Thilo Rentschler, IHK-Hauptgeschäftsführer, fordert daher: „Die Ursachen für die konjunkturellen Belastungen der Unternehmen in Ostwürttemberg können und sollten zeitnah abgebaut werden, um insbesondere die schleichende Abwanderung zu verhindern. Strukturelle Reformen müssen konsequent weiter vorangetrieben werden und dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden.“
Geschäftslage befriedigend, Geschäftserwartungen pessimistisch
Fast jedes dritte Unternehmen in Ostwürttemberg beschreibt seine Geschäftslage weiterhin als gut, die Hälfte bewerten sie mit „befriedigend“ und jedes fünfte mit „schlecht“. Anders bei den Erwartungen: Fast jedes fünfte Unternehmen geht von einer Verbesserung der Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten aus – im Frühsommer war es noch jedes vierte Unternehmen. Gleichzeitig geht jedes dritte Unternehmen von einer Verschlechterung ihrer Geschäftstätigkeit aus. Dieser Wert lag im Frühsommer noch um 13 Prozentpunkte niedriger.
Weiterhin multiple Risiken und Herausforderungen
Insgesamt schätzen die Unternehmen in Ostwürttemberg die wirtschaftlichen Risiken höher ein als noch im Frühsommer 2024. Hauptrisiko ist zwar weiterhin – als Folge der Kaufzurückhaltung und der unsichereren Rahmenbedingungen – die Inlandsnachfrage mit mehr als 70 %. Danach folgen die Arbeitskosten. Das Risiko Fachkräftemangel nimmt nochmals und um mehr als 10 Prozentpunkte ab. Weiter abnehmende Bedeutung ist bei Energie- und Rohstoffpreisen und Finanzierung festzustellen, während ein Drittel der Unternehmen in der Auslandsnachfrage und den geopolitischen Spannungen ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung sehen, die sich jedoch in absehbarer Zeit wohl nicht lösen werden. 40 % der Unternehmen geben wirtschaftspolitische Risiken an – das entspricht einer Steigerung um 10 Prozentpunkte im Vergleich zum Frühsommer.
Arbeitsmarkt weiterhin robust
Trotz der konjunkturellen und strukturellen Instabilitäten bleibt der Arbeitsmarkt noch weitgehend robust, jedoch mit einer abnehmenden Einstellungsbereitschaft der Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten: Im Herbst 2024 gehen zwar 14 % der Unternehmen von steigenden Beschäftigtenzahlen aus – fast jedes dritte Unternehmen plant jedoch aufgrund der eingetrübten Konjunkturaussichten seine Beschäftigtenzahlen voraussichtlich zu reduzieren. Auch deshalb ist das Risiko Fachkräftemangel nochmals um mehr als 10 Prozentpunkte gesunken. Nichtdestotrotz bleibt das Thema ein strukturelles Problem in Ostwürttemberg.
Investitionsbereitschaft wieder verschlechtert
Ein pessimistisches Bild der Lage zeigt die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten: Nur noch 54 % sprechen von zunehmenden oder gleichbleibenden Inlandsinvestitionen, während es im Frühsommer noch 63 % waren. Dabei handelt es sich vor allem um Ersatzbedarf und damit um Investitionen zum Erhalt der bestehenden Produktionskapazitäten am Standort Ostwürttemberg. Abnehmende Bedeutung haben Investitionen in Umweltschutz und Energieeffizienz.
Verschlechterung bei Auftragseingängen, stabile Ertragslage und ein gemischtes Bild bei den Umsätzen
Die anhaltend schwache Nachfrage zeigt sich bei den Auftragseingängen, die sich im Vergleich zum Frühsommer 2024 verschlechtert haben: Lediglich 14 % der Unternehmen gehen von steigenden Auftragseingängen aus – im Frühsommer war es noch jedes fünfte. Nicht mehr ein Viertel, sondern mehr als 40 % der Unternehmen sprechen von fallenden Auftragseingängen. Mit „gut“ bewerten 24 % der Unternehmen in Ostwürttemberg ihre Ertragslage, mehr als die Hälfte sprechen von „befriedigend“. Ein gemischtes Bild zeigt sich bei den Umsätzen. Hier geht die Schere zwischen „gut“ und „schlecht“ auseinander: 27 % sprechen von „gestiegenen“ Umsätzen, im Frühsommer waren es noch 19 %. Gleichzeitig ist aber auch der Anteil von 40 % auf 48 % gestiegen, die von „gefallenen“ Umsätzen sprechen.
Industrie mit Licht und Schatten, Handel leidet unter Konsumzurückhaltung
In der Industrie ist es zu einer weiteren Drosselung der Produktion gekommen: Die wichtige Kenngröße Kapazitätsauslastung sinkt von 83,7 % im Frühsommer auf nun 78,7 %. Zudem setzt sich die optimistische Erwartungshaltung vom Frühsommer nicht weiter fort: Jedes fünfte Unternehmen spricht von einer Verschlechterung in den kommenden zwölf Monaten, von einer Verbesserung gehen nun 24 % der Unternehmen aus – im Frühsommer war es noch jedes dritte. Lichtblick sind die Exportaussichten im Industriesektor: 36 % der Unternehmen gehen von steigenden Exporten aus. Hauptzielregion ist dabei Nordamerika und die EURO-Zone.
Im Dienstleistungssektor, insbesondere im Handel, wirken sich die überdurchschnittlichen Preiserhöhungen, die hohe Sparneigung sowie die Schwächen in den anderen Sektoren bereits negativ auf Auftragsvolumen, Umsatzerwartungen sowie Beschäftigung und Investitionen aus. Doch die Wirtschaft bräuchte mehr Konsum, um wieder anzuspringen – und Investitionen, die für die Bewältigung der strukturellen Umbrüche und Transformationsprozesse der Wirtschaft in Ostwürttemberg notwendig sind.
Stimmen aus der regionalen Wirtschaft
Die Unternehmen sprechen in ihren Freitextantworten auch im Herbst von multiplen Unsicherheitsfaktoren, die zu fehlender Planungssicherheit führt: Bürokratie, „immer neue Auflagen und Gesetze“ und „lange Bearbeitungszeiten in allen Bereichen“. Nicht mehr erwähnt wird eine restriktive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank – dafür jedoch primär die Unzufriedenheit mit der Wirtschafts- und Strukturpolitik, der es weiterhin an „wirtschaftlichem Weitblick“ fehlen würde. Die „Unsicherheit in der Bevölkerung“ führe zu Zurückhaltung in Konsum und Investitionen. Lediglich ein Unternehmen spricht von „asiatischen Wettbewerbern“ und verweist so auf die weltpolitische Lage sowie die strukturellen Probleme im internationalen Vergleich. Kritisch äußern sich Unternehmen in Ostwürttemberg zur Vier-Tage-Woche sowie der Ausbildungs- und Arbeitsbereitschaft der Mitarbeitenden.
Abschließend betont der IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler: „Beim Thema Transformation ist jeder gefordert, es ist eine Gemeinschaftsaufgabe aller. Die Politik ist in der Pflicht, die Standortbedingungen weiter zu verbessern. Sie muss klar sagen, welche Strategie sie verfolgt und wohin die Reise gehen soll. Weiterhin brauchen wir neuen Leistungswillen. Nur wenn wir konsequent die definierten Aufgaben im kooperativen Miteinander angehen, können wir die Herausforderungen meistern.“
Aus diesem Grund haben Mitte Oktober rund 120 Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik aus Ostwürttemberg konkrete Lösungsvorschläge und politische Forderungen den Verantwortlichen in Berlin vorgestellt. Bei der Präsentation der Region wurde klar, dass die Vorstellungen der Unternehmen in die Denkweise der Politik stärker vordringen müssen. Nur durch wachsendes gegenseitiges Verständnis können neue Ansätze für Lösungen gefunden werden.
Der Konjunkturbericht mit Dashboards und Analysen einzelner Sektoren, einem Blick in die Landkreise sowie weitere Erläuterungen zur Konjunktur sind abrufbar unter: https://www.ihk.de/... oder Seitennummer: 3291754.