„Das neue Konzept von bonprix ist sehr komplex. Ganze sechs Stationen im Geschäft durchlaufen Kunden mit einer App. Zurzeit gibt es diese nur auf Deutsch, eine englische Version ist aber bereits im Testlauf. Es müssten in jedem Fall noch weitere Sprachen eingeführt werden, um alle Kunden einer frequenzstarken Einkaufsstraße wie der Mönckebergstraße bedienen zu können“, sagt Beyerhaus. „Grundsätzlich setzt das Konzept voraus, dass der Kunde digital orientiert ist. Daher werden vor allem junge Menschen angesprochen. Aber auch diese fühlen sich überfordert, wenn der reibungslose Einkauf nicht mehr gewährleistet ist. Shopping in der Modewelt muss Spaß machen, unterhalten und von Leichtigkeit geprägt sein. Sind die nötigen Weiterentwicklungen nicht erfolgreich, wird das Konzept die Mechanismen des Konsums in der Modewelt unterlaufen“, ist sich die Modeexpertin sicher.
Durch das digitale Konzept lässt sich im ersten Moment eine Personaleinsparung vermuten, das Gegenteil ist jedoch der Fall. „Der gesamte Prozess ist durch einen personalintensiven Einsatz vor Ort gesteuert. Das, was der Kunde normalerweise macht, ist jetzt Aufgabe der Mitarbeiter: Kleidung raussuchen, die Ware in die Kabine bringen und gegebenenfalls wieder rausholen“, sagt die ISM-Professorin. „Es wird sich zeigen, ob der Store auch die gewünschten Umsätze und Erträge erwirtschaftet. Sollte das der Fall sein, wird das Konzept zukunftsträchtig sein.“
Laut einer EHI-Studie schätzen 69 Prozent der befragten Händler Künstliche Intelligenz als wichtigste technologische Entwicklung der kommenden drei Jahre ein. 32 Prozent setzen Künstliche Intelligenz bereits in ihren Unternehmen ein. Vor allem Predictive Analytics, die standortspezifische Warenallokation und Bilderkennungstechnologien haben aus ihrer Sicht absolutes Zukunftspotenzial. Dass die Modebranche von der Digitalisierung profitieren wird, steht auch für Beyerhaus außer Frage. „Die digitale Umstrukturierung wird Geschäftsprozesse schneller und kostengünstiger machen. Zukünftig werden noch mehr Erlebniswelten sowohl online als auch offline integriert – Features wie Virtual und Augmented Reality spielen dabei eine große Rolle. Bei ZARA können Kunden beispielsweise ein Kleidungsstück im Store mit einer App einscannen, das dann an einem Model virtuell präsentiert wird. Ob diese Funktion wirklich von Kunden genutzt wird und zum Kaufen anregt, ist heute noch unklar.“
„Die Modebranche wird auch verstärkt mit Algorithmen arbeiten, das heißt, der Kunde erhält einen individuellen Preis auf seine Smartphone-App, der je nach Kaufverhalten differieren kann. Das muss nicht unbedingt der günstigste Preis sein. Hier kann es auch Nachteile für den Nutzer geben, die allerdings nicht transparent für ihn sind“, erklärt Beyerhaus. „Letztendlich ist es dem Kunden jedoch egal, ob er von der Couch bestellt oder im stationären Handel einkauft. Möglichst bequem und schnell muss es sein. Digitale Prozesse müssen diese Konsumerwartung unterstützen und dürfen sie nicht durch Komplexität oder komplizierte Prozesse behindern.“