Wir haben bei zwei Experten, die sich in vielen Projekten mit den Herausforderungen zur Digitalisierung in der Energiewirtschaft befasst haben, nachgefragt. Symago Geschäftsführer Hr. Aufmhoff ist seit mehreren Jahren als Entwickler und Startup Coach aktiv. Hr. Schneider betreut, neben Digitalisierungsprojekten im iMSys-Umfeld, als Business Development Manager innerhalb der Intense AG das Thema „Digitalisierung im EVU-Umfeld“.
Aktuell hört man auch bei Energieversorgern immer öfter das Buzzword „Blockchain“. Könnten Sie kurz erklären was eine Blockchain ist?
Hr. Aufmhoff: Eine Blockchain ist ein Konzept einer dezentralen, nachträglich unveränderbaren Datenbank. In den meisten Anwendungsfällen wird das Konzept als Transaktionsbuch verwendet. Heißt alle Transaktionen die in einem Markt (z.B. dem Energiemarkt) getätigt werden, werden bei allen Marktteilnehmern gespeichert und als Basis für die Verifizierung von neuen Transaktionen genutzt. Egal ob nun Buchungen oder Kaufverträge in einer solchen Blockchain verwaltet werden, durch die systemimmanente Unveränderlichkeit der Daten, kann auf einen zentralen Mittelsmann (bspw. Prognosemarkt: virtuelle Marktplattform) verzichtet werden.
Welche Anbieter für Blockchain gibt es am Markt?
Hr. Schneider: Anbieter ist in diesem Kontext ein schwieriger Begriff. Es tummeln sich zunehmend sogenannte „Blockchain as a Service“ - Anbieter im Markt. Diese bieten die grundlegende Implementierung einer Blockchain zur Weiterentwicklung an.
Hr. Aufmhoff: Je nach Anwendungsfall kann solch ein Anbieter als Grundlage genutzt werden. Hier gibt es IBM, Microsoft (Ethereum) und Deloitte’s Rubix. Es gilt aber immer im Einzelfall abzuwägen, ob solch ein Anbieter einer Eigenentwicklung vorzuziehen ist.
Welche Use-Cases sehen Sie aktuell bei Energieversorgern?
Hr. Schneider: Momentan wird in der Energiebranche Blockchain häufig mit der Wortschöpfung „Prosumer“ in Verbindung gebracht. Eine Mischung aus Provider und Consumer. Je mehr der Konsument auch zum Energieerzeuger wird, desto wichtiger könnte hier die Blockchain Technologie werden.
Hr. Aufmhoff: Gerade durch den dezentralen Charakter von kleinen, unabhängigen Energieerzeugern wäre hier der Einsatz einer ebenfalls dezentralen Transaktionsverwaltung ideal. Auch hinsichtlich Abrechnung und Großkundengeschäft könnte die Blockchain hilfreich sein.
Welche Potentiale sehen Sie darüber hinaus? In welchen Szenarien kann der Einsatz einer Blockchain sinnvoll sein?
Hr. Aufmhoff: Grundlegend überall wo Transaktionen hohen Abwicklungsaufwand verursachen. Jeder weiß: Eine Überweisung über zwei unterschiedliche Banken hinweg kann durchaus mehrere Werktage in Anspruch nehmen. Sicherheitsprüfungen, Liquiditätschecks, etc. könnten durch die Blockchain Technologie deutlich beschleunigt werden, da die beiden Transaktionspartner direkt (also ohne Bank) die Validität der Transaktion prüfen können.
Hr. Schneider: Selbiges wäre analog im Energiehandel anzudenken. Der geringere Aufwand für Photovoltaikabrechnung und Vergütung wäre hier anzuführen.
Bitcoin und Blockchain werden häufig synonym verwendet? Wo liegen die Unterschiede?
Hr. Aufmhoff: Zunächst gilt hier klar zu sagen: Synonym sind sie auf keinen Fall zu verwenden. Bitcoin beruht auf der Blockchain Technologie. Jeder Bitcointeilnehmer kann durch das „Transaktionsbuch“ Blockchain, selbstständig Transaktionen validieren und verifizieren. So werden keine Drittanbieter (Trust Service Provider) mehr benötigt. In der Bitcoinblockchain werden „Kontostände“ der einzelnen Marktteilnehmer wiedergespiegelt.
Hr. Schneider: Bitcoin ist eine anonyme digitale Währung, Blockchain ist das Datenbankkonzept auf dem Bitcoin fußt.
Ist Blockchain wirkliche eine disruptive Technologie?
Hr. Schneider: Das Konzept „Blockchain“ ist sehr vielversprechend. Technologie und Idee haben große Vorteile und können durchaus zu einer Schlüsseltechnologie avancieren. Allerdings muss man hier auch klar sagen: Die Technologie der Blockchain ist sehr jung. Viele Banken und langsam auch die Energiekonzerne setzen auf Prototypen und Testprojekte. Ein Blick auf die Technologie lohnt, insbesondere um Möglichkeiten auszuloten und Potentiale zu sondieren.
Hr. Aufmhoff: Das Konzept Blockchain entfaltet erst in einem sehr holistischen Ansatz sein volles Potential. Solch ein Ansatz ist dementsprechend schwierig zu realisieren, aber es gibt durchaus Möglichkeiten, die Blockchain im Kleinen einzusetzen.
Wie werden Sie die Umsetzung des Themas „Blockchain“ weiter vorantreiben? Was sind Ihre nächsten Schritte?
Hr. Schneider: Gemeinsam werden wir in den nächsten Wochen einen Technologieprotypten entwickeln, um unsere fachlichen Ideen in einem praxisnahen proof-of-concept zu verproben. Die ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend.
Hr. Aufmhoff: Technologisch werden wir beim Prototyping mit vorhandenen technischen Plattformen wie beispielsweise Ethereum arbeiten. Mit agilen Projektansätzen werden wir den Fokus auf schnelle Ergebnisse setzen, um einen ein Minimum Viable Product (MVP) zu entwickeln. Es bleibt spannend.