In die Auswertung gingen die Einschätzungen von mehr als 1.000 Unternehmen im Land ein. Das Geschäftsklima hellte sich vor allem deshalb wieder auf, weil die Firmen ihre Geschäftslage zuletzt so positiv bewerteten wie schon lange nicht mehr: Mit 45,4 Prozentpunkten erreichte dieser Teilindex im vierten Quartal 2015 ein Neun-Jahres-Hoch. Allerdings blieben viele der befragten Unternehmen skeptisch, ob es so gut weitergehen wird. Der Ausblick für 2016 war zuletzt überwiegend negativ, die Erwartungen pessimistisch: Der Indexwert für die Geschäfts-erwartungen lag im Saldo bei -4,8 Prozentpunkten.
Eine mögliche Ursache, warum Lagebewertung und Erwartung so weit auseinanderklaffen, könnte sein: Die Aufwärtsbewegung im Jahresverlauf wurde vor allem von internen und externen Sondereffekten begünstigt, erklärte der Präsident der Industrie- und Handelskammer Magdeburg, Klaus Olbricht. Sowohl der Verfall des Ölpreises als auch die Abwertung des Euro zum Dollar wirkten sich in den Produktionskosten und Exportquoten positiv aus. Im Inland belebten das Niedrigzinsniveau, verbesserte Einkommensverhältnisse und die stabile Beschäftigung den Konsum. Die zur Jahresmitte verstärkte Zuwanderung sorgte für zusätzliche, meist öffentliche Nachfrage. „Auf Jahressicht blieb das Geschäftsklima der Unternehmen in Sachsen-Anhalt damit auf einem sehr hohen Niveau weitgehend stabil und unterstreicht die aktuell gute konjunkturelle Lage“, bilanzierte Olbricht.
Die Präsidentin der IHK Halle-Dessau, Carola Schaar, ergänzte, dass nur die gute Konjunktur die Unternehmen vor deutlich negativeren Rückwirkungen, etwa durch Entlassungen, aus dem Anfang 2015 eingeführten Mindestlohn bewahrt habe. „Während die Politik sich für die vermeintliche soziale Errungenschaft feierte, hatten viele Unternehmen durchaus Probleme, manche sogar große Probleme“, betonte sie. 40 Prozent der IHK-Mitglieder in Sachsen-Anhalt meldeten zu Jahresbeginn 2015 erhebliche Schwierigkeiten mit den zusätzlichen bürokratischen Lasten des Gesetzes. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns habe zwangsläufig Anpassungen in der gesamten Lohnstruktur gebracht, so Schaar. „Insgesamt wurde das gesamte Niveau nach oben gezogen“, zeigte Präsidentin Schaar die Konsequenzen auf. „So entstand erheblicher Kostendruck. Über ein Viertel der Unternehmen musste die Preise erhöhen.“
Darüber hinaus formulierte Frau Präsidentin Schaar wirtschaftspolitische Empfehlungen im Vorfeld der Landtagswahl. Allen voran die Forderung nach einer klaren, konstanten und verlässlichen Wirtschaftspolitik, die – so Schaar – „die wettbewerbsbedingt unvermeidbare Unsicherheit für unternehmerisches Handeln nicht noch vergrößern darf“. Weitere, von der Vollversammlung der IHK Halle-Dessau zur Landtagswahl 2016 verabschiedete Positionen sind unter anderem die Konzentration auf den ersten Arbeitsmarkt, eine sichere, bezahlbare und nachhaltige Energiepolitik und die Beachtung insbesondere auch der ökonomischen Nachhaltigkeit beim Umweltschutz. Schließlich ermutigte Frau Schaar die Landesregierung in ihrer Zielstellung, „den Rückgang der Einwohnerzahl des Landes zu stoppen und möglichst eine Trendwende einzuleiten“.
Präsident Olbricht ging in diesem Zusammenhang auf die Fachkräftesituation in Sachsen-Anhalt ein. „Dieses Problem verschärft sich weiter und lässt sich nicht mehr durch einzelne Eingriffe oder Maßnahmen lösen“, konstatierte er. „Wir brauchen ein Gesamtkonzept.“ Dazu gehöre aus Sicht der IHK Magdeburg die offensive Anwerbung ausländischer Fachkräfte und Auszubildender. Die öffentliche Hand müsse dazu in ausreichendem Umfang jene Instrumente finanzieren, die ausländischen Mitbürgern zum Beispiel eine berufsspezifische Sprachvermittlung ermöglichen. Olbricht verwies auf das von der Vollversammlung der IHK Magdeburg verabschiedete Positionspapier zur schnelleren Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Eine zentrale Forderung darin sei, den Rechtsstatus von Asylberechtigten viel schneller zu klären als bisher. Denn vor allem der große Anteil der unter 30-Jährigen, die gleichzeitig ausbildungsfähig seien und über eine hohe Bleibeperspektive verfügten, biete langfristig eine Chance für die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt, so Olbricht. „Diese Einwanderer stellen ein nicht zu unterschätzendes Potenzial an Fachkräften dar“, fasste der Präsident zusammen.
Hintergrund: Die Landesarbeitsgemeinschaft der beiden Industrie- und Handelskammern in Sachsen-Anhalt (LAG) besteht seit 1997 und vertritt die Interessen von über 110.000 Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft in Sachsen-Anhalt. Die Landesarbeitsgemeinschaft führt Umfragen unter ihren Mitgliedsunternehmen durch, erarbeitet fachliche Stellungnahmen und vertritt das Gesamtinteresse der Unternehmen gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit.