Was mache ich bloß falsch? Kurt Hanselmann saß vor zwei Jahren ratlos am Schreibtisch, studierte mit seinem Finanzchef die Bilanzen: Alles picobello, die Eigenkapitalquote vielleicht etwas niedrig, die Stückzahlen seines Groß-handels für Lederbekleidung sinkend - aber keine roten Zahlen.
"Uns gehen die Kunden aus", wusste der geschäftsführende Gesellschafter der Gino Ginero Ledermoden GmbH schon damals. "Wegen Geschäftsauf-gabe müssen wir Ihnen leider mitteilen ..."so fangen viele Briefe nach Crails-heim an. Laufend kündigt ein Leder-Fachgeschäft nach dem nächsten seine Lieferverträge mit Gino Ginero. Also - was tun?
Was inzwischen hinzukommt: Angesichts hoher Preise sparen viele Ver-braucher, vor allem bei Kleidung. Textil-Einzelhändler haben deshalb bun-desweit Umsatznot; im ersten Halbjahr 2008 brachen ihre Verkaufszahlen um vier bis fünf Prozent ein. Folgen daraus spürt der Crailsheimer Großhändler hautnah. "Noch ein Jahr mit so einem Umsatzeinbruch können auch wir uns nicht leisten", meint Hanselmann. "Ich frage mich, ob unsere Existenz noch berechtigt ist."
Früher als mancher andere Unternehmer bat er die IHK Heilbronn-Franken um Hilfe. Finanziell von der KfW Mittelstandsbank getragen, durchleuchtete daraufhin ein Berater das Unternehmen. Heraus kamen Strategien und ein neues Marketing für die Zukunft. "Der Runde Tisch brachte uns dazu, endlich neue Marktsegmente zu erschließen", schildert Hanselmann. "Wir sind modi-scher geworden, haben zwei neue Damenlederkollektionen entwickelt, eine für die moderne Frau mittleren Alters, sowie eine preiswerte Young Fashion Kollektion für junge Mädchen."
Das brachte auch den sieben Mitarbeitern, die seit zwei Jahren immerhin auf ein Fünftel ihres Gehalts verzichten und einen Tag kürzer pro Woche arbei-ten, wieder Hoffnung. Ein Problem ist zurzeit noch, für die neuen Kollektionen einen schlagkräftigen Vertrieb aufzubauen. Hanselmann: "Es ist extrem schwierig, beim Fachhandel gut eingeführte Handelsvertreter zu bekommen." Ob "Gino Ginero" als günstige Marke neben Boss und Armani trumpfen kann, bleibt also fraglich.
Miese Konsumlaune in Deutschland kann die am Runden Tisch gefundene Neuausrichtung nicht aufhellen. Fabrikverkauf und das Internet sind aber zwei von etlichen Möglichkeiten, die Zukunft zu meistern. "Ich bin jetzt beru-higt, dass wir zumindest betriebswirtschaftlich in Ordnung sind", sagt Han-selmann im Rückblick. "Inzwischen stehen die Überlebenschancen für das Unternehmen 50 zu 50", meint Berater Sven Denninger.
"Viele Unternehmer verschlafen den Wandel", fügt Denninger hinzu, "sie greifen erst fünf vor zwölf zur Beratung, wenn aus Strategieproblemen längst Liquiditätsengpässe geworden sind." Gino Ginero sei ein Glücksfall. Wenn Kredite gekündigt werden, sei es meist schon zu spät. Nach Zahlen der Wirt-schaftsauskunftei Creditreform ist die Pleitegefahr im Textilhandel zurzeit höher als in der gesamten Wirtschaft. Experten rechnen mit einem schwieri-gen Jahr für den Modehandel. Marktbereinigungen seien absehbar.
Vorbilder dafür, wie man am besten wirtschaftet, sind auf klare Zielgruppen ausgerichtete Label-Anbieter wie Esprit oder Zara, die meist auch exklusiv produzieren lassen. Sie bringen bis zu 13 Kollektionen pro Jahr heraus und locken Kunden in immer kürzeren Abständen zum Einkauf in ihre Marken-Stores. Wird Gino Ginero imstande sein, sich gegen solche Konkurrenz zu behaupten?
"Ich kann jedem Unternehmer in ähnlicher Lage nur empfehlen, einen Run-den Tisch zu beantragen", meint Hanselmann, "ich weiß nun, wo ich stehe, und dass wir auf dem richtigen Weg sind."
So funktioniert de Runde Tisch
Ein Anruf genügt: Im Vorfeld prüft die Kammer dann anhand eingereichter Unterlagen, ob das betroffene Unternehmen in einer Krise steckt, die gelöst werden kann. Sie schlägt dem Betrieb dann mehrere Unternehmensberater vor. Das Unternehmen wählt diesen "Paten" selbst aus, muss ihm nur Fahr-kosten bezahlen. Ein vom Berater erstelltes Fortführungskonzept bildet die Grundlage für das Gespräch am Runden Tisch, welche von der zuständigen Kammer moderiert wird.