dr. Weber.
Positiv wertet die IHK die Fortschritte, die bisher am Runden Tisch "Fachkräftesicherung" erzielt werden konnten, der von der saarländischen Landesregierung initiiert und moderiert wird. Die IHK appelliert an alle beteiligten gesellschaftlichen Gruppen, auf der Grundlage der vorliegenden Positionspapiere nochmals eingehend zu prüfen, ob und inwieweit sie zusätzliche Beiträge zur Lösung des Problems leisten können. "Ohne eine solche gemeinsame Kraftanstrengung läuft unser Land Gefahr, beim Wachstum im Reigen der Bundesländer deutlich zurückzufallen", so Giersch. Es gebe bereits mehrere Prognosen, in denen das Saarland mit einem demografischen Wachstums-Malus von einem halben Prozentpunkt pro Jahr versehen werde. Begründet werde dies damit, dass der demografische Wandel im Saarland erheblich stärker ausfällt als in den übrigen westdeutschen Flächenländern - was die Zahlen laut IHK in aller Deutlichkeit belegen.
- Während die Einwohnerzahl im Saarland bis 2020 um sieben und bis 2030 um zwölf Prozent fällt, sinkt sie im Bund in den gleichen Zeiträumen nur um zwei bzw. fünf Prozent. Das heißt in absoluten Zahlen: In nur zwei Jahrzehnten nimmt die Bevölkerung im Saarland um 120.000 Einwohner ab. Dem entspricht der heutige Einwohnerstand der Städte Völklingen, Homburg und St. Ingbert zusammen.
- Noch krasser fällt der Rückgang bei den Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahren aus. Auch hier hat das Saarland gegenüber dem Bund das Nachsehen. Denn deren Zahl sinkt im Saarland bis zum Ende des Jahrzehnts um 18 Prozent, im Bund nur um 13 Prozent. Gleichzeitig schrumpft die Anzahl der Schulabgänger um fast ein Viertel.
- Sorge bereitet insbesondere auch, dass die Zahl der Erwerbspersonen, also der Menschen zwischen 20 und 65, im Saarland bis zum Jahre 2030 um etwa ein Fünftel abnehmen wird. Bundesweit fällt der Rückgang mit elf Prozent nur etwa halb so groß aus.
"In der Konsequenz bedeutet das", so Giersch "dass es nicht reicht, gleich viel zu tun wie die übrigen Länder. Wir müssen deutlich mehr tun, wenn wir im Ländervergleich nicht schon bald zurückfallen wollen."
Im Zuge des demografischen Wandels werde sich der Arbeitsmarkt gerade im Saarland mehr und mehr zum Anbietermarkt entwickeln. Die Demografie sei damit Chance und Risiko zugleich. Dr. Weber: "Die jungen Menschen werden künftig von deutlich besseren Berufsaussichten profitieren, die Chancen Älterer auf eine (Wieder-)Beschäftigung steigen, die Arbeitslosenzahl geht weiter zurück. Das ist die positive Seite der Medaille. Die Kehrseite ist der zunehmende Fachkräftemangel."
Aus Sicht der IHK sind Initiativen unter anderem auf folgenden Handlungsfeldern nötig:
Bildungsoffensive fortsetzen
In einer Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung komme der Bildungspolitik eine zentrale Rolle zu. Dabei sei die gesamte Bildungskette in den Blick zu nehmen - angefangen von der frühkindlichen Bildung bis hin zur akademischen Ausbildung an den Hochschulen. "Derzeit verlassen sechs Prozent eines Jahrgangs die Schulen ohne einen Abschluss. Viele davon bleiben ohne Ausbildung. Jeder siebte Jugendliche ist nicht ausbildungsreif. Das können und dürfen wir uns künftig nicht mehr leisten", so der IHK-Präsident. "Lernen bereits im Kindergarten, frühere Einschulung, mehr Ganztagsschulen, mehr Eigenverantwortung für die Schulen heißen die Stichworte."
Ausbau der Ingenieurwissenschaften
Im Hochschulbereich sei zu prüfen, wie sich die Studienangebote im weiteren Verlauf des Jahrzehnts noch stärker am Bedarf hier im Land ausrichten lassen. Deshalb hätten Metallverband und IHK auch den Ausbau der Ingenieurwissenschaften an den Saar-Hochschulen und den Aufbau des Zentrums für Mechatronik und Automatisierungstechnik massiv unterstützt. Weitere Schritte seien erforderlich. "Gerade auch mit Blick auf die angespannte Finanzlage halten wir es für nötig, in einem hochschulübergreifenden Entwicklungsplan 2020 festzulegen, wo in Zukunft die Schwerpunkte von Forschung und Lehre im Saarland liegen sollen", so Giersch.
Lebenslanges Lernen durch Weiterbildung
Wenn immer weniger Jugendliche für eine duale Ausbildung zur Verfügung stünden, werde es umso wichtiger, in die berufliche Weiterbildung der Mitarbeiter zu investieren. Dabei seien die Unternehmen ebenso gefordert wie ihre Mitarbeiter. Zudem gelte es, die vorhandenen Weiterbildungsangebote kontinuierlich an die sich ändernden Anforderungen anzupassen. "Die IHK wird deshalb ihr Angebot an Zertifikatslehrgängen weiterentwickeln und dabei insbesondere auch Angebote für ältere Arbeitnehmer konzipieren", so Weber.
Ältere Arbeitnehmer besser integrieren
Ältere Arbeitnehmer sind heute gesünder, fitter und leistungsfähiger als früher. Ihnen sollte nach Ansicht der IHK durch gezielte Ansprache und spezifische Weiterbildungsangebote längeres Arbeiten beziehungsweise die Rückkehr in den Beruf erleichtert werden. Die Unternehmen sollten sich das Erfahrungswissen der Älteren rechtzeitig durch die Einrichtung altersgemischter Teams und altersgerechter Arbeitsplätze sichern. Das zu Beginn des Jahres bei der ZPT eingerichtete Kompetenzzentrum Ü 55 könne hierzu wichtige Impulse geben und insbesondere auch dazu beitragen, ältere Menschen, die arbeitslos sind, wieder schneller in den Arbeitsprozess zu integrieren. Das Kompetenzzentrum wird gemeinsam von Landesregierung, Wirtschaftsorganisationen und den Arbeitsagenturen getragen.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern
Trotz deutlicher Fortschritte in den letzten Jahren liegt die Erwerbsquote der Frauen im Saarland immer noch unterhalb derjenigen der Männer. Das liegt laut IHK im Wesentlichen an der oft noch unzureichenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dem Ausbau von Kinderkrippen, Kindergärten, Kindertagesstätten und Ganztagsschulen komme deshalb eine vorrangige Bedeutung zu. Die Unternehmen sind aufgerufen, vermehrt flexible Arbeitszeitmodelle anzubieten, damit die Bedürfnisse der Beschäftigten mit den Interessen des Unternehmens besser zu vereinbaren sind und sie für Fachkräfte attraktiver werden. Unternehmen, die bereits angefangen haben, ihre Betriebe "demografiefest" zu machen, erhalten schon jetzt umfangreiche Unterstützung. Die von der Landesregierung, den Spitzenorganisationen der Saarwirtschaft und den Arbeitsagenturen gemeinsam getragenen Projekte "Arbeiten und Leben im Saarland" und "AnschlussDirekt" beraten und fördern Unternehmen in diesem Prozess und helfen, Jugendliche schneller in Ausbildung zu bringen. Darüber hinaus werden IHK und VSU gemeinsam eine Reihe spezieller Workshops anbieten, um den Unternehmen die unterschiedlichsten Möglichkeiten aufzuzeigen, mit den Folgen der demografischen Entwicklung umzugehen.
Abbrecherquoten im Bildungsbereich reduzieren
Zur Sicherung eines ausreichenden Fachkräfteangebotes seien zugleich auch alle Möglichkeiten zu prüfen, wie die Übergangszeiten von der Schule in berufliche Ausbildung und Studium nachhaltig verkürzt werden können und wie sich die Abbrecherquoten in der dualen Ausbildung und im Studium deutlich reduzieren lassen.
Durch Standortmarketing Arbeitskräfte von außerhalb gewinnen
Bei alledem sei das Saarland in Zukunft mehr und mehr darauf angewiesen, Fachkräfte von außerhalb seiner Grenzen anzuziehen. Das derzeitige Saarland-Image mache es Unternehmen aber schwer, Fachkräfte von außen zu gewinnen. Deshalb sei es dringend notwendig, ein offensives Standortmarketing zu betreiben. Einen Anfang hätten die Landesregierung sowie IHK, VSU und Handwerkskammer mit ihrer gemeinsamen Kampagne "Unternehmen Saarland" gesetzt. "Unser Land braucht jetzt ein auf längere Sicht angelegtes professionelles Standortmarketing und eine Struktur, die dieses verantwortlich betreibt", so Dr. Weber.
"Klar sein muss mit Blick auf all diese Handlungsfelder", so Dr. Weber: "Es geht angesichts der Dimension des Problems nicht um ein "Entweder oder", sondern um ein "Sowohl als auch".