Auf der zu Grunde gelegten Skala von -100 bis +100 bewerten die am heimischen Standort befragten Betriebe die Auswirkungen auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit insgesamt über alle Branchen mit -26; für Deutschland liegt dieser Wert sogar bei -27. Die Industrie kommt dabei mit -34 zu einer noch pessimistischeren Chancen-Risiken-Bewertung. Deutschlandweit ist die Bewertung mit -38 ebenfalls noch schlechter.
Mit dem explosiven Anstieg der Energiepreise Mitte 2022, dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und einer sich weiter eintrübenden weltpolitischen Lage, dem Fachkräftemangel, einer kleinteiligen Regulierung und nur langsamen Fortschritten beim Aus- und Umbau der Energieinfrastruktur kommen gleichzeitig eine Vielzahl von Faktoren zusammen, die die Sicht der Wirtschaft massiv eintrüben. So betreffen aus den Top-Fünf-Forderungen an die Politik drei die wesentlichen Baustellen der Energieinfrastruktur: Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Eigenversorgung und Direktlieferverträge (88 Prozent Zustimmung), Zugang zu Wasserstoff (71 Prozent) sowie Überwindung der Engpässe bei Übertragungs- und Verteilnetzen (69 Prozent).
Nach wie vor stellen die hohen Energie- und insbesondere Strompreise eine große Belastung für die Südwestwirtschaft dar. Neben der Ausweitung des Strom-Erzeugungsangebots (und der Direktlieferverträge) zur Preisstabilisierung stimmt auch die überwiegende Mehrheit der BW-Unternehmen der Forderung zu, Steuern und Abgaben auf den Strompreis weiter zu senken. „Die großen Sorgen der Unternehmen bezüglich der Höhe der Energiekosten, der sicheren Energieversorgung und der Energiewende werden bislang von der Politik in Bund und Land weitgehend ignoriert“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler zu den aktuellen Entwicklungen. „Ohne bezahlbaren Strommix, abgesichert durch grundlastfähige Kraftwerke, einen sofortigen Stromnetzausbau bis in alle Gewerbegebiete, droht die Deindustrialisierung unserer Volkswirtschaft.“
Besonders in Baden-Württemberg werden zudem Nachteile durch eine mögliche Teilung der einheitlichen Deutschen Stromgebotszone befürchtet. „Eine hohe Zustimmung von 73 Prozent der Unternehmen zur Forderung nach Entlastung bei den Strompreisen zeigt deutlich auf, dass die Diskussion um einen Industriestrompreis nicht die notwendige schnelle Entlastung für die Breite der Unternehmen bringen kann“, sagt Wolfgang Grenke, Präsident der IHK Karlsruhe, die im Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag in Energiefragen federführend ist.
Thilo Rentschler betont: „Ja zur Energiewende – aber ganzheitlich betrachtet. Dazu gehören der Ausbau von Stromspeichern, Trafostationen, Verteilnetzen uvm. Nur Windkraftanlagen und Solardächer zu denken führt ganz schnell ins Abseits. Bezahlbare Energie und ausreichend Stromleistung muss 24/7 im Sommer wie im Winter in einem stabilen Stromnetzverbund gewährleistet sein.“ Alles andere ist volkswirtschaftlicher Selbstmord, so der IHK-Hauptgeschäftsführer ergänzend zu den Umfrageergebnissen.
Infos zur DIHK-Umfrage
Am Energiewende-Barometer 2023 der IHK-Organisation haben sich bundesweit 3.572 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen beteiligt. „Nie waren die Sorgen um die eigene Wettbewerbsfähigkeit größer“, sagte Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). „Während früher die Unternehmen auch Chancen in der Energiewende gesehen haben, überwiegen nun in der Einschätzung der gesamten Wirtschaft die Risiken“, so Dercks.
Für 52 Prozent der Unternehmen wirkt sich die Energiewende sehr negativ oder negativ auf das eigene Geschäft aus, für nur 13 Prozent sehr positiv oder positiv. In der energieintensiven Industrie sehen sich sogar drei Viertel der Betriebe negativ oder sehr negativ betroffen. „Angesichts der hohen Bedeutung der Industrie sind diese Werte alarmierend“, warnte Dercks.
Drei Viertel der Unternehmen fahren ihre Investitionstätigkeiten zurück. In der energieintensiven Industrie schränkt fast die Hälfte der Firmen ihre Investitionen sogar in den Kernbereichen ein. In der Industrie und hier besonders bei den großen Unternehmen nehmen die Pläne deutlich zu, dem Standort Deutschland den Rücken zu kehren. Fast ein Drittel der Industriebetriebe (32 Prozent) plant oder realisiert die Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland beziehungsweise die Einschränkung ihrer Produktion im Inland – ein Zuwachs von 16 Prozentpunkten, also eine Verdopplung, gegenüber dem Vorjahr. In Baden-Württemberg liegt der Wert bei 31 Prozent – nach 24 Prozent im Vorjahr.