Bei dem Besuch, den die DGB-Region Emscher-Lippe und die IHK Nord Westfalen über die Bundestagsabgeordnete Dr. Irene Mihalic initiiert haben, unterstrichen die Mitglieder der Unternehmensinitiative „Klimahafen Gelsenkirchen“ ihre hohe Motivation, „so schnell wie möglich klimaneutral zu produzieren“. Deshalb fordern die Unternehmen, den energieintensiven industriellen Mittelstand bei den anstehenden Fortschreibungen der Wasserstoffstrategien von Bund und Land stärker als bisher zu berücksichtigen.
Dazu Bundeswirtschaftsminister Habeck: Projekte wie diese zeigen, wie ambitioniert viele Akteure daran arbeiten konkrete Klimaschutzprojekte voranzutreiben. Die aktuelle Lage zeigt uns mehr denn je, dass Investitionen in Energieeffizienz und Wasserstoff notwendig sind, denn sie leisten nachhaltig und langfristig einen Beitrag für eine unabhängige Energieversorgung. Wir müssen uns so schnell wie möglich aus der Klammer russischer fossiler Importe befreien und konsequent in Klimaschutz investieren.“
Ministerin Neubaur sagte: „Wir wollen in Nordrhein-Westfalen zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas werden. Dafür brauchen wir Vorreiter-Projekte wie den Klimahafen Gelsenkirchen mit seinem Fokus auf Wasserstoff und Kreislaufwirtschaft. Im regionalen Unternehmensverbund werden hier zukunftsweisende Lösungen in den Bereichen Energie und Rohstoffe entwickelt und umgesetzt. Die Initiative zeigt, wie der nachhaltige Umbau der Industrie hin zur Klimaneutralität im Verbund gelingen kann. Das ist wegweisend für viele andere Industriecluster in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus.“
Im Fokus der Industrieunternehmen bei der Transformation zu einer klimaneutralen Produktion steht die Prozesswärme, die bei der Herstellung von Produkten benötigt und bisher überwiegend mit Erdgas erzeugt wird. „In vielen Bereichen der mittelständischen Industrie ist Wasserstoff der logische Ersatz für Erdgas, sodass viele Anwendungen relativ schnell umzustellen wären“, verdeutlichte der Sprecher der Initiative, Lars Baumgürtel, bei dem Werksrundgang durch die Verzinkerei der ZINQ GmbH & Co. KG. „Der Anteil der Prozesswärme liegt bei fast zwei Dritteln des Gesamtenergiebedarfs der Industrie“, betonte Baumgürtel, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens. Das Potenzial, CO2-Emissionen zu vermeiden, sei entsprechend hoch. Allein bei sechs Unternehmen der Initiative mit hohem Prozesswärmebedarf könnten durch Umstellung auf grünen Wasserstoff pro Jahr bis zu 30.000 Tonnen CO2 eingespart werden, betonte Baumgürtel, der auch Vizepräsident der IHK Nord Westfalen ist.
Um dieses Ziel zu erreichen, setzt sich die Initiative mit Unterstützung der Stadt Gelsenkirchen, des Wissenschaftsparks und der IHK Nord Westfalen unter anderem dafür ein, dass die vom Bund geförderte Wasserstoff-Pipeline GetH2, die 2024 aus dem Emsland kommend Gelsenkirchen-Scholven erreichen soll, bis in den Klimahafen verlängert wird. Parallel dazu prüft die Initiative im Dialog mit Projektentwicklern die Option, Wasserstoff direkt vor Ort mit einem Großelektrolyseur auf Basis von grünem Strom herzustellen.
Gegenüber Bundesminister Habeck und Landesministerin Neubaur präsentierte die Initiative den „Klimahafen Gelsenkirchen“ mit allen dazugehörenden Maßnahmen letztendlich als „Blaupause für die Transformation anderer mittelständischer Industriecluster“. Wie der Klimahafen in weitere Aktivitäten zum Ausbau des Wasserstoffstandortes Gelsenkirchen wie auch der gesamten Emscher-Lippe-Region eingebunden ist, erfuhren Habeck und Neubaur im Anschluss an den Werksrundgang durch kurze Statements weiterer Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung.
Dabei erläuterte Baumgürtel, wie die Gelsenkirchener Unternehmen gemeinsam daran arbeiten, sogenannte zirkuläre Geschäftsmodelle aufzubauen. Die Transformation der Industrie umfasse nämlich mehr als nur die Umstellung der Produktionsprozesse auf CO2-freie Energie. Rund 40 Prozent des industriell genutzten Kohlendioxids „stecken in Produkten aller Art, die derzeit noch so verbaut sind, dass wir sie nicht wieder nutzen können“. Das müsse sich zukünftig ändern. Die EU wolle deshalb für alle Produkte, die in der EU produziert oder in die EU eingeführt werden, so genannte Produktpässe erstellen lassen. „Das wird eine riesige Herausforderung für die Industrie“, betonte Baumgürtel, „aber nur wenn wir genau wissen, was in den Produkten steckt, schaffen wir es, den Rohstoffverbrauch vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln“. Das Unternehmen ZINQ nutzt diese Vorgehensweise schon heute und kann so jedem Kunden CO2-Gutschriften ausstellen.
DGB-Geschäftsführer Mark Rosendahl und IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel als Initiatoren des Besuchs werten die Gespräche als wichtigen Beitrag, mit der Transformation zur klimaneutralen Produktion industrielle Wertschöpfung und qualifizierte Arbeitsplätze in Gelsenkirchen zu sichern und Voraussetzungen für neue Arbeitsplätze zu schaffen. Bei der Transformation könnten die Kompetenzen und die Potenziale der Unternehmen und Beschäftigten aus der einstigen Energiezentrale Deutschlands eine entscheidende Rolle spielen und die bundes- und landespolitischen Maßnahmen unterstützen, zeigten sich beide überzeugt von der Qualität des Industriestandorts. Rosendahl betonte, dass die Zusammenarbeit von Geschäftsleitungen und Beschäftigten mit den Betriebsräten die beste Grundlage biete, kreative Lösungen zu entwickeln.
Der IHK-Bezirk Nord Westfalen ist überdurchschnittlich stark geprägt von der energieintensiven Industrie. Mit fünf Prozent hat sie hier einen überdurchschnittlich hohen Anteil an der sozialversicherungspflichtigen Gesamtbeschäftigung. Im Bundesdurchschnitt liegt der Anteil bei 3,4 Prozent.